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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel "Mittelbayerische Zeitung" (Regensburg) zum Doppelabitur in Bayern

Geschrieben am 26-01-2011

Regensburg (ots) - Zeit für eine echte Reform

In wenigen Wochen startet der doppelte Jahrgang ins Abitur. Für
Schüler wie Lehrer heißt es nun "Augen zu und durch" - das
Doppel-Abitur und die folgende Studentenschwemme werden noch mal ein
Kraftakt. Auch Bayerns Politiker werden froh sein, wenn die Causa
"Doppelter Jahrgang" überstanden ist. Doch fängt für sie die Arbeit
danach erst an: Es ist Zeit, das Gymnasium wirklich zu reformieren.
Die Verkürzung auf acht Jahre Gymnasium war weniger eine
"Verbesserung des Bestehenden" (so die Duden-Definition für Reform)
als eine unausgereifte Hauruck-Aktion. Es ging um Wettbewerb, Bayerns
Abiturienten sollten nicht später auf den Arbeitsmarkt kommen als in
anderen Ländern. Und um ökonomische Interessen: Das Finanzministerium
soll hier Sparpotenzial gewittert und ein Wörtchen mitgeredet haben.
Am wenigsten ging es um den besten Weg für die Betroffenen. Die hat
die hastige Aktion an die Grenzen ihrer Belastbarkeit gebracht.
Schulen und Lehrer mussten unvorbereitet ein neues System umsetzen.
Für die Schüler (samt Familien) wurde ihre Bildungskarriere zu einem
Hindernislauf. Beim G8 klagt der Nachwuchs vor allem über das
"Bulimie-Lernen": Reinfressen und wieder Ausspucken. Die
Gymnasialzeit bedeutete für ihn Organisationschaos, übervolle
Stundenpläne und das Gefühl, die Versuchskaninchen der Nation zu
sein. An den Hochschulen geht es jetzt weiter, mit dem Kampf um den
gewünschten Studienplatz. Längst ist bekannt, dass in Bayern
mindestens 10 000 weitere Studienplätze fehlen, die
Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch forderte - aus Spargründen
wurden sie im Landtag nicht bewilligt. Auch bundesweit sind die
Kapazitäten begrenzt, beispielsweise für zentral vergebene
Studiengänge wie Medizin oder Pharmazie. Und in den nächsten Jahren
drängen doppelte Abiturjahrgänge aus Niedersachsen,
Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Hessen an die Hochschulen.
Das bayerische Kultusministerium bemüht sich, den Doppelten Jahrgang
möglichst reibungslos abzuwickeln. Aber ob es die Zäsur nach dem G9
als Chance nutzen wird, das Gymnasium endlich grundlegend
weiterzuentwickeln? Es soll Anweisungen geben, das Abitur 2011 habe
um jeden Preis gut auszufallen. Das ist Schönheitskosmetik, mit der
das G8 als Erfolg verkauft werden soll. Auch dass das Ministerium
gerade 500 frisch ausgebildeten Lehrern eine Jobabsage erteilt hat,
lässt nicht auf echte Veränderungen hoffen. Mit ihnen würde an
Gymnasien weniger Unterricht ausfallen und der Kultusminister könnte
sein Versprechen einlösen und die Klassen zügig verkleinern. Die
Gymnasien brauchen jetzt jeden motivierten Mitarbeiter, um sich für
die Zukunft zu rüsten. Eine Schule kann auch in acht Jahren den
Grundstein für ein erfolgreiches (Berufs)Leben legen - die Frage ist
nur, mit welchen Inhalten und Methoden. Womit kommt ein Schüler
besser in unserer Gesellschaft zurecht: Mit abfragbarem Wissen oder
mit der Fähigkeit, sich nötiges Wissen selber anzueignen? Auswendig
lernen und Noten sammeln: Stattdessen sollte die Schule der Zukunft
auf eigenverantwortliches Lernen setzen. Kompetenzen wie Teamarbeit,
die Fähigkeit, Zusammenhänge zu erfassen und Fachübergreifend zu
denken, machen fit für das Leben und auch für den Wettbewerb. Wer
gute Leistung bringen soll, braucht zwischendurch Freiraum für
Kreativität und zur Entspannung, das gilt auch für Schüler. Und
wirklich erfolgreich wird eine Schulreform erst, wenn sie nicht von
oben verordnet ist, sondern wenn Lehrer und Familien "ihre Schule"
mitgestalten dürfen.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


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