(Registrieren)

BERLINER MORGENPOST: Das Märchen vom teuren gesunden Essen Ulli Kulke über Dioxin in Lebensmitteln und die Forderung nach schärferen Kontrollen

Geschrieben am 11-01-2011

Berlin (ots) - Nach jedem Lebensmittelskandal wird sie mit einer
Sicherheit serviert, dass man das viel zitierte Gift darauf nehmen
könnte, im jüngsten Fall eben Dioxin: die Weisheit, dass die
Lebensmittel bei uns einfach zu billig seien. Wären sie teurer, so
lautet der implizite Umkehrschluss, gäbe es keine Skandale mehr, oder
doch zumindest weniger. Explizit hören wir dies schon seltener. Denn
dass es so einfach wäre, will kaum jemand wirklich behaupten. Auch
der Hinweis, dass es in Deutschland besonders schlimm sei, weil hier
die Nahrung billiger ist als in Nachbarländern, klingt nicht wirklich
überzeugend. Schließlich ist auch das Ausland, wo der Anteil des
Einkommens, der für Nahrung ausgegeben wird, bisweilen doppelt so
groß ist, nicht gefeit vor ähnlichen Skandalen. Kleiner sind die
Supermärkte bei unseren Nachbarn jedenfalls nicht, nur die Regale für
Bioware nehmen im Durchschnitt weniger Raum ein. Wir müssen uns also
nicht unbedingt dafür schämen, der Erkenntnis, dass Lebensmittel bei
uns preiswert sind, auch positive Seiten abzugewinnen. Es steht jedem
frei, teurere Nahrung einzukaufen. Meist erhält er dafür
schmackhaftere Ware, am spürbarsten vielleicht beim Wein, es gilt
aber auch für Fleisch, Kartoffeln und anderes - auch übrigens für die
umstrittene Gänsestopfleber und Kaviar vom gefährdeten Stör. Es
hängt, wie so oft, vom Geldbeutel ab. Dass teurere Lebensmittel auch
gesünder seien, ist schon fraglicher, und wird gerade beim Thema Bio
oder Nicht-Bio von Experten bestritten. Deshalb ist es vollkommen
vermessen und unberechtigt, an die fragwürdige These von der
skandalträchtigen Billignahrung sogleich die Forderung nach einer
Gesamtumstellung der Landwirtschaft zu hängen. Womöglich auch noch
flächendeckend auf Bioprodukte. Wer dies einklagt, der möge zur
Kenntnis nehmen, dass ein großer Teil der Bevölkerung nach aller
Abwägung von Einkommen und Risiko bewusst zum Billigprodukt greift.
Und damit nicht nur ganz gut lebt trotz aller angeblichen
Giftbelastungen, sondern auch die gesundheitliche Expertise der
Behörden mit ihrem System von Grenzwerten hinter sich weiß, auch wenn
manche ihnen das madig machen wollen. Viele Menschen verlassen sich -
zu Recht - darauf, was das dafür zuständige Bundesinstitut für
Risikobewertung dazu sagt. Und es gibt keinen Grund für die Annahme,
dass die Behörde es sich bei seiner Beurteilung leicht machen würde,
wenn es feststellt, dass die bei uns im Verkehr befindlichen
Nahrungsmittel im Normalfall sicher sind, egal ob preiswert oder
besonders teuer. Was bleibt, ist die Pflicht der Länder, ihre
nachlässigen Kontrollen auszubauen, um Skandale nach bestem Wissen zu
unterbinden. Wer dagegen meint, mafiöse Machenschaften dadurch
auszuschalten, dass es in der Landwirtschaft um mehr Geld geht, der
sollte zunächst bei der Mafia in die Schule gehen und dort ein
Wirtschaftsseminar belegen: Je höher die Gewinnmargen, je mehr Geld
etwa Futtermittel kosten dürfen, desto lukrativer wird es, billige
Industriefette oder andere Abfälle den landwirtschaftlichen Betrieben
als Hühnernahrung unterzujubeln. Wir können es drehen und wenden wie
wir wollen: Gute Kontrolle ist das Gelbe vom Ei.



Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

309897

weitere Artikel:
  • Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR Gabriel präsentiert Fortschrittsprogramm SPD im Glück ALEXANDRA JACOBSON, BERLIN Bielefeld (ots) - Bekanntlich haben Parteiprogramme mehr Autoren als Leser. Auch dem neuen Fortschrittsprogramm der SPD dürfte dieses Schicksal beschieden sein. Schon das schwer verdauliche Soziologendeutsch könnte den Normalbürger von einer eingehenden Lektüre abhalten. Doch das 43-seitige Papier richtet sich vorrangig natürlich nicht an den Wähler, sondern an die eigene Partei. In einer Situation, in der sich der rechte wie auch der linke Flügel wieder deutlich bemerkbar machten, hat SPD-Chef Sigmar Gabriel mit einem programmatischen mehr...

  • Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar NRW-CDU legt neues Schulkonzept vor Anpassung PETER JANSEN, DÜSSELDORF Bielefeld (ots) - Ein großer Wurf ist der NRW-CDU mit ihrem neuen schulpolitischen Konzept nicht gelungen. Die Leitsätze folgen dem konservativen Motto, so wenig zu ändern wie möglich. Die wenigen Neuerungen, auf die sich die CDU einlassen will, sind nur Anpassungen an die Wirklichkeit, die die Partei jetzt auch in ihrem Schulkonzept vornimmt. Wenn die CDU auf eine Bestandsgarantie für die Hauptschule verzichtet, vollzieht sie programmatisch nach, was die Eltern im ganzen Land bereits erkannt haben: Die Hauptschule ist kein attraktives mehr...

  • Trierischer Volksfreund: SPD-Klausurtagung - Leitartikel, Trierischer Volksfreund, 12.01.2011 Trier (ots) - Von einer akuten Regierungskrise ist nichts bekannt, Neuwahlen stehen auch nicht an. Wenn die Oppositionspartei SPD trotzdem schon jetzt ein Papier diskutiert, das in Länge und Stil einem Regierungsprogramm gleicht, dann kann das nur einen Grund haben: Selbstbeschäftigung. Vielleicht auch Selbstvergewisserung. In jedem Fall etwas Internes. 2010 haben die Sozialdemokraten damit verbracht, die schwerverdaulichen Teile ihrer Regierungszeit, vor allem Hartz IV und die Rente mit 67, immer neu durchzuwalken. Wie politische mehr...

  • Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Tote in Tunesien Pulverfass Nordafrika RALPH SCHULZE, MADRID Bielefeld (ots) - Die Lunte auf der anderen Seite des Mittelmeers, vor der südlichen Haustür Europas, glimmt schon ziemlich lange. Und es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis das Pulverfass in Nordafrika explodiert. Auch Diktatoren wie Tunesiens Staatschef Ben Ali können irgendwann nicht mehr die jahrelang angestaute Frustration des Volkes unter Kontrolle halten. Da gibt es zwischen den drei Nachbarn Tunesien, Algerien und Marokko wenig Unterschiede und viel Gefahrenpotenzial: Herrscher, die wie Despoten regieren, eine sehr große mehr...

  • Westdeutsche Zeitung: Organspende = von Wibke Busch Düsseldorf (ots) - Über die Bedeutung der Organspende muss nicht diskutiert werden. Laut einer Umfrage steigt in Deutschland die Bereitschaft, nach dem Tod beispielsweise eine Niere zur Verfügung zu stellen - zumindest grundsätzlich. Ganz konkret allerdings ist die Kluft zwischen der Zahl der Menschen, die dringend ein neues Organ brauchen, und der der Spender weiter groß. Zu groß. Das hat auch damit zu tun, dass wir Menschen bei der Entscheidung über einen Spenderausweis wie auch über eine Patientenverfügung mit der Endlichkeit mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht