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Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) zum Thema Kulturhauptstadtjahr:

Geschrieben am 21-12-2010

Bielefeld (ots) - Mythen sind langlebig, viele sogar unzerstörbar
- die Geburt Deutschlands aus den Wäldern Germaniens gehört dazu, das
Verschwinden von 1000 Jahren aus dem diktaturgebeutelten 20.
Jahrhundert hinter der Volkspädagogik der Gutmenschen ebenso.
Offensichtlich muss es eine Nummer kleiner sein, damit der Mythos
sich auflöst, es darf nicht gleich um die ganze Republik gehen - eine
kleine, aber feine Region ist da viel flexibler. Wie das Ruhrgebiet
zeigt. Immer noch ist der Landstrich »der Pott«, aber das ist kaum
jemals mehr abschätzig gemeint, sondern fast schon ein Ehrentitel,
denn die meisten Deutschen wissen längst, dass, wer heute nach
Duisburg-Ruhrort oder nach Essen-Kray fährt, nicht gleich ein Fall
für den Lungenfacharzt wird. Die Luft über den 53 Städten, die sich
in einer mitreißenden Aktion zur Kulturhauptstadt, zur »Ruhr 2010«
zusammenfanden, ist keine Rußglocke mehr, der Himmel strahlt dort oft
blauer als in der chronisch charmanten Schwabenmetropole Stuttgart in
ihrem vermaledeiten Talkessel. Insofern dürfen die Macher der »Ruhr
2010« jetzt feiern, sich selbst ebenso wie ihre zehn Millionen Gäste:
Rekord - das gab's noch nie! Auch nicht in der »Beatles«-Stadt
Liverpool. Fritz Pleitgen und seine Leute haben alles richtig
gemacht, und die mitleidigen bis hämischen Vorabkommentare aus dem
Jahr 2009, als viele geplante Veranstaltungen aus Geldnot abgesagt
werden mussten, sind zu Recht ungehört verhallt. Die unglaubliche
Zahl von 5500 Einzelereignissen spricht für sich, Phantasievolles wie
die unerhörte Speisung der drei Millionen auf der A40, Ästhetisches
wie die knallbunten Ballons über den ehemals graubraunen
Zechenschächten, kleines Kreatives wie die »Pott-Lappen«, anderswo
Topflappen, aber hier aus dem Drillich der Bergleute gefertigt. Jeder
Bewohner des Pütts hat, statistisch gesehen, zwei Gäste empfangen. Er
hat sie in den Park geführt, ins Theater und in den Konzertsaal, und
nun weiß es nicht nur Nordrhein-Westfalen, sondern gleich die ganze
Welt: Das Ruhrgebiet wird nicht mehr von schwarzgesichtigen Kumpels
dominiert, sondern von sensiblen Zauderern (Hamlet), schwärmerischen
Liebenden (Torquato Tasso) und kühl Verstoßenen (Effi Briest). Es ist
nun aber nicht so, dass die »harte Arbeit« und die »Solidarität« mit
Kohle und Stahl verschwunden wären. Sie haben sich, im Gegenteil,
aufs Neue bewährt, nur in einem neuen Bezugsrahmen. Kultur ist schön,
macht aber viel Arbeit, wusste Karl Valentin. Vor allem eines sollte
die »Ruhr 2010« den auf ihren Etatsäcken hockenden Politikern klipp
und klar mitgeteilt haben: Wenn in Zeiten der grenzenlosen Ökonomie
die Gemeinschaft der Menschen zerfällt, dann kann sie nie der Dollar,
nie der Euro und auch nicht der Yuan retten. Das kann nur die Kultur.



Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


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