(Registrieren)

WAZ: Über Geheimnisse und ihren Verrat - Leitartikel von Ulrich Reitz

Geschrieben am 20-12-2010

Essen (ots) - Geheimnisverrat ist seit jeher unser
journalistisches Geschäft. Wikileaks hat die Welt nicht neu erfunden.
Reporter der Washington Post stürzten Präsident Nixon auch ohne
Internet. Beide Seiten sollten abrüsten: die Wikileaks-Jünger, die
sich für die einzigen Verteidiger der Demokratie halten und
amerikanische Republikaner, die Gründer Assange am liebsten hängen
sähen. Die Enthüllung fördert die Demokratie. Aber sie muss erkämpft
werden, wie eine kleine Verrats-Chronik aus der jüngsten
Erfolgsgeschichte unserer Lokalredaktionen zeigt: Die Nachricht, dass
die Stadtwerke der Pleitestadt Essen für zwei Millionen exklusive
Büromöbel anschaffen wollten, ging natürlich nicht auf den
Stadtsprecher zurück. Und es waren nicht offizielle, sondern
verschlungene Wege, auf denen Dokumente öffentlich wurden, die
belegten, dass die Ruhr-Stadtwerke bei einer Steag-Übernahme größere
Risiken eingehen als angegeben. Es war ein der Zeitung zugespielter
interner Aktenvermerk, der belegte, dass der neu gewählte Dortmunder
OB Sierau von den prekären Stadtfinanzen schon vor der Kommunalwahl
gewusst haben muss. Eine Enthüllung, die für Neuwahlen sorgte.
Skandale passieren keineswegs nur in Großstädten. Der
Korruptionsverdacht im Rathaus von Haltern am See wurde nach einem
anonymen Hinweis recherchiert. Der Fall läuft noch. Oft wird die
Politik erst aktiv nach solchen Veröffentlichungen, wie mehrfach in
Mülheim an der Ruhr, wo es zuletzt um kaum haltbare Zustände in einem
Seniorenheim ging. Oder um einen Kampfhund. Oder die Gefährdung der
Bürgersicherheit in der Innenstadt. Dasselbe Muster in Essen, wo erst
Berichte über sogenannte Angsträume in Altenessen die städtische
Verwaltung in Bewegung setzten. Und sicher hätte sich die
Gelsenkirchener FDP-Ratsfrau ihre politisch anrüchigen
Immobiliengeschäfte zwei Mal überlegt, wenn sie damit gerechnet
hätte, dass dies öffentlich werden würde. Sie musste ihr Amt
niederlegen. All the news that's fit to print, hat der New York
Times-Eigentümer gesagt. Alles, was reif ist zur Veröffentlichung.
Das ist der Maßstab. Reif, das heißt: recherchiert, verantwortbar, im
öffentlichen Interesse. Fazit: Politik darf Geheimnisse haben.
Journalisten jagen ihnen hinterher. Ernsthafte Enthüllungen fördern
die Demokratie. Es kommt nun darauf an, bewährte Spielregeln aus der
alten, analogen Welt in die neue, digitale Welt zu übertragen.

Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2

Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-6528
zentralredaktion@waz.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

307419

weitere Artikel:
  • Stuttgarter Nachrichten: Seehofer in Prag Stuttgart (ots) - Der Abtransport von Menschen in Viehwaggons, der Massentod von Flüchtlingen, der Raub von deutschem Eigentum lösen Betroffenheit aus. Aber die Benesch-Dekrete interessieren die Tschechen nicht mehr, über sie ist nach allgemeinem Empfinden die Zeit hinweggegangen. Eine ganz normale Entwicklung, die die Vertriebenen-Verbände nicht als verwerflich brandmarken sollten. Was die Seehofer-Visite für das bayerisch-tschechische Verhältnis gebracht hat, wird sich spätestens beim nächsten Pfingsttreffen erweisen. Sollte mehr...

  • Südwest Presse: Kommentar zur Bildung Ulm (ots) - Die Reaktion der Kultusministerin auf das Werkrealschul-Urteil des Sigmaringer Verwaltungsgerichts spricht Bände. Marion Schick kündigt an, in Berufung zu gehen. Das ist ihr gutes Recht. Aber ist es klug? Schick sagt, es handle sich um eine Grundsatzfrage. Eben dieser Eindruck drängt sich seit Jahren, wenn nicht gar Jahrzehnten auf: Dass die CDU-Schulminister im Südwesten ihre bildungspolitischen Weltanschauungen auch dann durchzusetzen versuchen, wenn sie für den Alltag nicht taugen. Eltern, Lehrer und Kommunalpolitiker mehr...

  • WAZ: Ministerin Steffens wirft Kauder "blanken Populismus" vor Essen (ots) - NRW-Emanzipationsministerin Barbara Steffens (Grüne) hat die Äußerungen von Unions-Bundestagsfraktionschef Volker Kauder (CDU) zum Adoptionsrecht für homosexuelle Paare als "blanken Populismus" bezeichnet. "Er weiß nicht wovon er redet", sagte Steffens den Zeitungen der WAZ-Mediengruppe (Dienstagausgabe). "Wegen Menschen wie Kauder haben wir in NRW einen Runden Tisch gegen Homophobie eingerichtet", so Steffens weiter. Kauder hatte sich in einem Interview mit scharfen Worten gegen eine Änderung des Adoptionsrechts mehr...

  • Rheinische Post: Nachtflugverbot auftauen Düsseldorf (ots) - Ein Kommentar von Gregor Mayntz: Der Verkehrsminister hat Recht. Besondere Lagen erfordern flexible Reaktionen. Deshalb sollten Landesbehörden die Vorschriften zum Nachtflugverbot durch die Enteisungsanlage schicken und die eingefrorenen Vorgaben auftauen. Wenn sich Belästigungen qua Gesetz tatsächlich begrenzen ließen, dann gehörten die Schneemassen gewiss dazu. Aber die Natur lässt sich nun einmal nicht bürokratisch bändigen. Und deshalb müssen es die Menschen ertragen, dass ihre Nachtruhe ausnahmsweise mehr...

  • Rheinische Post: Daten sichern Düsseldorf (ots) - Ein Kommentar von Michael Bröcker: Die FDP macht endlich positive Schlagzeilen. Und dass in ihrem bisher vernachlässigten Kerngebiet, den Bürgerrechten. Dass die Liberalen nun einen ersten Gesetzentwurf zur Aussetzung der elektronischen Übermittlung von Millionen Arbeitnehmer-Daten vorlegen, ist begrüßenswert. Zwar hatte sich die Koalition grundsätzlich bereits auf einen Stopp des "elektronischen Entgeltnachweises" geeinigt, aber bisher keine Taten folgen lassen. Der Massen-Datenspeicher mit dem verniedlichenden mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht