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General-Anzeiger: Leitartikel: Die FDP nach Wikileaks

Geschrieben am 03-12-2010

Bonn (ots) - Noch 'ne Delle¶

Von Ulrich Lüke

Fürwahr, das ist eine neue Erfahrung: Wer Zeitungswissen
weitergibt, verliert seinen Arbeitsplatz. Dem Büroleiter des
FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle ist das in dieser Woche passiert,
jetzt ist er es nicht mehr und muss demnächst vielleicht
Zeitungsartikel ausschneiden. Spaß beiseite: Auch diese
Bundesregierung und die sie tragenden Parteien müssen sich allmählich
entscheiden, ob sie die Wikileaks-Veröffentlichungen, die ja wie alle
bisherigen in erster Linie gegen die USA gerichtet sind, nun ernst
nehmen wollen oder nicht. Dass sie - insbesondere für den deutschen
Außenminister - äußerst unangenehm, weil ganz und gar nicht
schmeichelhaft sind, ist klar. Aber wenn sein Büroleiter (diese
Funktion ist auf einmal auch gar nicht mehr so wichtig) seinen Hut
nehmen muss, obwohl er nur Zeitungswissen weitergab und das auch noch
zu seinen Aufgaben gehörte, dann stimmen die Proportionen ganz und
gar nicht. Richtig wird demnach sein: Westerwelles Büroleiter hat
faktisch mit dazu beigetragen, dass sein Chef öffentlich noch
schlechter dasteht, als er dies ohnehin tut. Und dabei spielt es
keine Rolle, ob er den US-Botschafter in Berlin persönlich getroffen
oder über Mittelsmänner berichtet und über seinen Chef selbst gar
nichts gesagt hat. Mitgefangen, mitgehangen. Nun ist Helmut Metzner
natürlich kein Günter Guillaume, der Willy Brandt die Kanzlerschaft
kostete. Aber immerhin ist die Sache so belastend, dass prompt ein
anderer FDP-Politiker den Abzug des US-Botschafters forderte, was die
Bundesregierung dazu zwang, ihrerseits laut zu betonen, das genau sei
ihre Position nicht. Chaos an der Spree. Zudem kann so ein Bekenntnis
zum Botschafter leicht wirken wie das Treuegelöbnis zu einem
erfolgsverlassenen Bundesliga-Trainer, zwei Tage, bevor er in die
Wüste geschickt wird. Erfolgsverwöhnt ist Guido Westerwelle seit dem
Tag, an dem sich sein Traum der Regierungsbeteiligung erfüllte,
jedenfalls nicht. Seit dem Beginn der schwarz-gelben Koalition läuft
für die FDP unter seiner Führung viel mehr schlecht als gut. Das
begann mit dem unglücklichen Einstieg, Hoteliers die Mehrwertsteuer
zu reduzieren. Sofort war sie wieder da, die Vorstellung von der FDP
als unsolider Klienteltruppe. Das setzte sich fort mit der
Vereinbarung, nichts zu tun, um den Wahlsieg in NRW nicht zu
gefährden - mit dem Ergebnis, dass er genau dadurch verspielt wurde.
Hinzu kam die nicht erklärbare thematische Verengung auf die
gebetsmühlenartig wiederholte Forderung nach Steuersenkung, als alle
Welt längst wusste: Geht zur Zeit gar nicht. Die Liberalen
verspielten dadurch nicht nur ihr grandioses Wahlergebnis von fast 15
Prozent, sondern drittelten sich in wenigen Monaten und krebsen jetzt
an der Fünf-Prozent-Hürde herum. Vor allem aber: Das Etikett der
Spaßpartei ist auf ganz neuem Gewand wieder da: Man nimmt sie nicht
mehr so richtig ernst, spottet über sie. Das aber ist noch schlimmer,
als würden die Liberalen im Koalitionsgerangel ab und an unterliegen.
Jetzt also noch eine Delle: Während Angela Merkel mit kurzen, aber
heftigen Bewegungen mal eben drei, vier Pflöcke einschlägt und so
klar macht: jetzt regiere ich, profitieren Westerwelles Liberale vom
zarten Koalitionsaufschwung nicht. Im Gegenteil: Es ist ja nicht nur
der Büroleiter des Chefs weg, auch der Vorsitzende des größten
Landesverbandes hat ja seinen Hut genommen. Verlieren die Liberalen
in Baden-Württemberg könnte der Chef der nächste sein.

Originaltext: General-Anzeiger
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/80218
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_80218.rss2

Pressekontakt:
General-Anzeiger
Alexander Marinos
Telefon: 0228 / 66 88 612
a.marinos@ga-bonn.de


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