(Registrieren)

Kritik an Landtagen wegen Zulagenpraxis / Bundesverfassungsrichter a.D. Hans-Joachim Jentsch: Urteil aus dem Jahr 2000 gilt auch für Fraktionen in Rheinland-Pfalz

Geschrieben am 24-09-2010

Mainz (ots) - Nach Überzeugung des früheren
Bundesverfassungsrichters Prof. Hans-Joachim Jentsch müssen sich die
Fraktionen des rheinland-pfälzischen Landtags an das Urteil des
Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juli 2000 (Az. 2 BvH 3/91) zur
Zulagenpraxis halten. Das sagte Jentsch im Interview mit dem
landespolitischen Magazin "Ländersache" des SWR Fernsehens. Das
Bundesverfassungsgericht hatte in seinem Urteil von 2000 am Beispiel
von Thüringen Zulagen aus Steuermitteln an Funktionsträger wie
stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Ausschussvorsitzende für
verfassungswidrig erklärt. Prof. Hans-Joachim Jentsch hatte vor zehn
Jahren das Urteil als Bundesverfassungsrichter im Zweiten Senat mit
erarbeitet.

Dem SWR-Magazin "Ländersache" sagte Jentsch auf die Frage, ob das
Bundesverfassungsgerichtsurteil aus dem Jahr 2000 auf Rheinland-Pfalz
übertragbar sei: "Nach meiner Überzeugung eindeutig ja. Denn hier ist
ein Grundsatz unseres parlamentarisch-demokratischen Systems, der im
Grundgesetz angelegt ist, zum Ausdruck gekommen, und der gilt für den
Parlamentarismus in ganz Deutschland auf allen Ebenen." Dennoch
zahlen alle drei Fraktionen im rheinland-pfälzischen Landtag Zulagen
an Funktionsträger. Insgesamt werden rund 330.000 Euro an Steuergeld
im Jahr für Zulagen an stellvertretende Fraktionsvorsitzende und
Arbeitskreisleiter ausgegeben.

Im Interview mit der "Ländersache" kritisierte Jentsch, dass sich
die Fraktionen in vielen Landtagen über das Urteil des
Bundesverfassungsgerichts hinwegsetzen. Wörtlich sagte er: "Das ist
nicht besonders gerichtsfreundlich. Und das entspricht eigentlich
auch nicht dem Umgang von Verfassungsorganen untereinander, die ihre
Aufgaben wahrnehmen. Das Bundesverfassungsgericht hat seine Aufgabe
wahrgenommen, um die Regelung des Grundgesetzes auszulegen. Wenn dann
Parlamente kommen und sagen: Solange wir noch nicht konkret
verurteilt worden sind, halten wir uns nicht dran, ist das eigentlich
ein Verfahren, dass einem rechtsstaatlichen Umgang doch nicht
besonders nahe kommt."

Auf Anfrage des SWR-Magazins "Ländersache" hat der
Landesrechnungshof von Rheinland-Pfalz erklärt, dass er
Funktionszulagen der Fraktionen im rheinland-pfälzischen Landtag
nicht beanstande. Dies stehe jedoch unter dem Vorbehalt "einer
abschließenden Klärung der Rechtslage". Bundesverfassungsrichter a.D.
Jentsch sagte dem SWR-Magazin "Ländersache" hingegen im Interview:
"Ich denke, dass man die Aussage, hier ist noch etwas ungeklärt in
Bezug auf ein Land, so nicht hinnehmen kann. Richtig ist, dass außer
Thüringen noch kein Land verurteilt worden ist." Wenn nun Abgeordnete
gegen eine mit dem Urteil von 2000 nicht in Einklang stehende
Zulagenpraxis vor das Bundes- oder das Landesverfassungsgericht
gingen, bedürfe es laut Jentsch "keiner großen Prognosekraft,
vorauszusagen, dass sie damit Erfolg haben würden".

Die Fraktionen verteidigen die Funktionszulagen vielfach mit dem
Argument, stellvertretende Fraktionsvorsitzende und
Arbeitskreisleiter leisteten aufgrund ihrer Funktionen Mehrarbeit,
die auch entsprechend vergütet werden müsse. Dazu sagte
Bundesverfassungsrichter a.D. Jentsch dem SWR: "Dies ist abgedeckt
mit den Diäten, und wenn die Diäten nicht ausreichen, um diese
Tätigkeiten abzudecken, dann sollten die Parlamentarier wirklich den
Mut haben, dafür einzutreten, dass ihre Diäten erhöht werden. Sie
sind - wenn man die Gehaltsstrukturen in unserem Lande nimmt -
wahrlich nicht üppig bei der Bedeutung ihrer Aufgaben, und da müssen
sie ansetzen."

Auslöser der öffentlichen Diskussion um Zulagen an Funktionsträger
in den Landtagsfraktionen in Deutschland war ein Bericht des
ARD-Politikmagazins "Report Mainz" am vergangenen Montag, 20.
September 2010 im Ersten.

Zitate gegen Quellenangabe "Ländersache" oder "SWR Fernsehen"
frei. Bei Rückfragen rufen Sie bitte in der Redaktion "Report Mainz",
Tel.: 06131/929-3351 an.

Originaltext: SWR - Südwestrundfunk
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/7169
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_7169.rss2


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

291336

weitere Artikel:
  • Mitteldeutsche Zeitung: Stadtwerke-Affäre Wolfsburg McAllister weist Unregelmäßigkeiten bei Wahlkämpfen Christian Wulffs zurück Halle (ots) - Der niedersächsische Ministerpräsident David McAllister (CDU) hat die Vorwürfe in der Affäre um mögliche Unregelmäßigkeiten bei Wahlkämpfen seines Vorgängers und heutigen Bundespräsidenten Christian Wulff zurückgewiesen. "Wir haben nichts zu verbergen", sagte er der in Halle erscheinenden "Mitteldeutschen Zeitung" (Samstag-Ausgabe). "Denn aus unserer Sicht ist an den Vorwürfen nichts dran." Man sei stets davon ausgegangen, dass der damalige Pressesprecher der Wolfsburger Stadtwerke, Maik Nahrstedt, für die CDU "ehrenamtlich mehr...

  • Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz: Bundesrat fordert mehr Berücksichtigung der Patientenrechte Berlin (ots) - In seiner heutigen 874. Sitzung hat der Deutsche Bundesrat den Gesetzgeber aufgefordert, beim Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) stärker auf die Arzneimittelsicherheit und die Patientenrechte Rücksicht zu nehmen. Nach dem Willen des Bundesrates sollen im Rahmen von Rabattverträgen Arzneimittel nur noch dann gegen die ursprünglich verordneten ausgetauscht werden dürfen, wenn das in der Apotheke abgegebene Präparat für alle Indikationen zugelassen ist, für die auch das vom Arzt verschriebene eingesetzt werden mehr...

  • Energiedienstleistungsgesetz fördert Energieeinsparung bei Haushalten Berlin (ots) - Der Bundesrat hat in seiner heutigen Sitzung dem Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Endenergieeffizienz und Energiedienstleistungen (EDL-G) zugestimmt. Damit werden nunmehr auch in Deutschland verpflichtende europäische Vorgaben aus dem Jahr 2006 in nationales Recht umgesetzt. Das Gesetz verfolgt den Zweck, die Effizienz der Endenergienutzung wirksam zu steigern. Dazu schafft es die Voraussetzungen für die Entwicklung und Förderung eines Marktes für Energiedienstleistungen mehr...

  • VKU: Chance zum nachhaltigen Grundwasserschutz vertan Berlin (ots) - Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) bedauert die heutige Entscheidung des Bundesrates zum Grundwasserschutz. "Der Bundesrat ist den speziellen Empfehlungen des Umweltausschusses nicht gefolgt und hat damit eine große Chance vertan, den Grundwasserschutz in Deutschland nachhaltig zu sichern", kommentierte VKU-Hauptgeschäftsführer Hans-Joachim Reck, den Beschluss. Der Bundesrat hatte heute über mehrere Änderungsanträge zum aktuellen Entwurf der Grundwasserverordnung zu entscheiden. Der Umweltausschuss hatte in mehr...

  • Saarbrücker Zeitung: Grüne fordern Abwicklung der HRE-Bank - Schaden durch U-Ausschuss minimiert Saarbrücken (ots) - Die Grünen plädieren für eine geordnete Abwicklung der HRE-Bank. "Zu glauben, die HRE könne binnen kurzer Zeit wieder Gewinne machen, ist ein teurer Trugschluss gewesen", sagte der finanzpolitischer Sprecher Gerhard Schick der "Saarbrücker Zeitung" (Sonnabend-Ausgabe). "Deshalb sollte man die HRE jetzt geordnet abwickeln". Sonst drohe "ein Schrecken ohne Ende, das den Steuerzahler teuer zu stehen kommt", meinte Schick. Der Grünen-Politiker verwies darauf, dass der HRE-Untersuchungsausschuss des Bundestages, mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht