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Westdeutsche Zeitung: Das leise "Basta" der Kanzlerin = Von Eberhard Fehre

Geschrieben am 21-09-2007

Düsseldorf (ots) - Es war ein schön inszenierter Klamauk, am
Donnerstag im Bundestag. Für einen Moment hätte man glauben können,
die Regierbarkeit des Landes stehe ernsthaft in Frage. Die SPD
vermutete, der Innenminister ihrer eigenen Regierung lasse regelmäßig
seinem "Wochenendfrust" freien Lauf, um das Volk mit Horrorszenarien
zu schrecken. Die öffentliche Sitzung endete fast im Krawall. Am Tag
danach hat sich der Gefechtslärm gelegt, der Pulverdampf zieht
langsam ab, die Kombattanten tragen ihre verletzten Kameraden vom
Feld. Und regieren weiter, als hätte es das verbale Gemetzel
überhaupt nicht gegeben.

Und damit haben sie - betrachtet man die Substanz des Konflikts -
wohl auch recht. Denn die offenkundige Lust am Streit übertraf bei
weitem die Glaubwürdigkeit der Argumente. Ob Online-Durchsuchung,
Strafrecht oder Abschuss von Passagierflugzeugen - womit Schäuble
oder Jung heute die SPD in Rage bringen, das hatten Schily oder
Struck eine Wahlperiode zuvor so oder ganz ähnlich selbst gefordert.
Die zur Schau gestellte Empörung wird also nicht weit tragen: Am Ende
wird die SPD im Absatz vier des Paragrafen fünf das Wörtchen "soll"
durch ein "kann" ersetzen - und Parteichef Kurt Beck wird danach im
Fernsehen auftreten, als lebe in der Pfalz ein neuer Drachentöter.

So schlagen beide Seiten Profit: Die Union zeigt, dass sie die
Ängste des Volkes ernst nimmt und Antworten hat. Die SPD profiliert
sich als Bürgerrechtspartei, die "das Schlimmste" verhindert. Und der
einfache Sozialdemokrat, dem mehr und mehr die Gewissheit abhanden zu
kommen droht, dass das Land eine SPD überhaupt noch brauche, kann
wieder ein bisschen aufrechter durch die Provinz laufen.

Solche Konflikte in einer Koalition gehören zur Demokratie.
Solange sie kontrollierbar bleiben, steht die Koalition auch nicht
auf dem Spiel. Das leise "Basta!" der Kanzlerin gestern sollte den
Scharfmachern auf beiden Seiten Grenzen setzen. Wer aber gesehen hat,
mit welcher Lust die zweite Reihe aufeinander einzuschlagen weiß, der
wird sich darauf einstellen müssen, dass die kommenden zwei Jahre
dieser Großen Koalition vor allem ein permanenter vorgezogener
Wahlkampf sein werden. Und dabei regiert's sich - das lehrt alle
Erfahrung - nicht besonders gut.

Originaltext: Westdeutsche Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/62556
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Pressekontakt:
Westdeutsche Zeitung
Nachrichtenredaktion
Telefon: 0211 / 8382-2358
redaktion.nachrichten@westdeutsche-zeitung.de


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