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DRV-Mitgliederversammlung in Berlin: Nüssel sieht Trendwende in der Agrarwirtschaft

Geschrieben am 14-06-2007

Berlin (ots) - Als gut bis sehr gut bewertet Manfred Nüssel,
Präsident des Deutschen Raiffeisenverbandes (DRV) die Perspektiven
für die Genossenschaften. "Positiv ist, dass derzeit die
gesamtwirtschaftliche und die agrarwirtschaftliche Konjunktur
parallel laufen. In der Vergangenheit waren meist gegenläufige
Entwicklungen die Regel", so Nüssel bei der Mitgliederversammlung in
Berlin.

Zentrale Faktoren der aktuellen Entwicklung sind die steigende
weltweite Nachfrage nach Agrarrohstoffen für Nahrungsmittel und
Bioenergie sowie der starke Anstieg des internationalen Agrarhandels.
Er wächst seit einiger Zeit deutlich schneller als die
Weltagrarproduktion. "Die genossenschaftlichen Unternehmen haben
diese Chancen erkannt und nutzen sie. An den neuen Realitäten müssen
sich auch die Zukunftskonzepte der Wirtschafts- und Agrarpolitik
ausrichten. Für Unternehmen und Politik gilt gleichermaßen: Positive
wirtschaftliche Rahmenbedingungen sollten als günstige Gelegenheit
zur Umsetzung von Veränderungs- und Anpassungsprozessen genutzt
werden, nicht aber als Grund dafür, unangenehme Entscheidungen zu
verschieben", erklärt der DRV-Präsident.

WTO bleibt ein Unsicherheitsfaktor

"Ein Unsicherheitsfaktor für den Planungshorizont der
Vermarktungsunternehmen ist die WTO-Hängepartie. Grundsätzlich sind
wir an einem raschen erfolgreichen Abschluss der Doha-Runde
interessiert. Dies gilt aber nur, wenn es zu einem insgesamt
ausgewogenen Ergebnis kommt, das auf keinen Fall einseitig zu Lasten
der europäischen Agrarwirtschaft gehen darf", betont Nüssel.

Die EU-Kommission hat vom Ministerrat ein eindeutiges
Verhandlungsmandat erhalten. Darüber darf sie nicht hinausgehen.
Bislang sind aber die Zugeständnisse der Europäischen Union (EU)
nicht angemessen honoriert worden. Der Ankündigung der Kommission,
die Exporterstattungen bis 2013 zu beenden, steht immer noch keine
angemessene Gegenleistung, z. B. der USA, gegenüber. Wenig
Kompromissbereitschaft zeigen die Amerikaner auch beim Abbau ihrer
internen Agrarstützung.

Im nicht landwirtschaftlichen Bereich, bei Industriezöllen und
Dienstleistungen, gibt es bislang ebenfalls keine greifbaren
Resultate. "Die Zeichen für ein baldiges ausgewogenes
Verhandlungsergebnis stehen schlecht. Dabei könnte der erfolgreiche
WTO-Abschluss einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die
Voraussetzungen für einen wachsenden internationalen Agrarhandel -
vor allem unter fairen Wettbewerbsbedingungen - zu verbessern", so
der Präsident.

Neue Technologien nutzen

Faire Chancen im internationalen Wettbewerb setzen voraus, dass
die deutsche Land,- Agrar- und Ernährungswirtschaft Zugang zu
Technologien hat, die in anderen Teilen der Welt bereits erfolgreich
genutzt werden. "Außerhalb der EU werden gentechnisch veränderte
Pflanzen von mehr als 10 Millionen Landwirten auf insgesamt 110
Millionen Hektar angebaut. Diese Fläche ist etwa siebenmal so groß
wie die landwirtschaftlich genutzte Fläche der Bundesrepublik.
Vergessen wird, dass gentechnisch veränderte Rohstoffe durch die
Drittlandsimporte seit mehr als zehn Jahren in Deutschland präsent
sind", so Nüssel.

Inzwischen wird eine wachsende Zahl gentechnisch veränderter
Pflanzen bereits in vielen wichtigen Wirtschaftsräumen genutzt. "Nur
in der Europäischen Union wird die Zulassung aus politischen Gründen
verzögert. Dies ist ein gravierendes Ärgernis. Für solche Rohstoffe
gilt in der EU eine absolute Nulltoleranz", so Nüssel. In den
internationalen Rohstoffströmen ist aber ein vollständiger Ausschluss
der hier nicht zugelassenen GVO unmöglich. Die Nulltoleranz führt zu
ernsthaften Versorgungsengpässen für unverzichtbare
Futtermittelrohstoffe und bedroht damit den europäischen
Veredelungssektor. Der DRV fordert deshalb kurzfristig praktikable
Schwellenwerte für bereits international anerkannte und
sicherheitsbewertete GVO-Konstrukte. Langfristig braucht die
Futterwirtschaft eine Harmonisierung von Mess- und
Zulassungsverfahren.

Health Check mit Angelhaken?

Für die EU-Agrarpolitik steht 2008 der sog. Health Check an. Nach
ersten Ankündigungen von Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel
sollten ausschließlich technische Anpassungen und Verbesserungen
erfolgen, nicht aber eine Reform der Reform. "Es muss genau geprüft
werden, welche Vorschläge die Kommission erarbeitet. Erste
Überlegungen sollen im Herbst präsentiert werden", so Nüssel.

Vor einigen Monaten ging die Agrarkommissarin mit Überlegungen an
die Öffentlichkeit, absolute Obergrenzen für Direktzahlungen
einzuführen. Dies hätte für die rd. 1.000 Agrargenossenschaften, die
zumeist als Mehrfamilienbetriebe geführt werden, Existenz gefährdende
Auswirkungen gehabt. Der DRV hat sich mit Erfolg gegen diese Pläne
eingesetzt. Nach jüngsten Aussagen scheint zumindest das Thema
"starre Obergrenzen" in Brüssel vom Tisch zu sein.

Getreideintervention verliert an Bedeutung

Ebenfalls auf dem Prüfstand steht die Getreideintervention. In der
EU wird nach Auffassung des DRV auch weiterhin ein "Sicherheitsnetz"
zur Abfederung gravierender Marktstörungen benötigt. Die staatliche
Getreidemarktverwaltung und Lagerhaltung verlieren jedoch für die
Märkte an Bedeutung. Mengen- und Preisschwankungen werden deshalb auf
den hiesigen Märkten - auch durch globale Einflüsse - zunehmen. Für
die genossenschaftlichen Unternehmen entwickelt sich hier ein sehr
wichtiges Betätigungsfeld. Die Getreide- und Umschlagslager werden
wieder stärker die Aufgabe eines Puffers für den zeitlichen und
räumlichen Ausgleich von Angebot und Nachfrage übernehmen.

Zur Risikominimierung werden die Unternehmen gemeinsam mit den
Landwirten völlig neue Wege beschreiten müssen, zum Beispiel
mehrjährige vertragliche Bindungen abschließen. Dies gilt auch für
die Geschäftspartner im nach gelagerten Bereich, für die die
Rohstoffversorgung im Lebensmittel-, Futter- und neuerdings im
Energiesektor sichergestellt werden muss.

Gerade im Energiesektor dürfen die Risiken nicht unterschätzt
werden, die aus unzuverlässigen politischen Rahmenbedingungen
erwachsen können. Ohne staatliche Förderung hätte der Einsatz
nachwachsender Rohstoffe zur Energiegewinnung niemals diese Dynamik
und Euphorie in Deutschland erreicht. "Jetzt ist es an der Zeit, die
administrativen Eingriffe zu überprüfen. Dort, wo des Guten zu viel
getan wurde, müssen Politikbeschlüsse korrigiert und neu justiert
werden", so Nüssel.

Mit dem Anstieg der Pflanzenölpreise und damit der Rohstoffkosten
für die Biodieselproduktion sowie dem Fall der Mineralölpreise seit
Herbst 2006 ist der aufgrund des geringeren Energiegehalts notwendige
Preisabstand von Biodiesel zu Diesel nicht mehr aufrecht zu erhalten.
"Die genossenschaftlichen Unternehmen, die diesen Biotreibstoff-Markt
gezielt aufgebaut haben, leiden nun unter einem dramatischen
Absatzeinbruch. Die Quoten zur Gesamtbeimischung für Biotreibstoffe
müssen kurzfristig erhöht werden. Nur so können die
Produktionskapazitäten von Absatz- und Preisdruck entlastet und den
jüngsten Klima-Beschlüssen des EU-Gipfels Rechnung getragen werden",
erklärt der DRV-Präsident.

Milchwirtschaft: Licht am Ende des Tunnels

Am Milchmarkt zeichnet sich eindeutig eine Trendwende ab. Die
weltweite Nachfrage nach Milch und Milcherzeugnissen wächst
dynamischer als das Angebot. Damit standen und stehen die
Verhandlungen der Molkereien mit dem Lebensmittelhandel in diesem
Jahr unter ganz anderen Vorzeichen. Es ist gelungen, angesichts stark
gestiegener Kosten in Erzeugung und Verarbeitung, die dringend
erforderlichen Preisanhebungen durchzusetzen. Die positiven
Preisabschlüsse wirken sich zunächst nur auf Teile des Milchmarktes
aus. Sie setzen aber deutliche Signale für weitere Preisgespräche, z.
B. im Käsebereich, wo ebenfalls Korrekturbedarf besteht. "Ich gehe
davon aus, dass es im Jahresverlauf 2007 zu einer deutlichen Anhebung
der Milchpreise für die Mitglieder unserer Molkereigenossenschaften
kommt", unterstreicht Nüssel.

Auf Milchquotenausstieg vorbereiten

Mit Blick auf das 2015 geplante Auslaufen der Quotenregelung
fordern die Molkereigenossenschaften klare, frühzeitige Aussagen zur
künftigen Gestaltung der Milchmarktordnung, damit sie ausreichend
Zeit haben, die notwendigen Anpassungen durchzuführen. "Ich fordere
im Rahmen des Health Checks ein definitives Signal des
EU-Ministerrates über das endgültige Auslaufen der Quote im Jahr
2015", so Nüssel.

Wie in anderen nationalen Politikbereichen muss die Verbesserung
der Wettbewerbsfähigkeit Priorität haben. Aus Sicht der
genossenschaftlichen Verarbeitungs- und Vermarktungsunternehmen sind
Unterstützungs-Maßnahmen bei der Erschließung von Drittlandsmärkten
und der Internationalisierung, steuerliche Regelungen beim Ab- und
Umbau von Verarbeitungskapazitäten als Teil der Struktur-Entwicklung
von Molkereien sowie Hilfestellungen in Forschung und Entwicklung
wünschenswert.

Reform der EU-Marktordnungen für Sonderkulturen

Bei der anstehenden Weinmarktreform stimmen die
Winzergenossenschaften mit der EU-Kommission insoweit überein, dass
der Angebotsüberhang nicht mit den bisherigen Maßnahmen Destillation
und Lagerhaltung dauerhaft abgebaut werden kann. Die aufgewendeten
Finanzmittel sind effektiver für eine Verbesserung des Absatzes
einzusetzen. "Ziel der Reform muss es sein, Marktposition und
Wettbewerbsfähigkeit der Winzer und ihrer Genossenschaften zu
verbessern und die Verbraucher umfassender zu informieren. Dies muss
auf Basis der gewachsenen europäischen Weinbautraditionen und des
hiesigen Verständnisses von Wein erfolgen. Mit dieser Position gehen
wir in die weitere Reformdiskussion", erklärt Nüssel.

Ein Ziel der Novellierung der Gemeinsamen Marktorganisation Obst
und Gemüse (GMO) ist es, dass die Erzeugerorganisationen ihr Angebot
stärker konzentrieren und sich auf der Anbieterseite zu größeren
Einheiten zusammenschließen. Nur so können sie ein schlagkräftiges
Gegengewicht zur hoch konzentrierten Nachfragerseite bilden. Auch
Preis stabilisierende Wirkungen werden dann möglich.

Kartellrecht ans Marktgeschehen anpassen

Die mit der GMO-Novelle angestrebten Ziele begrüßt der DRV
ausdrücklich. "Allerdings scheitern die Unternehmen bei diesen
Vorhaben immer wieder am deutschen Wettbewerbsrecht. Wenn sie die
angestrebten größeren Einheiten bilden wollen, erschweren oder
untersagen die Kartellwächter die Fusion oder den Zusammenschluss,
weil der Marktanteil in der Bewertung der Behörde zu groß ist",
kritisiert der DRV-Präsident.

Hier widersprechen sich die Ziele des EU-Marktordnungsrechts und
das nationale Wettbewerbsrecht. "Die unzureichende Angleichung haben
auch andere genossenschaftliche Sparten bereits mehrfach zu spüren
bekommen. Dieses Dilemma muss aufgelöst werden. Unsere Unternehmen
agieren im europäischen Markt. In Brüssel und in den übrigen
EU-Mitgliedstaaten werden andere Maßstäbe bei Fusionen angelegt als
hierzulande", so DRV-Präsident Nüssel in Berlin.

Originaltext: Deutscher Raiffeisenverband
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=6949
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_6949.rss2

Pressekontakt:
DRV-Pressestelle
Monika Windbergs
presse@drv.raiffeisen.de
Tel.: 030 856214-43


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