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WAZ: Der G-8-Gipfel von Heiligendamm: Die Ohnmacht der Mächtigen - Leitartikel von Angela Gareis

Geschrieben am 31-05-2007

Essen (ots) - Der erste Weltwirtschaftsgipfel ereignete sich in
einem Wohnzimmer. Valery Giscard d'Estaing und Helmut Schmidt luden
1975 zu einem fast privaten Treffen ein. Man war zu sechst im Schloss
Rambouillet mit den Gästen aus den USA, Großbritannien, Italien und
Japan, man sprach über Ölkrise und Währungsschwankungen. Man fasste
fern von der Öffentlichkeit nur einen Beschluss: Wir reden weiter.

Das Wohnzimmergespräch hat sich zum G-8-Gipfel und zum
Weltereignis entwickelt, und genau das ist das Problem des
G-8-Gipfels. Weil die Welt zuschaut, verkehrt sich der Sinn der
Gespräche ins Gegenteil. Statt Meinungen zu tauschen und Vertrauen
aufzubauen, belauern die Regierungschefs einander, denn irgendwie
müssen für die Öffentlichkeit Beschlüsse angefertigt werden, die
irgendwie die widerstrebenden Positionen zum Klimaschutz
berücksichtigen und trotzdem irgendwie nach Fortschritt aussehen,
wobei niemand zu irgendetwas verpflichtet werden kann. Misslingt das
diplomatische Abenteuer, gilt der Gipfel als gescheitert. Die Welt
schaut zu.

Im Grunde sieht die Welt in Heiligendamm die Ohnmacht der
Mächtigen, die sich hinter dem Zaun im Hotel verstecken. Die vier
Europäer bringen vom letzten EU-Gipfel ehrgeizige Ziele für den
Klimaschutz mit, aber sie befinden sich in der Minderheit. Die USA
und Kanada halten das Klima für eine nationale Angelegenheit, in die
sich niemand einzumischen habe. Japan wird den nächsten G-8-Gipfel
ausrichten und möchte womöglich ein paar Erfolge für sich übrig
behalten. Russland wartet ab. Die Schwellenländer China, Indien,
Brasilien, Südafrika und Mexiko dürfen erstmals mitreden und finden,
dass die G-8-Länder die Umwelt verschmutzt haben.

Auf der anderen Seite des Zauns filmen die Kameras die Macht der
Ohnmächtigen. Das vermeintliche Weltereignis bietet den Demonstranten
eine Plattform, um ihren Protest in fast jeden Weltwinkel zu senden.
Für ein paar Tage bilden die unterschiedlichen Gruppierungen, wenn
man Chaoten einmal ausblendet, eine gewaltige Gemeinschaft gegen die
"neoliberale Globalisierung".

Unter diesem Druck verhandeln die Menschen im Hotel die
moralische Frage des Klimaschutzes gegen die wirtschaftliche und das
Weltinteresse gegen das Einzelinteresse, sich nicht mit großen
Zugeständnissen zu blamieren. Und weil der Druck derart groß ist,
gerät sogar das eigentliche Ziel des Gipfels in Gefahr: Wir reden
weiter. Bei der Weltklimakonferenz im Dezember auf Bali.

Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=55903
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_55903.rss2

Pressekontakt:
Rückfragen bitte an:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: (0201) 804-0
zentralredaktion@waz.de


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