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Westfalen-Blatt: Zum Thema Türkei kommentiert das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) am 01.05.2007

Geschrieben am 30-04-2007

Bielefeld (ots) - Die Türkei steht vor schicksalhaften Wochen. Die
beiden politischen Züge des Landes, Säkularisten und Islamisten,
haben Fahrt aufgenommen und rasen nun aufeinander los.
Im einen sitzen die Generäle als Statthalter des Kemalismus, der die
Trennung von Staat und Religion verteidigt, im anderen die Regierung
Erdogan, offiziell als Verfechter der Demokratie, insgeheim jedoch
als Vertreter eines Islam, der die Türkei in die Zeit vor Kemal
Atatürk zurückführen und damit die Trennung zwischen Staat und
Religion aufheben will.
Noch sind die Bremserhäuschen leer, und man wird weiter aufeinander
zurasen. Der Kurs ist festgelegt. Ziel ist für beide Züge das Amt des
Staatspräsidenten.
Die Generäle unterstellen - sicherlich nicht zu Unrecht - der
Regierung Erdogan, dass sie mit dem Staatspräsidenten als
Oberbefehlshaber die Gralshüter des Kemalismus entmachten wollen.
Diesem Ziel dient auch die Integration in die EU, weshalb Erdogan vor
zwei Wochen noch einmal Druck auf die Verhandlungen mit Brüssel
ausübte und ein Datum für die Mitgliedschaft festlegen wollte.
Erdogan beschwört die Verfassungstreue seiner Regierung und des
Kandidaten für das Präsidentenamt, Abdullah Gül.
Die Generäle haben die Islamisten mehrfach gewarnt. Schon die Wahl
des Generalstabschefs Yasar Büyükanit - den Namen muss man sich
merken - im letzten Oktober war ein deutlicher Hinweis, dass man die
Fahrt des islamischen Zugs stoppen wolle. Es wäre auch nicht das
erste Mal.
Schon vor zehn Jahren wurde der damalige Premier Necmettin Erbakan
mit einem sanften, sozusagen postmodernen Putsch entmachtet. Die 18
Bedingungen, die die Generäle damals der Regierung und ihrer
Nachfolgerin stellten, sind aber bei weitem nicht alle erfüllt
worden. Die Imam-Hatip-Schulen, die einen orthodoxen Islam lehren und
zu deren Absolventen auch Erdogan gehört, verbreiten ihre Version des
Islam ungehindert weiter, viele Stellen in der Verwaltung und der
Justiz sind mittlerweile mit Anhängern Erdogans aus dessen
Gerechtigkeitspartei AKP besetzt.
Gül wird diese Wochen auch im zweiten Wahlgang nicht die
erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit bekommen. Und dann wird es
spannend.
Im dritten Wahlgang braucht er nur die absolute Mehrheit, über die
die AKP sicher verfügt. Dass die Generäle seit Freitagabend ihre
»Sorge« und den Willen zur »Erfüllung ihrer Aufgabe« öffentlich
bekunden, ist eine klare Ansage. Sie werden ihren Zug nicht stoppen.
Und dass die Straße mitmarschiert, zum Beispiel am Sonntag massenhaft
in Istanbul, wo mehrere hunderttausend Menschen gegen die
islamistische Regierung demonstrierten, wird sie in ihrer Haltung nur
bestärken.
Die Mahnungen aus Brüssel interessieren sie da wenig. Man darf
gespannt sein, ob es in den nächsten zwei Wochen zu Bewegungen im
Bremserhäuschen des Islamisten Zuges kommt. Erdogan ist nicht der
Mann, der kurz vor dem Ziel aufgibt.

Originaltext: Westfalen-Blatt
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=66306
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_66306.rss2

Pressekontakt:
Rückfragen bitte an:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


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