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Kohleprivilegien führen Klimaziele ad absurdum

Geschrieben am 18-04-2007

Berlin (ots) - Deutsche Umwelthilfe beklagt systematische
Widersprüche zwischen Brüsseler Gipfelbeschlüssen und im Kabinett
verabschiedeter CO2-Zuteilung - Staat muss später Zertifikate
zurückkaufen, die er jetzt verschenkt - Keine Instrumente gegen
lukrativen "Scheinbetrieb" von Altkraftwerken

18. April 2007: Der heute im Bundeskabinett beschlossene
Gesetzentwurf zur Verteilung von CO2-Verschmutzungsrechten im
Zeitraum der Jahre 2008 bis 2012 steht "in einem unauflösbaren
Widerspruch zu den Klimaschutzentscheidungen des EU-Gipfels in
Brüssel" vor wenigen Wochen. Die in dem Gesetzentwurf geplanten
massiven Investitionsanreize für neue Braun- und Steinkohlekraftwerke
führen über ein halbes Jahrhundert zu einem nicht zu verantwortenden
CO2-Sockel in Deutschland. Darauf hat die Deutsche Umwelthilfe e. V.
(DUH) in Berlin hingewiesen.

"Die Bundesregierung hängt einer Illusion an, wenn sie glaubt, die
notwendige CO2-Minderung alleine durch eine höhere Effizienz neuer
Kraftwerke gegenüber Altanlagen erreichen zu können", sagte
DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake. Wer Technologien fördere, die
die Kilowattstunde Strom mit der doppelten und dreifachen CO2-Last
produzieren, als nach dem Stand der Technik mit modernen
Gaskraftwerken notwendig sei, habe sich von den erst vor wenigen
Wochen beim EU-Gipfel beschlossenen Minderungszielen für 2020 (-30%)
und 2050 (-60 bis -80%) bereits wieder verabschiedet.

"Beide Entscheidungen fielen unter dem Vorsitz von Bundeskanzlerin
Angela Merkel. Eine vertrauensbildende Maßnahme ist der heutige
Beschluss deshalb weder im In- noch im Ausland", sagte Baake mit
Blick auf den bevorstehenden G8-Gipfel in Heiligendamm, bei dem
Merkel weitreichende Weichenstellungen für den globalen Klimaschutz
erreichen will. Anspruchsvoller Klimaschutz komme auch in Deutschland
an einem schrittweisen Umstieg auf CO2-ärmere Brennstoffe nicht
vorbei.

Baake verwies auf die Ankündigung der Stromwirtschaft anlässlich
der laufenden Hannover Messe, wonach auf der Grundlage der jetzt
vorliegenden Investitionsanreize bis 2012 neue Kraftwerke mit einer
Gesamtleistung von 30.000 Megawatt neu errichtet werden sollen.
Aufgrund der falschen Investitionsanreize würden weit überwiegend
klimaschädliche Braun- und Steinkohlekraftwerke gebaut. Gingen nur
zwei Drittel dieser Anlagen wirklich ans Netz, entspräche deren
künftiger CO2-Ausstoß den Emissionen des gesamten Verkehrssektors in
Deutschland (PKW, LKW, Eisenbahnen und innerdeutscher Flugverkehr).
"Wo sollen da die CO2-Einsparungen von minus 40% bis 2020 herkommen,
die die Bundesregierung verspricht?", fragte Baake.

Der Handlungsspielraum der EU-Emissionshandelsrichtlinie werde im
verabschiedeten Gesetzentwurf nicht ausreichend genutzt. So sei es
nach den EU-Vorgaben durchaus möglich, 10 % der Zertifikate (also
etwa 45 Mio. pro Jahr) zu versteigern statt sie den Konzernen zu
schenken. Erst wenn die Unternehmen merkten, dass sie für die
Produktion einer Kilowattstunde Strom in einem Braun- oder
Steinkohlekraftwerk die doppelte bis dreifache Menge an Zertifikaten
kaufen müssten, würden sie über einen Brennstoffwechsel oder
erneuerbare Kraftwerkstechnologien nachdenken, meinte Baake.

Die Ausgabe von Emissionszertifikaten bis 2012 sei durch die
Intervention der EU-Kommission gegen den deutschen Allokationsplan
auf 453 Mio. Tonnen (einschließlich der Reserve für Neuanlagen)
gedeckelt. Der Gesetzentwurf sehe allerdings vor, dass Zertifikate am
Markt zurückgekauft werden müssen, wenn die Reserve nicht ausreicht,
um den Rechtsanspruch von Neuanlagen auf kostenlose Vollausstattung
zu befriedigen. Baake: "Um alte Bestandsanlagen von stärkeren
Zertifikatskürzungen zu verschonen, hat die Bundesregierung den
Reservetopf viel zu klein bemessen." Die Regierung rechne mit nur 12
neuen Kraftwerken bis 2012, während die Stromwirtschaft von 40
Anlagen ausgehe. Die Folgen dieses offenen Widerspruchs seien
vorhersehbar: "Der Staat verschenkt kostenlos Zertifikate an einige
der profitabelsten Unternehmen der Republik und muss sie später am
Markt zurückkaufen, um damit die zu knapp bemessene Reserve für
Neuanlagen aufzufüllen."

Darüber hinaus enthalte der Kabinettsbeschluss keinerlei
Vorkehrungen gegen einen "Scheinbetrieb" von Altkraftwerken innerhalb
des Zuteilungszeitraums. Vielmehr sollen die Kraftwerke eine
Ausstattung mit Zertifikaten nach der durchschnittlichen
Kapazitätsauslastung in der Vergangenheit erhalten. Diese geschenkten
Zertifikate dürften sie behalten, selbst wenn sie in der
Handelsperiode ihre Anlage nur noch zum Schein (z.B. mit 5 % der
Kapazität) betrieben.

Die DUH erhob vier zentrale Forderungen an den Gesetzgeber
Bundestag und Bundesrat, um die schlimmsten Fehlentwicklungen im
Gesetzgebungsverfahren zu mildern oder zu heilen:

·10 % der Zertifikate sollen ab 2008 versteigert werden,

·die Kohle darf in Zeiten des globalen Klimawandels nicht länger
systematisch privilegiert werden,

·die für einen Kraftwerksneubau vorgehaltene Reserve muss deutlich
aufgestockt werden um zu verhindern, dass verschenkte Zertifikate
später teuer zurückgekauft werden müssen,

·dem drohenden systematischen "Scheinbetrieb" alter Anlagen muss
wirksam begegnet werden, um einen Missbrauch des Systems zu
verhindern.

Originaltext: Deutsche Umwelthilfe e.V.
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=22521
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_22521.rss2

Pressekontakt:
Für Rückfragen:
Rainer Baake, Bundesgeschäftsführer, Hackescher Markt 4, 10178
Berlin, Tel: Mobil: 0151 55016943, E-Mail: baake@duh.de

Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik, Hackescher Markt 4, 10178
Berlin; Tel.: 030 258986-0, Fax: 030 258986-19, Tel. Mobil: 0171
5660577, E-Mail: rosenkranz@duh.de


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