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Westfälische Rundschau: Kommentar: Oettinger / Filbinger

Geschrieben am 13-04-2007

Dortmund (ots) - Eine Grabrede muss nicht zwingend der Anlass für
eine kritische Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte sein;
sie darf aber keinesfalls zu Schönfärberei und Klitterung benutzt
werden. Nachdem die Wogen der Empörung über den
baden-württembergischen Ministerpräsidenten hochschlugen, hat
Bundeskanzlerin Angela Merkel ihren Parteifreund öffentlich gerügt.
Spät und milde, aber besser als nie. Im Ländle klatschen einige dem
Regierungschef immer noch Beifall.

Günther Oettinger hat in seiner Trauerrede auf den "furchtbaren
Juristen" Hans Filbinger gründlich daneben gegriffen. Ohne Not und
ohne Beleg bescheinigte er seinem Amtsvorgänger, kein
Nationalsozialist, sondern ein Gegner des Nazi-Regimes gewesen zu
sein. Filbinger war 1978 zurückgetreten, als bekannt wurde, dass er
als Marinerichter an Todesurteilen gegen Deserteure mitgewirkt hatte.

Es geht nicht nur um die Vergangenheitsbewältigung, von deren
Versäumnissen übrigens auch der Fall Filbinger mit seiner späten
Entdeckung und hartnäckigen Legendenbildung zeugt. Auch heute sitzen
Nazis in deutschen Parlamenten. Der Rechtsextremismus macht sich
zunehmend breit. Verfassungsschützer warnen, er sei in der Mitte der
Gesellschaft angekommen.

Das braune Gedankengut spricht nicht nur Ewiggestrige, sondern
vor allem junge Menschen an. Nazi-Aufmärsche finden gleichermaßen
Zulauf in Ost und West. Die wirksamste Waffe dagegen ist Aufklärung.
Die gefällige Reinwäsche eines Mannes aber, der zeitlebens
uneinsichtig blieb ("Was damals Recht war, kann heute nicht Unrecht
sein"), dient der Verklärung.

Das ist verantwortungslos und auch schäbig, zumal Oettinger
seinen trotzig verteidigten Auftritt für eine plumpe Anbiederung an
den äußerst rechten Rand nutzte. So wird aus seiner Stilisierung von
Filbinger als Nazi-Gegner eine doppelte Verhöhnung der Opfer.

Originaltext: Westfälische Rundschau
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=58905
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_58905.rss2

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Rückfragen bitte an:
Westfälische Rundschau
Redaktion

Telefon: 0231/9573 1253


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