(Registrieren)

EU-Kommission prüft Vertragsverletzungs-Verfahren wegen Kettensägen-Minister Sander

Geschrieben am 04-01-2007

Berlin (ots) - Nach einer Beschwerde der Deutschen Umwelthilfe
verlangt Brüssel detaillierte Auskunft über Abholzung von ufernahen
Auwäldern im Biosphärenreservat niedersächsische Elbtalaue -
DUH-Bundesgeschäftsführer Baake: Bundesregierung muss "Sanders
Amoklauf an der Elbe stoppen", um ein Vertragsverletzungsverfahren,
noch dazu während der eigenen Ratspräsidentschaft, zu vermeiden

04. Januar 2007: Wegen der demonstrativen Kettensägen-Aktion von
Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) in der Kernzone des
Biosphärenreservats "Niedersächsische Elbtalaue" hat die
EU-Kommission jetzt erste Schritte in Richtung eines
Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland
eingeleitet. Als Reaktion auf eine im Dezember eingereichte
Beschwerde der Deutschen Umwelthilfe e. V. (DUH) verlangt die
Generaldirektion Umwelt in einem so genannten "Botschafterschreiben"
Auskunft über Ort, Ausdehnung und Umstände der bereits durchgeführten
und weiterer angekündigter Abholzungen ufernaher Auwälder auf einem
etwa 25 Kilometer langen niedersächsischen Elbabschnitt. Die
Kommission will prüfen, ob Sander als er Ende November den Auwäldern
an der Elbe persönlich mit der Kettensäge zu Leibe rückte, gegen
europäisches Naturschutzrecht verstieß. Insbesondere will die
Kommission wissen, ob der Eingriff in ein Schutzgebiet zur Erhaltung
europäisch bedeutsamer Lebensräume sowie seltener Tier- und
Pflanzenarten vorher auf seine zwingende Notwendigkeit hin geprüft
wurde. Für die Antwort setzte die Kommission eine Frist bis zum 20.
Januar.

Der Brief des Generaldirektors Umwelt Mogens Peter Carl ist an den
Ständigen Vertreter der Bundesrepublik Deutschland bei der EU Wilhelm
Schönfelder gerichtet, mithin an die Bundesregierung, die nun als
direkte Adressatin der Brüsseler Kommission mit Niedersachsen eine
Antwort abstimmen muss. Ausdrücklich weist Carl in dem Schreiben auf
"die Möglichkeit eines Vertragsverletzungsverfahrens gemäß Artikel
226 EG" hin. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte den
Brachial-Eingriff seines niedersächsischen Amtskollegen Sander in das
Biosphärenreservat seinerzeit als "Aktionismus" kritisiert und
ausdrücklich auf die Notwendigkeit einer vorherigen
Verträglichkeitsprüfung hingewiesen.

"Sander ist der erste Umweltminister in Deutschland, der den Kampf
gegen die Natur und gegen alle Naturschützer zwischen
Lüchow-Dannenberg und Brüssel anscheinend für seine Kernaufgabe
hält", sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake. Um ein
Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland abzuwenden, müsse "die
Bundesregierung Sanders Amoklauf im Biosphärenreservat durch eine
eindeutige Antwort an Brüssel stoppen", forderte Baake. Das
beispiellose Vorgehen gegen die geschützte Umwelt an Deutschlands
letztem naturnahen Strom gewinne zusätzliche Aktualität und Brisanz,
weil Bundeskanzlerin Merkel die EU-Kommission nach Presseberichten
praktisch zeitgleich mit Sanders Kettensägen-Aktion Ende letzten
Jahres schriftlich und mündlich zur Entschärfung und Verwässerung der
so genannten FFH-Richtlinie aufgefordert habe (Spiegel 50/2006). Nach
dieser Richtlinie benennt und schützt jeder Mitgliedstaat Gebiete,
die für die Erhaltung seltener Tier und Pflanzenarten sowie typischer
und einzigartiger Lebensräume von europäischer Bedeutung wichtig
sind. "Der mögliche Eindruck, dass die Bundesregierung die deutsche
EU-Ratspräsidentschaft einsetzen will, um schwer erkämpfte
Errungenschaften im Umwelt- und Naturschutz zu schleifen, wäre
verheerend", erklärte Baake.

Der niedersächsische Umweltminister hatte Ende November unter dem
Vorwand des Hochwasserschutzes vor laufenden Kameras eigenhändig
ufernahe Weiden abgeholzt. Unter Naturschützern löste die ebenso
demonstrative wie sinnlose Aktion seinerzeit Kopfschütteln und
Empörung aus, weil die parallel zum Flussverlauf ausgerichteten,
schmalen Auwälder an der unteren Mittelelbe zu den "hot spots" des
Artenreichtums zählen. Sie sind auch Heimat zahlreicher
bestandsgefährdeter Tierarten, darunter Elbe-Biber, Flussuferläufer,
Beutelmeise und Pirol.

Sanders Kahlschlag-Aktion war erfolgt, nachdem eine entsprechende
Aufforderung der unteren Wasserbehörde im Landkreis Lüchow-Dannenberg
an private Elbeanrainer, elbnahe Grundstücke von so genanntem
Auengehölz zu befreien, praktisch ohne Resonanz geblieben war. Nach
einem entsprechenden Erlass des Umweltministeriums sollen auf
insgesamt etwa 25 Kilometer Elbufer die Weichholzauen weitgehend
verschwinden. Tituliert wird der Brachial-Eingriff als angebliche
Hochwasserschutzmaßnahme.

Das Gesetz über das Biosphärenreservat "Niedersächsische
Elbtalaue" verbietet in der Kernzone C ausdrücklich alle Handlungen,
die den Gebietsteil oder auch nur einzelne Bestandteile zerstören.
Weder gab es Freistellungen oder Ausnahme-Tatbestände, noch hätte es
sie geben können, wenn der Minister sie zuvor beantragt hätte. Denn
die angeblich durch Weiden und Pappeln erheblich erhöhte
Hochwassergefahr war von Wissenschaftlern des Instituts für Wasser-
und Gewässerentwicklung der Universität Karlsruhe auf Veranlassung
der DUH bereits im vergangenen Frühjahr überprüft und für "nicht
haltbar" erklärt worden.

Weil die Abholzaktionen in den kommenden Monaten fortgesetzt
werden sollen, informierte die DUH mit ihrer Beschwerde die
EU-Kommission, um weitere irreversible Eingriffe zu verhindern.
Außerdem forderte die Umweltorganisation Sanders Dienstherrn, den
niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff, zum Eingreifen
auf. Während die EU-Kommission binnen weniger Tage aktiv wurde, gibt
es von Sanders Kabinettschef bisher keine Reaktion.

Originaltext: Deutsche Umwelthilfe e.V.
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=22521
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_22521.rss2

Pressekontakt:
Für Rückfragen:
Rainer Baake, Bundesgeschäftsführer, Hackescher Markt 4, 10178
Berlin; Tel.: Mobil.: 0151 55 01 69 43, E-Mail: baake@duh.de

Dr. Frank Neuschulz, Leiter Naturschutz, Gartenstraße 7, 29475
Gorleben; Mobil: 0160 8950556, Fax.: 05882 220; E-Mail:
neuschulz@duh.de

Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik, DUH, Hackescher Markt 4, 10178
Berlin; Tel.: 030 258986-0, Fax: 030 258986-19, Mobil: 0171 5660577,
E-Mail: rosenkranz@duh.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

47210

weitere Artikel:
  • Der Tagesspiegel: Linksfraktion greift Zentralrat der Armenier an: "Völlig ohne Augenmaß" Berlin (ots) - Im Streit um den Bundestagsabgeordneten Hakki Keskin und dessen Haltung zum Völkermord 1915/16 im Osmanischen Reich geht die Linksfraktion jetzt auf Konfrontationskurs zum Zentralrat der Armenier in Deutschland. Vizefraktionschef Bodo Ramelow warf dem Zentralrat nach einem Bericht des "Tagesspiegels" (Freitag-Ausgabe) vor, auf eine "sachliche Auseinandersetzung" zu verzichten, wenn im Zusammenhang mit linken Abgeordneten von "Leugnern und Planern" des Völkermordes gesprochen werde. "Das macht deutlich, dass die getöteten mehr...

  • Der Tagesspiegel: US-Behörden bestätigen Festnahme eines deutschen Staatsbürgers Berlin (ots) - Berlin - Ein deutscher Staatsbürger ist vier Tage lang von US-Behörden in Las Vegas festgehalten worden. Zwei davon musste der 62-jährige Geschäftsmann syrischer Herkunft im Gefängnis verbringen - ohne, dass ihm dafür die Gründe genannt wurden. Das bestätigte jetzt eine Sprecherin der amerikanischen Behörde U.S. Customs and Border Protection dem in Berlin erscheinenden Tagesspiegel. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes sagte, dass bisher noch nie ein Deutscher so lange in den USA festgehalten wurde, ohne die Gründe dafür mehr...

  • Der Tagesspiegel: Luxemburgs Außenminister Asselborn: Zypern darf sich nicht gegen EU-Direkthandel mit dem Norden der Insel sperren Berlin (ots) - Berlin - Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn hat das EU-Mitglied Zypern aufgefordert, eine mögliche Aufnahme des Direkthandels zwischen der EU und Nordzypern nicht zu blockieren. Asselborn erinnerte im Gespräch mit dem "Tagesspiegel" (Freitagausgabe) daran, dass die EU im April 2004 ihre Bereitschaft erklärt habe, die Isolierung der türkisch-zypriotischen Gemeinschaft im Norden der Insel zu beenden. "Alle Mitgliedstaaten, auch Zypern, müssen bereit sein, diese Zusage umzusetzen", sagte Asselborn weiter. Er habe mehr...

  • Stuttgarter Zeitung: Andrea Nahles zur Gesundheitsreform: Merkel lässt die Ministerpräsidenten nur an der langen Leine um Druck auf die SPD zu machen Stuttgart (ots) - STUTTGART. Im Streit um die Gesundheitsreform hat SPD-Präsidiumsmitglied Andrea Nahles Bundeskanzlerin Angela Merkel scharf angegriffen. Die SPD-Gesundheitsexpertin sagte der Stuttgarter Zeitung: "Ich unterstelle Bundeskanzlerin Merkel mittlerweile, dass ihr die Zügel hier nicht etwa entgleiten, sondern dass sie unter der Hand ihren Ministerpräsidenten eine lange Leine lässt, um so Druck auf die SPD auszuüben und eine Verschiebung der Positionen zugunsten der Union zu erreichen". Dies sei "keine vertrauenswürdige mehr...

  • Spitzenverbaende zum Ruerup/Wille-Gutachten / Keine Loesung fuer die Probleme der Gesundheitsreform in Sicht Siegburg (ots) - Gemeinsame Presseerklaerung AOK-Bundesverband, Bonn BKK Bundesverband, Essen IKK-Bundesverband, Bergisch Gladbach See-Krankenkasse, Hamburg Verband der Angestellten-Krankenkassen e. V., Siegburg AEV - Arbeiter-Ersatzkassen-Verband e. V., Siegburg Der Streit um die unterschiedlichen finanziellen Belastungen der Laender bei der Gesundheitsreform macht nach Ansicht der Spitzenverbaende der gesetzlichen Krankenkassen deutlich, dass die Plaene zur Gesundheitsreform mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht