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Rheinische Post: Das Jahr der Reformitis - Von SVEN GÖSMANN

Geschrieben am 21-11-2006

Düsseldorf (ots) - Irgendwer hat von diesem 22. November als
"einem Feiertag" gesprochen. Um mit dem Altkanzler zu reden, möchte
man rufen: Nun lassen Sie mal die Kirche im Dorf! Fakt ist: Die große
Koalition aus Union und SPD ist heute ein Jahr im Amt. Und?

Es wäre ungerecht, nur von einem verlorenen Jahr zu reden, wie das
ein genervter Wolfgang Schäuble zwischendurch mal tat. Es ist
durchaus etwas passiert, nur ob es immer das Richtige in
ausreichender Form war (Unternehmenssteuer, Erbschaftssteuer),
darüber lässt sich in einigen Fällen streiten und in vielen anderen
leider nicht einmal das.

Das liegt unter anderem an den überzogenen Hoffnungen, die auch
von den Koalitionären selbst geweckt wurden. Die Erwartung wurde wie
ein Imperativ formuliert: große Koalition = große Reformen! Die
Vermutung, Union und SPD hätten sich so weit genähert, dass mit der
großen Koalition eine große Regierungspartei entstehen wurde,
scheiterte an der Realität. Immer noch trennen Christdemokraten,
Christsoziale und Sozialdemokraten Welten bei ihren Ansprüchen an
das, was der Staat leisten muss, wie man die Freiheit des Einzelnen
beschreibt und welche Forderungen sich daraus ergeben.

Die Koalitionsparteien haben auch erst allmählich verstanden, dass
das unentschiedene Wahlergebnis von 2005 nicht in erster Linie ein
Auftrag für die große Koalition, sondern ein Misstrauensantrag gegen
die von ihnen schon vorher verantwortete Politik war. Ihre zögerliche
Reaktion: Aus Furcht, untätig und damit letztlich unfähig zu wirken,
wurde alles, was das Zwangsbündnis anpackte, mit dem Etikett Reform
versehen. Eine Reformitis ergriff das Land.

Wir Wähler erwiesen uns als zu duldsam. Obwohl schon in der
Vergangenheit mancher Rohrkrepierer als Reform verpackt wurde, gaben
wir Schwarz-Rot eine Chance. Der Punkt, an dem die Geduld der Bürger
mit dieser Koalition und ihrer Kanzlerin vorerst riss, kam erst mit
der Gesundheitsreform. Sie war und ist das Lehrstück für die
Reformitis: CDU/CSU wie SPD wollen diese Reform nicht einmal. Sie
lauern eigentlich nur auf den Wahltermin 2009 in der Hoffnung, dass
ihnen dann ein anderer Koalitionspartner zur Verfügung steht, mit dem
sie ihr jeweiliges Idealmodell durchsetzen können. Trotzdem zimmerten
sie ein unausgereiftes Reformmonstrum zusammen. Die einzige echte
Reform wäre aber der Verzicht auf diese Reform gewesen.

Jetzt, nach einem Viertel der Legislaturperiode, hat die große
Koalition nicht nur ihren Kredit fast aufgebraucht, sondern auch ihre
Zeit: 2007 wird von der EU-Ratspräsidentschaft absorbiert, danach ist
die deutsche Politik mit dem G-8-Treffen beschäftigt. Ab dem Frühjahr
2008 befindet sich beide Lager im Dauerlandtagswahlkampf: Hessen,
Niedersachsen, dann Bayern; ab 2009 denken alle nur noch an die
Bundestagswahl. Bleibt die Prognose: Ihren Zenit hat die große
Koalition schon hinter sich.

Originaltext: Rheinische Post
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=30621
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_30621.rss2

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Rückfragen bitte an:
Rheinische Post
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Telefon: (0211) 505-2303


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