(Registrieren)

BERLINER MORGENPOST: BERLINER MORGENPOST: Zu den geheimen Pentagon-Papieren und Wikileaks

Geschrieben am 26-07-2010

Berlin (ots) - Was wissen wir? Oder noch wichtiger: Was wollen wir
eigentlich wirklich wissen? Wir wissen, dass in Afghanistan Krieg
geführt wird. Das bedeutet, Menschen mit Waffen schießen auf Menschen
mit Waffen - und töten sie. Wollen wir das wissen? Wir wissen, dieser
Krieg ist ein Guerilla-Krieg. Das heißt, Zivilisten und Kombattanten
sind kaum unterscheidbar, sollen es aus Sicht des "Feindes", der
Taliban, auch gar nicht sein. Also sterben Zivilisten. Getötet auch
von Soldaten unserer Allianz. Wollen wir das wissen? Wir wissen: Ein
solcher Guerilla-Krieg ist militärisch kaum zu gewinnen. Schon gar
nicht in Afghanistan. Engländer, Sowjets - keiner hat das geschafft.
Unsere Soldaten werden wahrscheinlich scheitern, unsere Politiker
vielleicht. Wollen wir das wissen? Die Dokumente, die nun vom
Internet-Enthüller Wikileaks veröffentlicht wurden, belegen all das,
was wir im Grunde bereits wissen. Viel wichtiger ist deshalb, wie
schonungslos sie offenlegen, dass wir all das in einem politischen
Sinne systematisch seit beinahe zehn Jahren in Wahrheit gar nicht
wissen wollen. Der Diskurs um den militärischen Einsatz am Hindukusch
wurde von den politisch Verantwortlichen systematisch weichgespült
durch Geschichten vom Schulenbauen, Mädchen-in-die-Bildung-retten und
Drogenfelder-Roden. Und das hat erschreckend gut funktioniert.
Eingehegt in eine militärisch unrealistische
"Krieg-Gegen-den-Terror-Rhethorik" nach dem 11. September.
Brandbeschleunigt durch eine hollywoodverbrämte Fantasie vom
modernen, antiseptischen High-Tech-Krieg. In dem Drohnen als
fliegende Waffen die Arbeit machen und grünstichige Medien-Bilder von
Nachtsichtgeräten die Wahrnehmung von dem ablenken, was Krieg
bedeutet: blutende Wunden auf beiden Seiten - und Tote im Staub eines
fernen Landes. Man kann das alles wollen. Es gibt zweifellos sehr
wichtige, wenn auch komplexe politische Gründe für diesen Krieg.
Bündnis-Raison innerhalb der Nato, Geopolitik zwischen Indien,
Kaukasus und Pakistan. Aber die Lebenslüge vom humanitären
Beglückungseinsatz belastet nicht nur unseren politischen Diskurs,
dem nicht zuletzt ein absurd unzureichendes Bundestagsmandat für den
Einsatz entsprang. Sie belastet vor allem auf unerträgliche Weise all
jene jungen Männer und Frauen, die diesen Krieg führen müssen. Denn
sie haben von Beginn an eine realitätsferne Erwartungshaltung aus der
Heimat im Nacken, die sie auf einem veritablen Schlachtfeld allein
lässt, sobald die Lüge vom THW-Einsatz offensichtlich wird.
Afghanistan galt als "guter" Krieg, der Irak-Krieg als schlechter.
Historisch scheint sich das gerade umzudrehen. Der Gute wird zum
Desaster. Er hätte möglicherweise nie gestartet werden dürfen. Das
Problem ist nur, dieser Krieg muss jetzt eben doch gewonnen werden.
Dazu gehört, konsequent hinter den Soldaten zu stehen. Und zwar in
vollem Bewusstsein der Tatsache, was Kriegführen bedeutet. Und es
bedeutet vor allem, die politischen Hausaufgaben zu erledigen und dem
"failing state" Afghanistan, dessen Schicksal wir an uns gerissen
haben, wirtschaftlich massiv zu helfen. Damit das gelingt, müssen wir
die Wahrheit endlich wissen wollen. Die Wikileaks-Dokumente können
dabei helfen.

Originaltext: BERLINER MORGENPOST
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

280998

weitere Artikel:
  • Neue OZ: Kommentar zu Notfälle / Loveparade / Duisburg Osnabrück (ots) - Unfassbar borniert Wie konnte das passieren? So lautet die Standard-Frage nach Katastrophen jeder Art. Häufig ist die Fassungslosigkeit genau deshalb so groß, weil keiner das Unglück hatte kommen sehen. Mit dem Fall Duisburg verhält es sich geradezu umgekehrt. Fassungslos ist man hier ebenfalls - das aber nicht wegen einer Unerklärbarkeit der Ereignisse, sondern der versammelten Borniertheit. Das Bauamt erlaubte lediglich 250 000 Besucher zur gleichen Zeit; aber die wahre Zahl war ganz egal, solange mehr...

  • Neue OZ: Kommentar zu Bundeswehr / Wehrpflicht / Guttenberg Osnabrück (ots) - Warum gründlich prüfen wichtig ist Die Zukunft der Wehrpflicht wird noch bis zum Herbst zu einer heftigen Grundsatzdebatte führen und eine der größten Baustellen der Bundesregierung bleiben. Aber das macht nichts. Es ist richtig, nichts übers Knie zu brechen, sondern mehrere Szenarien gründlich zu prüfen - unabhängig von aktuellen Sparzwängen. Denn wenn sich die Koalition erst einmal für eines der Modelle entschieden hat, wirkt sich das langfristig auf den Kurs der Bundeswehr aus. Zugleich hängt daran mehr...

  • Neue OZ: Kommentar zu Energie / Windkraft / Häfen Osnabrück (ots) - Demonstrativ Es war demonstrativ, was Bundesumweltminister Röttgen und Ministerpräsident McAllister gestern an der Küste vollführten. Kernkraft ausbremsen und volle Fahrt voraus für erneuerbare Energien - so lautete das Signal beim Schulterschluss der Unionspolitiker. Das ist die klare Gegenposition zum baden-württembergischen Regierungschef Mappus und zu anderen Kräften in der Koalition, die sich noch immer eine Renaissance der Atomenergie erhoffen. Für McAllister ist diese Ausrichtung schon unter mehr...

  • Neue OZ: Kommentar zu Kambodscha / Rote Khmer / Urteil Osnabrück (ots) - Den Opfern eine Stimme Das Sondertribunal zum blutrünstigen Regime der Roten Khmer unter Pol Pot hat ein historisches Urteil gefällt. Denn zum ersten Mal ist ein Führungskader der Urwaldmarxisten zur Rechenschaft gezogen worden. Der Richterspruch kann ein erster Schritt zur Versöhnung sein. Kambodscha hätte es bitter nötig: In dem südostasiatischen Staat leben Opfer und Täter oft Tür an Tür. Selbst 30 Jahre nach den abscheulichen Verbrechen ist das Land am Mekong noch immer tief gespalten. In einer mehr...

  • Neue OZ: Kommentar zu Kriminalität / Gesellschaft / Berlin / Heisig Osnabrück (ots) - Politisches Minenfeld Wie soll Deutschland mit den kleinen, aber gut organisierten kriminellen Milieus umgehen, die einen Migrationshintergrund aufweisen? Wer sich dazu öffentlich äußert, betritt oft ein politisches Minenfeld. Die Berliner Jugendrichterin hat es getan und musste sich viele Anfeindungen gefallen lassen. Es heißt, die Motive für ihren Freitod seien in ihrem persönlichen Umfeld zu suchen. Sicherlich sind Spekulationen fehl am Platz. Fest steht aber: Es ist zutiefst bedauerlich, dass diese mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht