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Ethikrat fordert klare gesetzliche Regelungen für die Forschung mit Biobanken

Geschrieben am 15-06-2010

Berlin (ots) - Unter dem Titel "Humanbiobanken für die Forschung"
hat der Deutsche Ethikrat heute seine zweite Stellungnahme
verabschiedet.

Humanbiobanken sind Sammlungen von Proben menschlicher
Körpersubstanzen (z. B. Gewebe, Blut, DNA), die mit personenbezogenen
Daten und insbesondere gesundheitsbezogenen Informationen über die
Spender elektronisch verknüpft sind. Sie spielen bei der Erforschung
der Ursachen und Mechanismen zahlreicher Erkrankungen und ihrer
Behandlung eine zentrale Rolle und sind für die biomedizinische
Forschung ein unverzichtbares Hilfsmittel.

Die zunehmende Dynamik im Bereich dieser Forschung hat den
Deutschen Ethikrat dazu veranlasst, sich erneut mit der Thematik zu
befassen, nachdem sich sowohl der Nationale Ethikrat als auch die
Enquete-Kommission "Recht und Ethik der modernen Medizin" des
Deutschen Bundestages in früheren Stellungnahmen zu Biobanken
geäußert hatten.

Biobanken werfen ethische und rechtliche Fragen auf, die vom
Schutz individueller Rechte bis hin zur globalen Regulierung von
Forschungsinfrastrukturen reichen. Das im Februar 2010 in Kraft
getretene Gendiagnostikgesetz regelt diese Fragen nicht. Von daher
gelten für Forschungsbiobanken bislang in Deutschland nur allgemeine
rechtliche Vorschriften. Angesichts der wachsenden Herausforderungen
hält es der Deutsche Ethikrat für erforderlich, spezifische
Regelungen für Humanbiobanken zu schaffen.

Bisherige Konzepte zum Schutz der Spenderinteressen basierten
maßgeblich auf der informierten Einwilligung der Spender. Aufgrund
der strukturellen Besonderheiten von Biobanken kann der individuellen
Einwilligung jedoch nur eine schwache Schutzfunktion zukommen, da sie
vor dem Hintergrund begrenzter Informationen gegeben werden muss.
Deshalb sollte das Einwilligungskonzept ergänzt werden durch
institutionelle und prozedurale Regelungen, die der Biobankforschung
zugleich objektive Grenzen setzen wie auch Freiräume schaffen.

In seiner Stellungnahme schlägt der Deutsche Ethikrat ein
Fünf-Säulen-Konzept für die gesetzliche Regulierung von Biobanken
vor. Es umfasst Empfehlungen zur Einführung eines
Biobankgeheimnisses, zur Festlegung der zulässigen Nutzung, zur
Einbeziehung von Ethikkommissionen, zur Qualitätssicherung und zur
Transparenz. Ziel der Empfehlungen ist es, für die Interessen und
Persönlichkeitsrechte der Spender einen adäquaten Rechtsrahmen zur
Verfügung zu stellen, für die Biobankforschung mehr Rechtssicherheit
zu schaffen und die Forschung gleichzeitig zu erleichtern.

Die erste und wichtigste Säule dieses Konzepts ist die Einführung
eines Biobankgeheimnisses. Es soll die Verarbeitung und Übermittlung
von Proben und zugehörigen Daten während ihrer gesamten Existenz auf
die Zwecke wissenschaftlicher Forschung begrenzen und ihre
Unzugänglichkeit gegenüber allen forschungsexternen Dritten
garantieren. Den Kern des Biobankgeheimnisses bilden - entsprechend
den Regelungen, die für Ärzte gelten - eine Schweigepflicht und ein
Zeugnisverweigerungsrecht für die Betreiber, Mitarbeiter und Nutzer
von Biobanken sowie ein Verbot des Zugriffs auf Proben und Daten für
alle Personen und Institutionen außerhalb des Wissenschaftsbereichs,
einschließlich des Staates.

Die zweite Säule des Konzepts betrifft die Festlegung der
zulässigen Nutzung von Biobankmaterialien und Daten. Wie bisher
sollte die Einwilligung der Spender grundsätzliche Voraussetzung für
die Verwendung der Proben und Daten in Biobanken sein. Spender sollen
aber auch die Möglichkeit haben, ihre Proben und Daten ohne
Beschränkung auf ein bestimmtes Forschungsprojekt oder eine bestimmte
Forschungsrichtung zeitlich unbegrenzt für die wissenschaftliche
Forschung zur Verfügung zu stellen.

Als dritte Säule des Konzepts empfiehlt der Ethikrat die
Einbeziehung von Ethikkommissionen erstens für den Fall, dass mit
personenbezogenen Proben und Daten gearbeitet werden soll oder eine
Rekontaktierung von Spendern beabsichtigt ist, und zweitens zur
periodischen Bewertung der Aktivitäten von thematisch und zeitlich
nicht begrenzten Biobanken.

Die vierte Säule betrifft die Qualitätssicherung. Durch
angemessene Organisationsstrukturen und Verfahrensabläufe sowie durch
eine Systemevaluation aller thematisch und zeitlich nicht eng
begrenzten Biobanken sollen die Rechte der Spender geschützt werden.

Als fünfte Säule seines Regelungskonzeptes fordert der Ethikrat
eine Reihe von Maßnahmen, die die Transparenz von Zielen und
Verfahrenweisen einer Biobank garantieren sollen. Hierzu gehören
insbesondere die vollständige Dokumentation und regelmäßige
Veröffentlichung der Biobankaktivitäten und die Einrichtung eines
öffentlich zugänglichen Biobankregisters.

Der Ethikrat empfiehlt zudem, international verbindliche
Schutzstandards anzustreben. Er unterbreitet in seiner Stellungnahme
eine Reihe von Vorschlägen für die Sicherung des Biobankgeheimnisses
beim Austausch von Proben und Daten mit Kooperationspartnern im
Ausland.

In einem ergänzenden Votum sprechen sich vier Ratsmitglieder dafür
aus, thematisch und zeitlich eng begrenzte Sammlungen, bei denen -
wie bei wissenschaftlichen Qualifizierungsarbeiten - keine Weitergabe
von Proben und Daten zu anderweitiger Verwendung geplant ist, gar
nicht in die vorgeschlagenen Regelungen einzubeziehen, weil sie
befürchten, dass es ansonsten für solche Projekte trotz der
empfohlenen differenzierten Regelungstiefe zu erheblichem
zusätzlichen Regulierungs- und Verwaltungsaufwand kommen könnte. Von
daher befürworten auch diese Ratsmitglieder eine stärkere Regulierung
beim Aufbau großer Biobanken; sie halten aber die bereits geltenden
Bestimmungen zum Daten- und Spenderschutz bei Entnahme von Proben für
begrenzte Sammlungen für hinreichend.

Die Stellungnahme ist unter http://www.ethikrat.org abrufbar.

Originaltext: Deutscher Ethikrat
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/42978
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_42978.rss2

Pressekontakt:
Ulrike Florian
Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Deutscher Ethikrat
Jägerstrasse 22/23
D-10117 Berlin

Tel: +49 +30 203 70-246
Fax: +49 +30 203 70-252
E-Mail: florian@ethikrat.org
URL: http://www.ethikrat.org


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