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WAZ: Die Nachfolge Horst Köhlers - Das Amt und seine Chancen - Leitartikel von Walter Bau

Geschrieben am 01-06-2010

Essen (ots) - Ein politischer Profi soll er sein, aber auch
bescheiden und volksnah. Er soll kluge Reden halten können, aber
bitte nicht so kompliziert daherkommen. Er soll jung und unverbraucht
sein, gleichwohl Erfahrung mitbringen. Er soll kein typischer
Polit-Funktionär sein, ein Seiteneinsteiger aus einer anderen Branche
wäre allerdings auch nicht recht, den hatten wir schließlich gerade.
Ach, ja: Und er darf gern eine Frau sein. Fertig wäre der künftige
Bundespräsident. Aber im Ernst: Horst Köhlers spektakulärer Abgang
hat die ohnehin schwächelnde Regierung Merkel zusätzlich unter Druck
gesetzt. Eine schnelle und gleichzeitig überzeugende personelle
Lösung für den vakanten Posten des Staatsoberhaupts muss her, will
die angeschlagene Kanzlerin Handlungsfähigkeit beweisen. Doch es geht
in diesen Tagen in Berlin um mehr als Merkels Image. Es geht um eine
Führungspersönlichkeit, die - jenseits des Parteienstreits - in
wichtigen Fragen Orientierung gibt und eine Richtung aufzeigt. Es
geht also, nicht nur formal, um eine Top-Personalie der Republik.
Richard von Weizsäcker hatte diese Anforderungen erfüllt; mit seiner
Rede zum 40. Jahrestag des Kriegsendes etwa oder mit seinem
energischen Eintreten für Berlin als Hauptstadt des vereinten
Deutschland. Roman Herzog hat dies getan mit klugen
gesellschaftlichen Analysen; genauso Johannes Rau mit seiner
wegweisenden Rede zur Gentechnik. Horst Köhler dagegen verstand sich
als Mitspieler im politischen Alltagsgeschäft. Er wollte etwas
bewegen, überschritt dabei jedoch die Grenzen seines Amtes. Auch
daran ist Köhler gescheitert. Wenn nicht alle politischen Signale
trügen, stehen den Bundesbürgern höchst ungemütliche Zeiten bevor.
Die Sparrunde der Berliner Koalitionsspitzen am Wochenende dürfte nur
der Auftakt zu einer Serie von schmerzlichen Leistungskürzungen auf
der einen und Abgabenerhöhungen auf der anderen Seite sein. Die
Länder ächzen nicht minder unter der Schuldenlast, von den Kommunen
ganz zu schweigen. Es braucht großes politisches und kommunikatives
Geschick, um den Bürgern die Notwendigkeit der Einschnitte glaubhaft
zu vermitteln. Dies wäre eigentlich der Job der Regierung. Doch die
taumelt von einer Verlegenheit in die nächste, wechselt die Richtung
im Wochentakt. Ein starker Bundespräsident könnte diese Aufgabe
übernehmen, ohne dabei seine Rolle zu überziehen. Deshalb müssen
Merkel und Westerwelle schon im eigenen Interesse einen starken
Kandidaten präsentieren. Und wenn es am Ende eine Frau sein sollte -
umso besser. Die Zeit für die erste Bundespräsidentin ist reif.

Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2

Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-6528
zentralredaktion@waz.de


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