(Registrieren)

Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Rücktritt von Horst Köhler

Geschrieben am 31-05-2010

Bielefeld (ots) - Was für ein würdeloses Schauspiel um das höchste
Amt im Staate! So überraschend Horst Köhler 2004 zur Wahl des
Bundespräsidenten auf den Schild gehoben wurde, so überraschend trat
er gestern zurück. Oft ist bei Rücktritten von Respekt die Rede,
dieses Mal verbietet sich das. Horst Köhlers Rückzug kommt
überstürzt, ist der Kritik an seinen Äußerungen unangemessen und wird
vor allem den Erfordernissen, denen sich die Bundesrepublik in Folge
der Finanz-, Wirtschafts- und Euro-Krise ausgesetzt sieht, in
keinerlei Weise gerecht. Köhler ist nicht zurückgetreten, er ist aus
seinem Amt und seiner Verantwortung geflüchtet und hinterlässt einen
Scherbenhaufen - für sein Ansehen, für das politische Lager, das ihn
ins Amt gebracht und im Amt bestätigt hat sowie für die politische
Kultur unseres Landes. Keine Frage: Der Quereinsteiger Köhler hat
immer wieder mit dem politischen Betrieb gefremdelt. Ein bloßer
Grüßaugust wollte er nie sein, auch die Unterzeichnung von Gesetzen
war für ihn stets mehr als eine Formsache. Dieser Bundespräsident
mischte sich in die Tagespolitik ein, wenn er es für richtig hielt.
Er kritisierte und musste folgerichtig auch mit Gegenkritik rechnen.
Ja, er hatte sie mehrfach erlebt, hatte sich mehr als einmal den Zorn
der Regierenden und der Parlamentarier zugezogen, aber gerade so eben
auch an Popularität und Ansehen im Volk gewonnen. Horst Köhler hat
gestern »mangelnden Respekt vor dem Amt« beklagt und ihn doch zuerst
selbst gezeigt. Die Frage sei erlaubt: Welchem Bürger soll so ein
Verhalten als Vorbild dienen? Dabei verrieten Gestik und Mimik mehr
als seine Stimme. Da rang nicht einer um die Würde des Amtes, da
sprach jemand, der sich persönlich verletzt fühlte und deshalb »mit
sofortiger Wirkung« die Brocken hinwarf. Genau das dürfte es sein,
was von diesem Präsidenten in Erinnerung bleibt. Zu Unrecht, blickt
man auf seine knapp sechsjährige Amtszeit und die Leistungen anderer
Bundespräsidenten zurück. Fakt ist, dass Bundeskanzlerin Angela
Merkel und die von ihr geführte schwarz-gelbe Bundesregierung nun ein
gewaltiges Problem mehr haben. Letzte Woche Roland Koch, jetzt Horst
Köhler: Zur Armut im programmatischen Profil des bürgerlichen Lagers
gesellt sich ein erschreckender Mangel an überzeugenden
Persönlichkeiten. Es spricht Bände, dass schon wenige Stunden nach
Köhlers Abgang aus Regierungskreisen einem Konsenskandidaten das Wort
geredet wurde, den auch SPD und Grüne unterstützen könnten - trotz
komfortabler eigener Mehrheit in der Bundesversammlung. Keine Frage,
diese Regierung geht auf dem Zahnfleisch. Die nächsten vier Wochen
werden entscheiden, ob sie sich noch einmal erholen kann. Mit der
Regierungsbildung in NRW und der Erstellung einer wirkungsvollen
Sparliste für den Bundeshaushalt stehen wichtige Entscheidungen an.
Die Kür eines Bundespräsidenten bildet dann den Schlusspunkt - so
oder so.

Originaltext: Westfalen-Blatt
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/66306
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_66306.rss2

Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

271448

weitere Artikel:
  • General-Anzeiger: "General-Anzeiger" Bonn zum Köhler-Rücktritt Bonn (ots) - Eine Frage der Ehre Von Andreas Tyrock Horst Köhler wollte nicht mehr. Er war tief getroffen, verletzt. Horst Köhler hat aufgegeben, mit Tränen in den Augen. Horst Köhler lässt ein Land, seine Bürgerinnen und Bürger und die politisch Verantwortlichen ratlos und fragend zurück. Es kann doch nicht wirklich sein, dass erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik ein Bundespräsident zurücktritt, nur weil er wegen seiner in der Tat ungeschickten Äußerungen zur Afghanistan-Politik kritisiert wird. Dieser Vorgang mehr...

  • Neue OZ: Kommentar zu Israel / Gaza Osnabrück (ots) - Irrsinn an Deck Der ganze Irrsinn des israelisch-palästinensischen Konflikts ist über die Decks der "Mavi Marmara" gefegt. Weniger, weil es beim missglückten israelischen Kommando-Unternehmen gegen das Passagierschiff nebst Begleitbooten Tote und Verletzte gegeben hat. Sondern weil diese Gewalt so sehr gewollt war. Und zwar von beiden Seiten. Israels Hardliner-Regierung hätte allerhand risikoärmere Mittel gehabt, den Hilfstransport von Palästinensern und ausländischen Hamas-Sympathisanten am Durchbrechen mehr...

  • Neue OZ: Kommentar zum Rücktritt von Horst Köhler Osnabrück (ots) - Rückzug in Panik Horst Köhler hat Geschichte geschrieben. Erstmals seit Bestehen der Bundesrepublik wirft ein Bundespräsident spontan hin. Jetzt wird ihm vielfach reflexartig Respekt gezollt - aber wofür? Der 67-jährige Christdemokrat begründet seinen überraschenden Rücktritt mit der Kritik an seinen Äußerungen zu Afghanistan. Angesichts der öffentlichen (Medien-) Schelte mögen Köhler die Ohren geklungen haben. Aber mit Verlaub: Das ist Alltagsgeschäft in der Politik und kein Rücktrittsgrund für einen mehr...

  • Neue OZ: Kommentar zur SPD Osnabrück (ots) - Wenig schmeichelhaft Nach der herben Niederlage bei der vergangenen Bundestagswahl hat die SPD-Basis ihrer Parteiführung ein wenig schmeichelhaftes Zeugnis ausgestellt. Das Urteil fällt teils vernichtend aus. Vor allem: Die Kluft bei Reizthemen wie der Hartz-IV-Gesetzgebung zwischen dem einfachen Parteimitglied und der SPD-Spitze könnte kaum größer sein. Hier muss Parteichef Gabriel ansetzen, soll der Status als Volkspartei nicht endgültig verloren gehen. Kurz: Die Parteiseele benötigt Balsam. Dazu werden mehr...

  • Neue OZ: Kommentar zur Krise der Regierungsparteien Osnabrück (ots) - Schwerer Schlag Die schwarz-gelbe Regierung steht vor einer neuen Bewährungsprobe. Als wären Griechenland- und Eurokrise sowie die massiven Haushaltsprobleme in Deutschland nicht schon Herausforderung genug, müssen Union und FDP nun auch noch einen neuen Bundespräsidenten finden. Und das in kürzester Zeit. Die Turbulenzen nehmen kein Ende, sondern werden immer heftiger. Vor allem für Angela Merkel bedeutet Köhlers Schritt einen schweren Schlag. Denn einmal mehr verliert sie einen wichtigen politischen mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht