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Südwest Presse: Kommentar zum DGB

Geschrieben am 17-05-2010

Ulm (ots) - Pfiffe und Buhrufe gab es diesmal keine für
Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Bundeskongress des Deutschen
Gewerkschaftsbundes (DGB). Nur eine Trillerpfeife war ganz kurz und
verloren zu hören. Was für ein Unterschied zum letzten Treffen vor
vier Jahren, als die Gewerkschafter gegen alle lautstark
rebellierten, die ihnen nicht genehme Meinungen vortrugen. Doch die
größte Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit hat Regierung und
Gewerkschaften zusammenrücken lassen. Eine ungeahnte Notgemeinschaft
zwischen der "schwarzen" Kanzlerin und den "roten"
Arbeitnehmervertretern. Wobei solche Farbenspiele bei Merkel eh viel
zu einfach sind. Eine scheinbar verkehrte Welt: DGB-Chef Michael
Sommer verteidigt die Kanzlerin schon mal gegen ihre Kritiker, und
die dankt es ihm nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten. Etwa
einer großzügigen Kurzarbeitsregelung. Die Abwrackprämie war ebenso
eine realisierte Anregung von IG-Metall-Chef Berthold Huber wie der
Elektromobilitätsgipfel. Für dieses Entgegenkommen der Regierung
revanchierten sich die Gewerkschaften mit moderaten Tarifabschlüssen,
die Rücksicht auf die schwierige bis dramatische Lage vieler Firmen
nahmen. Manches mag für den Steuerzahler teuer gekommen sein. Doch
zumindest hält der soziale Friede. Glücklicherweise nichts zu sehen
von den sozialen Unruhen, vor denen Sommer vor einem Jahr noch
warnte. Das muss nicht auf Dauer so bleiben. Merkel bereitete die
Gewerkschafter schon mal auf "sehr schwierige Jahre" vor, die vor uns
liegen. Sommer machte klar, dass die Gewerkschaften nicht hinnehmen
würden, wenn die Krise einseitig auf dem Rücken der kleinen Leute
abgeladen werde. Zunächstmal ist das nicht mehr als Rhetorik, wie sie
vom DGB-Vorsitzenden erwartet wird. Schon von den Chefs der
Einzelgewerkschaften, die nicht davor zurückschrecken, notfalls auch
mal selbst auf die Pauke zu hauen. Es ist die alte Frage, die
spätestens alle vier Jahre bei den DGB-Kongressen gestellt wird, von
Beobachtern wie von den Arbeitnehmervertretern selbst: Wie stark ist
die Spitzenorganisation der Gewerkschaften? Hat sie überhaupt noch
eine Existenzberechtigung? Da teilt der DGB das Schicksal vieler
Wirtschaftsverbände: Zunehmend machen Konzerne ihre Lobbyarbeit
selbst, da ihnen die Schlagkraft ihrer Verbände zu gering ist, schon
weil diese auf viele Mitgliederinteressen Rücksicht nehmen müssen. In
der Krise haben die Gewerkschaften viel an Ansehen gewonnen, nicht
aber an Mitgliedern. Aktionen wie das rücksichtslose Abdrängen von
Stammmitarbeitern in Leiharbeitsfirmen wie etwa bei Schlecker müssten
ihnen eigentlich die Arbeitnehmer scharenweise in die Arme treiben.
Doch der Bevölkerungsrückgang wirkt sich so negativ aus wie die
nachlassende Bereitschaft der Bürger, sich zu engagieren, ob in
Parteien oder eben in Gewerkschaften. Auch die wachsende Zahl
befristeter Arbeitsverträge sind für sie Gift. Kein Wunder, dass sie
auf der Bremse stehen - nicht nur im Interesse der Arbeitnehmer,
sondern auch im ureigenen. Sommer ist es zumindest gelungen, den DGB
in den letzten vier Jahren zusammenzuhalten - so gut, dass er mit
einem hervorragenden Ergebnis im Amt bestätigt wurde. Die Chance zur
Verjüngung des Vorstands haben die Gewerkschaften allerdings
versäumt. Es mag schwierig gewesen sein, im komplizierten Geflecht
der Mitgliedsgewerkschaften einzelne neue Köpfe ins Spiel zu bringen.
Aber das ist Arbeitnehmern egal. Nach außen ist der DGB eine
Ein-Mann-Show. Die Zeiten, da Sommer mit Ursula Engelen-Kefer eine
wortgewaltige Stellvertreterin hatte, sind lange vorbei. Eine
Organisation, die für viele sprechen will, muss alle repräsentieren,
nicht nur die Älteren.

Originaltext: Südwest Presse
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/59110
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_59110.rss2

Pressekontakt:
Südwest Presse
Lothar Tolks
Telefon: 0731/156218


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