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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Großbritannien

Geschrieben am 12-05-2010

Bielefeld (ots) - Eine Wahl ohne Sieger: So etwas gibt es nicht
nur in Nordrhein-Westfalen. Während hierzulande noch die hohe Kunst
des politischen Fächertanzes zu besichtigen ist, haben die Briten
bereits einen Deal. Fünf Tage nach der Wahl steht die Koalition von
konservativen Tories und gemäßigt linken Liberaldemokraten. Thank
goodness! Nichts ist den Briten mehr zuwider als unklare
Verhältnisse. Doch die Lage jenseits des Ärmelkanals ist keineswegs
so klar, wie sie vom Kontinent aus erscheinen mag. Allein schon die
Tatsache, dass erstmals seit 70 Jahren weder Labour noch Tories
allein regieren, markiert eine Zeitenwende. Hinzu kommt, dass die
Koalition alles andere als eine politische Liebeshochzeit ist. Die
europaskeptischen, in Teilen sogar europafeindlichen Konservativen
und die europafreundlichen Liberaldemokraten bilden eine Zähl-, nicht
aber eine Wertegemeinschaft. Es klingt wie das Pfeifen im Walde, wenn
der »LibDem«-Chef und frühere Europaabgeordnete Nick Clegg sagt: »Ich
hoffe, dies ist der Beginn einer neuen Politik, an die ich immer
geglaubt habe.« Dagegen spricht, dass Tory-Chef David Cameron den
ausgewiesenen Europa-Verächter William Hague zum Außenminister macht.
Doch Brüssel liegt nicht nur für Hague, sondern für viele seiner
Landsleute hinter dem Mond. Die eigentliche Herausforderung der neuen
Regierung ist nicht die Außenpolitik, sondern es sind die alten
Sorgen: die Afghanistanfrage und vor allem die Finanzen. 13 Jahre
Labour-Regierung haben den in der Thatcher-Ära ausgezehrten
Sozialstaat wiederbelebt, doch eben um den Preis einer horrenden
Staatsverschuldung. Umgerechnet 200 Milliarden Euro Miese macht der
Staat in diesem Jahr - das entspricht zwölf Prozent des
Bruttoinlandsprodukts und kommt den griechischen Verhältnissen
ziemlich nahe. Die Spekulanten, die eben noch den Euro angegriffen
haben, könnten sich nun das britische Pfund vornehmen. Die Briten
gehen ja angeblich nie ohne Regenschirm aus dem Haus, einen
Rettungsschirm aber haben sie nicht zur Hand. Der unvermeidbare
Sparkurs wird der neuen Regierung kaum Zuspruch bescheren. Schon
jetzt steuert die Arbeitslosigkeit auf die Drei-Millionen-Marke zu,
viele Briten hangeln sich mit Minijobs an der Armutsgrenze entlang.
Immerhin: Die nächste Wahl soll es erst in fünf Jahren geben. Dieses
Datum haben die Liberaldemokraten den Tories abgerungen - ebenso das
Versprechen, das Wahlrecht zu reformieren, das bislang den beiden
großen Parteien die Vorherrschaft gesichert hat. Nick Clegg wird mit
Argusaugen darauf achten, dass dieses Versprechen eingelöst wird.
Koalitionen werden dann nicht mehr die Ausnahme, sondern der
Regelfall sein. Europäische Verhältnisse in London: Daran werden sich
die Briten auch ohne den Euro gewöhnen müssen.

Originaltext: Westfalen-Blatt
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/66306
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_66306.rss2

Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


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