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Berliner Morgenpost: Richtiger Mann - falscher Zeitpunkt

Geschrieben am 06-05-2010

Berlin (ots) - Normalerweise hätte die Medienwelt laut aufschreien
müssen. Dass ein Regierungssprecher ohne Umwege zum Intendanten einer
der wichtigsten deutschen Rundfunkanstalten bestellt wird,
widerspricht dem öffentlich-rechtlichen Grundgedanken von der Distanz
zur politischen Macht. Doch die Wahl von Merkels Sprecher Ulrich
Wilhelm zum neuen Chef des Bayerischen Rundfunks wird stoisch
hingenommen in einem Land, das sich jüngst noch über den Einfluss der
Politik bei der Besetzung der ZDF-Chefredaktion fürchterlich und zu
Recht empörte. Vernachlässigt die vierte Gewalt ihre
Kontrollaufgabe? Droht Deutschland die Berlusconisierung?
Nicht ganz. Erstens spricht Wilhelm für eine CDU-Kanzlerin, wird aber
Intendant eines Senders, der ein CSU-Land bedient. Aus der Hauptstadt
aber haben sich die Bayern noch nie gern Befehle erteilen lassen. Der
einstige Vertraute des bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber
war zudem nie in der CDU verankert. Als Sprecher der großen Koalition
brachte er es dagegen fertig, das Vertrauen der SPD zu gewinnen und
mit seinem damaligen Kollegen Thomas Steg ein nahezu legendär gutes
Auskommen zu pflegen. Der BR wird künftig also nicht aus Berlin
ferngesteuert, vielmehr kehrt der Herzens-Münchner Wilhelm nach einem
fast fünf Jahre währenden Gastspiel in Berlin zu Wurzeln und Familie
zurück. Der Jurist absolvierte die Münchner Journalistenschule und
arbeitete lange Jahre als freier Journalist für den BR. Als Sohn
eines langjährigen Landtagsabgeordneten bewegte Wilhelm sich seit
jeher unfallfrei an der Schnittstelle zwischen Politik und Medien.
Und er bringt bis heute das Kunststück fertig, beiden Seiten gerecht
zu werden, ohne allzu viel verbrannte Erde zu hinterlassen.
Medienschaffende gleich welcher Couleur lobten einen fairen und
zuverlässigen Umgang, den sachlichen Ton und Wilhelms charakterliche
Stärke, auf staatstragenden Habitus zu verzichten. Er tritt weder als
tumber Parteisoldat auf, noch lässt er sich bei berufsbedingten
Flunkereien erwischen. Nicht mal Egon Bahr, Günter Gaus oder Klaus
Bölling hätten es wohl geschafft, sich zugleich bei den Mächtigen
dreier Parteien, einer ziemlich gemischten Schar von
Hauptstadt-Journalisten und einem bizarren Apparat wie dem BR Respekt
zu verschaffen. Es bleibt jedoch dabei: Mag Wilhelm auch ein noch so
netter Kerl sein und bei Gewerkschaften wie Ultrakonservativen
beliebt - der direkte Wechsel aus dem Kanzleramt zu einem wichtigen
Medienanbieter ist nicht in Ordnung. Jeder Minister, jede
Staatssekretärin muss sich, zu Recht, öffentlich prügeln lassen, wenn
ansatzlos ein Jobwechsel aus dem politischen Amt zu einem Konzern
vollzogen wird. Mögen die Alarmanlagen der Demokratie im Falle
Wilhelm auch versagt haben, eines ist gewiss: Jede Entscheidung des
neuen BR-Intendanten wird künftig mit größter Aufmerksamkeit
beobachtet und interpretiert werden. Aus seinen bisherigen Jobs weiß
keiner so gut wie Wilhelm, wie schnell Vorschusssympathie welken
kann.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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