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FZ: Leitartikel der "Fuldaer Zeitung" (Montagausgabe) zu Griechenland

Geschrieben am 02-05-2010

Fulda (ots) - Wenn der Blinde dem Lahmen über die Straße hilft,
dann können beide überfahren werden. So ähnlich ist das mit dem
Hilfsprogramm der Europäischen Union für Griechenland, das zumindest
bis Ende 2012 für Ruhe an der Finanzfront sorgen soll. Da kratzen
selbst hochverschuldete Länder wie Spanien, Portugal und Italien ihre
letzten Euro zusammen, um einem Land zu helfen, das Statistiken
gefälscht hat, um an die EU-Milchtöpfe zu kommen, einem Staat, in dem
die Korruption die Reichen noch reicher gemacht hat und einer
Regierung, die mit übler Bürokratie die eigene Wirtschaft behindert.
Wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel das Sparprogramm, das IWF und EU
den Griechen verordnet haben, als "anspruchsvoll und nachhaltig"
bezeichnet, ist das genauso schizophren wie wenn Bundesfinanzminister
Wolfgang Schäuble die Daumenschrauben als "starkes Programm"
bezeichnet, dem man "Respekt" zollen müsse. Formulierungen, die die
Realität ausblenden, ebenso wie die Behauptung des Vorsitzenden der
CDU-Fraktion im Bundestag, Volker Kauder, man gebe den Griechen "kein
Steuergeld, sondern nur ein Darlehen". Das Programm mit einer
Anhebung der Mehrwertsteuer auf 23 Prozent und der Beschneidung
beinahe aller Einkommen und Gehälter kann die ohnehin schwache
Konjunktur Griechenlands gänzlich abwürgen. Es ist also nicht
anspruchsvoll, sondern riskant. Respekt muss man dafür weder den
Griechen, noch den scheinbar rigorosen Unterstützern zollen: Die
Konsequenzen auf die griechische Staatspleite sind von purer Not
diktiert, und niemand weiß, ob sich das alles überhaupt verwirklichen
lässt. Die griechischen Gewerkschaften haben schon zu einem
Generalstreik aufgerufen, der jeden Tag Millionen kosten wird.
Schließlich muss man die deutschen Bürger nicht für dumm verkaufen:
Die aus Steuergeldern finanzierten "Kredite" können mit hoher
Wahrscheinlichkeit nie zurückgezahlt werden. Es sind verlorene
Zuschüsse. Anspruchsvoll wäre ein Programm gewesen, das die 15
Verwaltungsakte begrenzt hätte, die über sich ergehen lassen muss,
wer ein Unternehmen in Hellas gründen will. Respekt müsste man einer
Erleichterung der Exportformalitäten zollen, die in Griechenland
durch schikanöse Gesetze drei Mal so lange dauern wie in den meisten
anderen europäischen Ländern. Kurz, eine Strukturverbesserung hätte
der Konjunktur gewiss mehr geholfen als die phantasielose Kürzungs-
und Streichungsorgie. Dennoch kann man davon ausgehen, dass sich die
Finanzmärkte zunächst einmal beruhigen und der Euro stabil bleibt.
Wie lange, das steht allerdings in den gelben Sternen auf blauem
Grund, die die Fahne der EU schmücken, denn niemand weiß, ob und wann
die europäischen Patienten Spanien, Portugal und Italien als
Bittsteller vor der Tür stehen. Und das kann durchaus vor 2012
geschehen. Hinterher ist man immer schlauer, aber jetzt müssen sich
die Deutschen vom tschechischen Präsidenten Václav Klaus sagen
lassen, dass der von ihnen vorangetriebene Weg in eine Europäische
Union falsch war. Klaus hält sowohl die Währungsunion als auch den
Wahn der Vereinheitlichung und der Übernahme von immer mehr
Zuständigkeiten durch die EU für falsch. Tatsächlich wäre
Griechenland durch die Abwertung einer eigenen Währung flexibler und
die Länder des Währungsverbundes stabiler geblieben. Aber Deutschland
hat für die EU einst D-Mark und Unabhängigkeit aufgegeben in der
irrigen Annahme, alle anderen Staaten würden ihre Identität ebenfalls
im Vereinigten Europa finden und die dazu notwendigen Regeln
einhalten. Dafür haben die Deutschen kräftig gezahlt, vielleicht auch
um ihre Vergangenheitsneurose zu bewältigen. Tatsächlich aber ging es
den meisten anderen Ländern nur um wirtschaftliche Vorteile, nie aber
um die politische Union. Der Glaube der Deutschen an Europa wurde
jetzt erschüttert und sie mussten erkennen, dass, wenn ihr Geld nicht
sofort fließt, alte Ressentiments hochgespült werden. Aber nicht die
Deutschen wenden sich von Europa ab, sondern die Verbündeten zeigen,
dass sie vor allem in der Not auf die "Vereinigten Staaten von
Europa" setzen. Und die Deutschen tragen brav weiter Euros nach
Athen.

Originaltext: Fuldaer Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/79740
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_79740.rss2

Pressekontakt:
Fuldaer Zeitung
Volker Feuerstein
Telefon: 0661 280-301
volker.feuerstein@fuldaerzeitung.de


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