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WAZ: Aygül Özkan und die CDU - Der schwierige Start einer Muslima - Leitartikel von Ulrich Reitz

Geschrieben am 26-04-2010

Essen (ots) - Der erste Versuch mit einer muslimischen Ministerin
in Deutschland beginnt mit einem Rückschlag. Es war gedacht als
Signal von Toleranz und Weltoffenheit. Doch dann stellt die Berufene
eben jene Werte auf die Probe. Aygül Özkan sagt, was sie denkt über
Kopftuch und Kruzifix. Ein Sturm bricht los, der Regierungschef
Wulff, verantwortlich für die Minister-Personalie, geht auf Distanz.
Das war dann augenscheinlich doch zu viel Toleranz für die
traditionell konservative niedersächsische CDU. Am Ende muss sich die
kommende Ministerin entschuldigen, damit sie überhaupt in ihr Amt
darf. Ein liberaler Aufbruch sieht anders aus. Wer eine Muslima zur
Ministerin macht, darf sich eigentlich nicht wundern, wenn diese Frau
nun nicht sofort damit anfängt, Kreuze in Klassenzimmern zu
verteidigen. Zumal Özkans Position vom Bundesverfassungsgericht in
seinem Kruzifix-Urteil und auch vom Europäischen Gerichtshof unter
Hinweis auf die weltanschauliche Neutralität des Staates abgedeckt
ist. Gleichwohl ist Özkans Position angreifbar. Es gibt gravierende
Unterschiede zwischen dem christlichen Kreuz-Symbol und dem
islamischen Kopftuch. Kopftücher stehen nicht nur, aber auch, für
einen Islam, von dem gerade Özkan wenig wissen will, die von ihren
Eltern nie gezwungen wurde, es zu tragen. Das christliche Kreuz steht
nicht für ein fundamentales Verständnis, das etwa die zehn Gebote
über das Bürgerliche Gesetzbuch stellen will, wie es konservativen
Moslems mit der Scharia vorschwebt. Im Gegenteil. Das Kruzifix steht
heute für ein tolerantes, den christlichen Werten verpflichtetes
Menschenbild. Die demgemäße Staatsform ist die Demokratie. Özkan wird
sich nach dieser schmerzlichen Erfahrung wohl klüger äußern. Fast
schon vergessen, was sie auch noch sagte: dass Muslime selbst mehr
tun müssten für ihre Integration. Eine durchaus unbequeme Botschaft
vor allem Richtung islamischer Verbände. Die CDU wiederum, die doch
so tolerant sein wollte, hat sich mit ihrer harschen Reaktion kaum
einen Gefallen getan. Özkan steht für eine bestimmte Richtung im
Islam, einen aufgeklärten, laizistischen, der in Europa und in der
Demokratie angekommen ist. Der nicht den Glauben absolut setzt oder
ihn gar als politische Angelegenheit, als Ausgangspunkt für einen
Systemkonflikt versteht, sondern als Privatsache. Sie dürfte die
Debatte um einen europäischen Islam befördern. Darin liegt der
eigentliche gesellschaftliche Fortschritt in dieser Personalie.

Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2

Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-6528
zentralredaktion@waz.de


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