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Berliner Morgenpost: Die Natur ist eben doch stärker - Leitartikel

Geschrieben am 15-04-2010

Berlin (ots) - Der Planet spuckt. Er bebt und reißt Krater auf. Er
türmt monströse Flutwellen auf und legt tödliche Nebel über
Landebahnen. Er zerstört Häuser und Menschenleben, zu Tausenden. Es
sind Jahre der Naturkatastrophen, die hinter uns liegen, von Phuket,
l'Aquila, Haiti. Es ist ein Skandal, möchte man rufen. Und bekommt
doch nur zur Antwort: Naja, so ist er halt, der Planet. Das ist Natur
- und sie ist stärker als wir.
Das ist - so schlicht, so wahr - die erste Lehre der großen Wolke aus
Island. Was gestern passiert ist am Himmel über Europa, begegnet
einem sonst eher im Kino als Plot eines durchschnittlichen
Katastrophenfilms: Eine riesige Aschewolke, hoch geschleudert von
einem jener sonst so hübsch als kontemplative Tristesse angepriesenen
isländischen Vulkane, von denen so mancher Work-Live-balancierender
Großstadtmensch als Reiseziel träumt. Sie zieht von den britischen
Inseln über den halben Kontinent und löst eine Kettenreaktion des
Ausnahmezustands aus. Lufträume werden gesperrt, der Flugverkehr wird
lahmgelegt. Der Himmel wird für den Menschen wieder zum unbetretbaren
Raum, das Fliegen wieder zu dem, was es vor nicht einmal hundert
Jahren noch war: ein Himmelfahrtskommando. Nichts geht mehr im
minutengetakteten Stoßverkehr des Reisens. Eine uns
selbstverständliche Lebensader schlägt nicht mehr. Demut ist
angesagt, wenigstens für ein paar Stunden.
Ein bisschen Demut wäre Lehre Nummer zwei aus diesem besonderen Tag.
Zugegeben: Der Charme solcher Demutsgesten ist begrenzt, wenn man im
öden Nirgendwo der Abfertigungskatakomben von Heathrow sitzt, auf
gepackten Koffern, drei randalierende Kinder domptierend. Doch ein
bisschen Demut ist trotzdem angebracht. Denn gerade an so einem Tag
könnte man sich kurz daran erinnern, wie anfällig die hochkomplexen,
hoch technisierten und vernetzten Lebenssysteme aus Reisen,
Verbrauchen und Ausbeuten sind, von denen wir alle uns abhängig
gemacht haben.
Hier schließlich liegt Lehre Nummer drei: der Gedanke daran, an wie
vielen unwägbaren Stellen wir mit diesen Systemen umgekehrt unseren
Planeten traktieren und gravierend verändern. Dessen ganzheitliches
Funktionieren wir noch lange nicht vollständig durchschauen. Um nicht
missverstanden zu werden: Das ist kein Rousseau-Idealismus eines
selbst gehäkelten Zurück-in-die-Steinzeit-Romantikers. Ich fahre
gerne Auto, und ich fliege gern. Und, ja: Auch mein Strom kommt aus
der Steckdose. Dennoch gehört es zu einem naturwissenschaftlich
aufgeklärten Realismus, daran zu erinnern, dass Genmais-Aussaat,
Abgasmassierungen und Atomeinlagerungen möglicherweise nicht ganz
ohne Folgen für uns bleiben.
Wer sich jemals in die Nähe der Natur begeben hat, auf Berge, das
Meer, in die Wüste, der hat vielleicht in einem Hauch erfahren, was
es heißt: Die Natur ist stärker als wir - trotz Goretex und
Thermoskanne. Sie rächt sich nicht. Aber sie bewegt sich. Und dabei
wird sie auf uns keine Rücksicht nehmen. Umgekehrt sollten wir es
tun.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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