(Registrieren)

Berliner Morgenpost: Ein Haushalt ohne politischen Ehrgeiz - Leitartikel

Geschrieben am 05-03-2010

Berlin (ots) - Das können die Schönfärber in der schwarz-gelben
Koalition selbst wohl nicht ganz ernst meinen: Als Sparkurs zu
bewerten, was jetzt nach den sogenannten Bereinigungsverhandlungen im
Haushaltsausschuss mit den Stimmen von CDU, CSU und FDP für den
Bundesetat 2010 beschlossen worden ist, kommt im freundlicheren
Betrachtungsfall ritualhafter Parteilichkeit gleich, bei
realistischer Bewertung verantwortungsloser finanzpolitischer
Ignoranz. Ein Gesamthaushalt von 320 Milliarden Euro, der allein
durch die verdoppelte Rekordverschuldung auf jetzt 80 Milliarden Euro
ausgeglichen und gegenüber dem ersten Etatentwurf um die bescheidene
Einsparsumme von 5,6 Milliarden Euro gekürzt wird, dazu noch
ungedeckte zweistellige Milliardenrisiken beim Bankenrettungsfonds
und dem Konjunkturpaket II - das sind Summen, die jedes Wunschdenken
verbieten. Die Koalition muss die Deutschen auf die Realitäten
einstimmen, wie sie die Griechen - in weitaus schlimmerer Finanzlage
- zur Einhaltung der Grundrechenarten ermahnt.
Es mag ja richtig sein, dass angesichts der erst zaghaft wieder
anspringenden Konjunktur ein radikaler Sparkurs gleich wieder
abwürgen würde, was sich gerade langsam entwickelt. Aber wenn rund
ein Viertel des Etats 2010 allein mit neuen Schulden finanziert wird
und der Etatentwurf für das kommende Jahr routinemäßig schon bis zum
Sommer vorgelegt werden muss, dann wäre die Koalition glaubwürdiger,
wenn sie statt schönzufärben schon mal den Weg weisen würde, der aus
der Schuldenfalle führen soll. Dass dieses Land in derselben steckt,
macht eine weitere Zahl aus dem Etat 2010 klar: Allein in diesem Jahr
muss der Bund 39 Milliarden Euro Zinsen für seine Schulden ausgeben;
mehr als zehn Prozent aller Ausgaben.
Noch schweigt Deutschlands oberster Schuldenverwalter Wolfgang
Schäuble, wie er der Zahlen wieder Herr werden will. Er belässt es
vorerst bei der Ankündigung, in seinem zweiten Etat die
finanzpolitischen Realitäten ernster zu nehmen als im ersten. Und
setzt auf Zeitgewinn. Erst nach der Steuerschätzung im Mai, von der
kein Experte grundlegend neue Erkenntnisse erwartet, will er seine
Grausamkeiten verkünden. Also nach der kleinen Bundestagswahl in
Nordrhein-Westfalen. Noch so eine Täuschung der Bürger. Dann gibt es
keine Ausflüchte mehr, dann muss Butter bei die Fische: Beginnend mit
dem Etat 2011 muss der Finanzminister erklären, wie er die
Schuldenbremse einhalten (jährlicher Einsparzwang zehn Milliarden
Euro), sich an die Vorgabe der Maastrichter Verschuldungskriterien
halten, die versprochenen Steuersenkungen einlösen und die
Kopfpauschale der FDP subventionieren will.
Nach all den Zerwürfnissen über schon weit geringere Fragen droht der
mit so großen Erwartungen gerade ins Amt gewählten Regierung
Merkel/Westerwelle im Juni/Juli die Zerreißprobe. Möglich, dass diese
Koalition nur noch ein heilsamer Schock retten kann. Ausgelöst von
den Wählern an Rhein und Ruhr.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

255492

weitere Artikel:
  • RNZ: Sparen vertagt - Kommentar zum Bundeshaushalt Heidelberg (ots) - Von Christian Altmeier Wenn es ums Geld geht, verhalten sich die Regierungen überall auf der Welt gleich: Ernsthafte Bemühungen, zu sparen, werden erst dann in Angriff genommen, wenn es gar nicht mehr anders geht. Das ist derzeit in Griechenland ebenso zu beobachten, wie bei uns in Deutschland. Solange die Schuldenbremse noch nicht greift, kann sich auch die Bundesregierung nicht zu schmerzhaften Einschnitten durchringen - und verdoppelt stattdessen lieber den bisherigen Schuldenrekord. Zwar ist das Rekorddefizit eine Folge mehr...

  • Lausitzer Rundschau: Konsolidieren geht anders Zum Bundeshaushalt2010 Cottbus (ots) - Eines ist klar: Ohne ein milliardenschweres Gegensteuern des Staates hätte die internationale Finanzkrise in Deutschland weit schlimmere Auswirkungen gehabt. Dementsprechend lässt sich der Neuverschuldungsrekord des aktuellen Haushaltes2010 von mehr als 80Milliarden Euro so bewerten: Er entspricht der Lage. Frühere Finanzminister waren immer darum bemüht, das Zahlenwerk schön zu rechnen und mit allerhand finanzpolitischen Nebelkerzen die Dramatik der Etatlage zu verschleiern. Das haben Finanzminister Wolfgang mehr...

  • Lausitzer Rundschau: Ehre gegen Wahrheit? Zur türkischen Kritik an einer Armenien-Resolution der USA Cottbus (ots) - Die scharfe Reaktion der türkischen Regierung auf eine Resolution des Auswärtigen Ausschusses des US-Repräsentantenhauses offenbart einiges über die Schwierigkeiten am Bosporus, mit der Geschichte des eigenen Landes umzugehen. Denn der in Washington mit denkbar knappster Mehrheit beschlossene Text taugt nicht als Grund für die heftigen Proteste, die das Verhältnis zwischen den beiden Nato-Partnern dauerhaft belasten könnten. Deswegen auch führt die Kritik an dem angeblich rückwärtsgewandten und kurzsichtigen Verhalten der mehr...

  • Rheinische Post: Großzügige Abschiebepraxis Von Detlev Hüwel Düsseldorf (ots) - An Zufälle mag man nicht so recht glauben, wenn sich die Union zwei Monate vor der Landtagswahl in NRW in einer "Düsseldorfer Erklärung" bundesweit für eine schärfere Gangart gegenüber straffällig gewordenen Ausländern stark macht. Das weckt Erinnerungen an den Wahlkampf in Hessen, bei dem Roland Koch mit dem Thema Jugendkriminalität zu punkten versuchte. Doch die Nähe zum Wahlkampf ist kein hinreichender Grund, den Vorstoß der Unionspolitikern aus Bund und Ländern abzutun. Das geltende Recht, wonach ein ausländischer mehr...

  • Rheinische Post: Ungeliebte Koalition von Martin Kessler Düsseldorf (ots) - Die Wähler hängen gewöhnlich eine Zeit lang an der Koalition, die sie gekürt haben. Deshalb lagen sowohl Schwarz-Gelb (1982) wie auch Rot-Grün (1998) in den Umfragen lange vor der Opposition allen Startschwierigkeiten zum Trotz. Das ist diesmal anders. Drei von vier Wählern sind unzufrieden mit der Bundesregierung nur fünf Monate nach der Entscheidung im September. Für das miserable Erscheinungsbild der Koalition gibt es viele Gründe. Da trifft zum einen eine ehemalige Oppositionspartei, die FDP, auf eine Regierungspartei, mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht