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Südwest Presse: Kommentar zur Koalition

Geschrieben am 25-02-2010

Ulm (ots) - Es ist ein in den letzten Jahrzehnten beispielloser
Vorgang, dass sich die Spitzenvertreter einer Bundesregierung, in
diesem Fall die Kanzlerin und ihr Vize, am Tag eines
Koalitionstreffens auf höchster Ebene in Form von
Presseveröffentlichungen wechselseitig mitteilen, was sie voneinander
halten oder mindestens von ihren kontroversen Positionen zu einem
Kernthema der deutschen Politik. Wenn dieser Umgang Schule macht,
dann wird es das schwarz-gelbe Bündnis nicht weit bringen, und
darüber hinaus wäre ein Kommunikationsniveau erreicht, das der
politischen Klasse insgesamt ein miserables Zeugnis ausstellt.
Mit Blick auf die aktuell zankenden Parteien ist man deshalb fast
geneigt, die alte Volksweisheit zu bemühen, nach der sich Pack
wahlweise schlägt und verträgt, in einem offenbar verabredeten
Rhythmus von etwa vier Wochen. Doch wollen wir weder glauben, dass
Angela Merkel, Horst Seehofer und Guido Westerwelle diesem
Kalenderspruch tatsächlich nacheifern, noch kann es wahr sein, dass
dieses Land für den Rest der Legislaturperiode in diesem Stil weiter
geführt wird - ordentlich regiert wird die Republik ja schon seit 120
Tagen nicht wirklich.
Wie konnte es nur dazu kommen? Eine zugespitzte Erklärung geht so:
Union und FDP wussten nicht, auf was sie sich nach dem 27. September
miteinander einließen. Oder auf die beiden Hauptpersonen bezogen:
Angela Merkel hatte eine falsche Vorstellung von Guido Westerwelle -
so wie dieser von ihr. Die CDU-Vorsitzende ist anders, als der
FDP-Chef glaubte - und umgekehrt. Das mag nicht sämtliche Rätsel
lösen, welche diese scheinbare Wunsch-Koalition dem Publikum beinahe
täglich aufgibt, aber es deutet den desolaten Zustand des
Regierungslagers plausibel als eine Mischung aus sachlichen und
persönlichen Irrtümern.
Bereits an der Frage, was zu tun ist, scheiden sich die
schwarz-gelben Geister. Die in der Exekutive erprobten Merkel und
Seehofer hätten es gern konkret, pragmatisch und sozial ausgewogen,
der eben erst der Oppositionsrolle entwachsene Westerwelle strebt
gleich großspurig nach der "geistig-politischen Wende". Mit einem
Wort des Philosophen Odo Marquard möchte man dem liberalen
Tausendsassa zurufen: "Es kommt nicht darauf an, die Welt zu
verändern, sondern sie zu verschonen." Jedenfalls lässt sich aus den
widersprüchlichen Politikansätzen von Union und FDP keine gemeinsame,
Identität und Orientierung stiftende Regierungsphilosophie herleiten.
Daher bietet die Ankündigung der drei Partei-Vorsitzenden, jetzt aufs
Tempo drücken zu wollen, Anlass zur Sorge. Was, bitte, soll denn
beschleunigt werden - das Chaos, der Streit, das Unvereinbare?
Bislang sind die Partner doch beinahe jeden Beweis dafür schuldig
geblieben, dass sie zu vernünftigen und nachhaltigen Entscheidungen
fähig sind, zu einem klaren und praxisnahen Kurs.
Einstweilen wurden alle offenen Konflikte in Kommissionen
zwischengelagert oder in Prüfaufträge verpackt. Konzepte zur
Gesundheitsreform, zur Energiepolitik und zum Steuertarif sollen,
einem vertraulichen Zeitplan folgend, Schritt für Schritt präsentiert
werden. Jede Wette, dass vor der NRW-Wahl am 9. Mai höchstens ein
paar weniger aufregende Details ans Licht kommen.
Schwarz-Gelb steht auf dem Prüfstand und vor einer ungewissen
Zukunft, in Berlin wie in Düsseldorf. Es hilft der Koalition nicht,
wenn die Union unverblümt die Regierungsfähigkeit der FDP in Zweifel
zieht. Eine auf diese Weise herabgesetzte Partei wird nie ein
verlässlicher und berechenbarer Partner. Den liberalen Junior mürbe
und den Grünen schöne Augen zu machen - das läuft nicht, Frau Merkel.

Originaltext: Südwest Presse
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/59110
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_59110.rss2

Pressekontakt:
Südwest Presse
Lothar Tolks
Telefon: 0731/156218


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