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WAZ: Streit in der Koalition - Das Armutszeugnis - Leitartikel von Miguel Sanches

Geschrieben am 25-02-2010

Essen (ots) - Ach, unser täglicher Guido Westerwelle. So schädlich
ist die Debatte, die er angezettelt hat, nun auch wieder nicht.
Schlimm wäre nur, wenn sie folgenlos bliebe - und in ein paar Wochen
oder Monaten würde dann die nächste Sau durchs Dorf gejagt.

Wenn der FDP-Chef über Hartz IV reden will, bitte schön! Sprechen
wir über Regelsätze, das Karlsruher Urteil, über Alleinerziehende in
Not, über die 2,4 Millionen Kinder in und am Rande der Armut. Oder
über Hinzuverdienstgrenzen und derlei Sperriges. Im Sozialstaat sind
mit Sicherheit noch große Effizienzreserven. Aber um in der Debatte
zu bestehen, muss einer sich gut auskennen: Stellschrauben,
Sachzwänge, die Wechselwirkungen. Westerwelle hat geredet, ohne ein
Konzept in der Schublade zu haben. Es ist nicht neu, dass einer vor
allem auf die Lufthoheit bedacht ist. Wer in der Politik sollte den
ersten Stein werfen? Erstaunlicher ist, dass ihm das keiner
durchgehen lässt, seine Koalitionspartner schon gar nicht. So kommt
er Merkel nicht davon. In der Koalitionsrunde wurde ihm das
Einmaleins der Sozialpolitik vorgerechnet. Der Umgang verrät: Sie
vermissen bei Westerwelle Substanz.

Sachkonflikte gibt es in jeder Koalition, ebenso kantige Leute.
Das einzige Alarmzeichen ist, dass Merkel und Westerwelle öffentlich,
in Interviews und Beiträgen, miteinander streiten. Wenn es in einer
Koalition Mitglieder gibt, die nicht über, sondern miteinander re-den
sollten, dann die Kanzlerin und ihr Vize. Wenn sie sich offen
streiten, brennt die Luft.

Dabei wird die FDP auch gelinkt. Bei einigen Fragen fordert sie
bloß, was im Koalitionsvertrag vereinbart ist. Das gilt für die
Atom-, die Steuerfrage, und die Kopfpauschale ist auch keine fixe
Idee der FDP. Die Union hat den Vertrag unterschrieben, aber sich
vorgenommen, den Liberalen alle Zähne zu ziehen. So entsteht kein
Vertrauen, kein Respekt, keine Kollegialität. Kollegial wäre, wenn
man zur Seite steht, wenn der Partner sich verrannt hat. Nicht
kollegial ist insbesondere, wenn das Rolltor bei jeder FDP-Initiative
gleich ge-schlossen wird. Man könnte meinen, Union und FDP würden
seit vier Jahren regieren und hätten sich satt. Es sind nur vier
Monate gewesen.

Westerwelle hat freilich in der Sozialstaats-Debatte auch einen
kapitalen Bock geschossen. Die SPD sollte ihn zum Mitarbeiter des
Monats erklären. Das Karlsruher Urteil sollte SPD und Grüne zu denken
geben. Sie haben mit Hartz eine Reform durchgesetzt, die einer
Prüfung nicht standhielt. Die Genossen müssten ob des Urteils rot
werden, wenn Westerwelle nicht dazwischen gekommen wäre mit seiner
spätrömischen Dekadenz.

Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2

Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-6528
zentralredaktion@waz.de


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