(Registrieren)

Politiker-Dienstwagen: Zwischen erwachendem Klimabewusstsein und "Rent-a-Rüttgers"

Geschrieben am 25-02-2010

Berlin (ots) -

- Querverweis: Dokumente liegen in der digitalen
Pressemappe zum Download vor und sind unter
http://www.presseportal.de/dokumente abrufbar -

Vierte Dienstwagen-Erhebung der Deutschen Umwelthilfe zeigt beim
Spritverbrauch einiger Spitzenpolitiker langsame Forschritte -
Rüttgers legt Klimadaten seines 450-PS-Audi erst nach
Gerichtsentscheid offen - Hessen vorn: Ministerpräsident Koch mit 348
Gramm CO2 pro Kilometer an der Spitze des Klimakiller-Rankings - DUH
fordert Kabinettsbeschlüsse zur Begrenzung der CO2-Emission der
Regierungslimousinen nach Vorbild des Bundestags - Rabattregelungen
bei Kauf und Leasing von Regierungsdienstwagen müssen offengelegt
werden - Spitzenpolitiker dürfen nicht länger als "Werbeträger" für
Autohersteller auftreten

Deutsche Spitzenpolitiker sind nach wie vor weit davon entfernt,
mit ihren Dienstlimousinen Millionen einfachen Dienstwagen-Nutzern
als Vorbilder beim Klimaschutz zu dienen. Immer noch ist das Problem
der Übermotorisierung und der damit einhergehenden hohen
CO2-Emissionen nicht überwunden. Völlig unbeeindruckt von der
Klimadebatte zeigen sich die Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers
(NRW) und Roland Koch (Hessen). Auf der anderen Seite entscheidet
sich aber auch eine zunehmende Zahl von Ministern bewusst für
"zeitgemäße" Fahrzeuge, die den Klimaschutz-Zielvorgaben der EU
entsprechen oder doch näher kommen als in früheren Jahren. Das sind
die zentralen Ergebnisse der jüngst von der Deutschen Umwelthilfe e.
V. (DUH) zum vierten Mal erhobenen Untersuchung der
Klimaverträglichkeit von Politiker-Dienstwagen.

"Das Schaufahren im Auftrag der Automobilindustrie gegen den
Klimaschutz hält leider bei den meisten Spitzenpolitikern an.
Erfreulicherweise erkennen aber inzwischen auch einige ihre
Vorbildrolle und rüsten bei der Motorisierung der Dienst-Limousinen
deutlich ab", sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Auf
Bundesebene lassen sich die beiden FDP-Minister Rainer Brüderle und
Philipp Rösler mit den klimaschädlichsten Dienstwagen chauffieren.
Wirtschaftsminister Brüderle will jedoch in Kürze auf einen Mercedes
E220 CDI umsteigen, der mit 144g CO2/km die Forderung der DUH nach
Dienstfahrzeugen mit nicht mehr als 140g CO2/km fast erfüllt. (Nicht
berücksichtigt werden bei der Erhebung gepanzerte und deshalb
außergewöhnlich schwere Fahrzeuge, wie die der Bundeskanzlerin und
einiger Fachminister).

Unter den Ministerpräsidenten der Bundesländer fiel insbesondere
die Hartleibigkeit auf, mit der sie mehrheitlich die Bitten der DUH
um Auskunft über die CO2-Emissionen ihrer Dienstlimousinen
blockierten. Neun von 16 Regierungschefs blieben die Antworten
schuldig und müssen nun damit rechnen, dass die DUH sie, wie im
vergangenen Jahr schon den nordrhein-westfälischen
Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU), gerichtlich zwingt, ihren
gesetzlichen Auskunftspflichten nachzukommen. Rüttgers hatte
jahrelang mit teils bizarren Argumenten - die Sicherheit "bedeutsamer
Schutzgüter" (gemeint war er selbst) erlaube es nicht, die
Informationen herauszugeben - die Auskunft verweigert. Schließlich
zwang ihn im vergangenen Herbst das Verwaltungsgericht Düsseldorf,
die Klimadaten seines Dienstwagens offenzulegen. Die Richter
forderten Rüttgers mit ihrem Beschluss auf, DUH-Geschäftsführer Resch
den Modellnamen, die Höchstgeschwindigkeit und CO2-Emissionen seiner
Dienstlimousine zu nennen.

Im Nachhinein wurde klar, warum der Ministerpräsident in
Düsseldorf sich lange geziert hatte: Nach dem hessischen
Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU), der unter den Auskunft
gebenden Regierungschefs den Spitzenplatz einnimmt (348g CO2/km, VW
Phaeton), liegt Rüttgers mit seinem Dickschiff, einem Audi A8 W12
quattro Langversion mit 324g CO2/km, auf Platz zwei der
Klimakiller-Limousinen. Der Audi mit 450 PS wird bei Tempo 250 km/h
elektronisch abgeregelt und verbraucht im Stadtverkehr 20,1 Liter
Benzin. "Die Motorleistung dieser Straßenpanzer reicht aus, um die
schwersten in Deutschland zugelassenen Lkw mit 40 Tonnen
Gesamtgewicht jede Autobahnsteigung hinaufzubewegen", sagte Resch.

Der DUH-Geschäftsführer wies darauf hin, dass die Haushalte von
Bund und Ländern durchweg nur moderate Maximalpreise für die
Anschaffung von Dienstlimousinen ausweisen. Diese Vorschriften werden
aber in der Realität durch opulente Rabatte der Autohersteller
ausgehebelt. Die DUH fordert daher ihre Begrenzung und Offenlegung.
"Es ist ein Skandal, dass die Autohersteller bei Kaufpreisen oder
Leasingraten für Dienstfahrzeuge von Spitzenpolitikern Rabatte von
bis zu 70 Prozent gewähren. Nach Auffassung der DUH sind derartige
Vergünstigungen nichts anderes als ein verdecktes Sponsoring." Die
Autohersteller spekulieren auf den Werbeeffekt, wenn jeden Abend im
Fernsehen führende Politiker in der Tagesschau aus den entsprechenden
Premium-Limousinen steigen. Resch forderte eine Überprüfung dieser
nach Ansicht der DUH rechtswidrigen Praxis: "Ministerpräsidenten als
Werbeträger für Klimakiller-Dienstwagen passen nicht mehr in die
heutige Zeit. Auch an diesem Punkt ist eine 'Rent-a-Rüttgers'-Debatte
lange überfällig".

Positive Beispiele für den Klimaschutz sucht man unter den
Ministerpräsidenten vergeblich. Dass es allerdings auch anders als in
Hessen und Nordrhein-Westfalen geht, bewiesen die Regierungschefs
Christine Lieberknecht (Thüringen, 180g CO2/km, BMW 730Ld), Wolfgang
Böhmer (Sachsen-Anhalt, dito), Ole von Beust (Hamburg, 188g CO2/km,
Mercedes Benz E 350 Blue Tech) und Peter Müller (Saarland, 191g
CO2/km, Mercedes Benz S400 Blue Hybrid).

Drei positive Beispiele finden sich auch unter den Umweltministern
und Senatorinnen der Länder. Sie erfüllen inzwischen die
DUH-Forderung nach spritsparenden Dienstwagen mit maximal 140g CO2/km
und unterschreiten diese Werte sogar deutlich: Katrin Lompscher
(Berlin, 92g CO2/km, Toyota Prius Hybrid), Anja Hajduk (Hamburg,
dito), Simone Peter (Saarland, 118g CO2/km, VW Passat Blue Motion).
Umweltsenator Reinhard Loske (Bremen, 144g CO2/km, Mercedes Benz E
250 CDI Blue Efficiency) verfehlt diesen Wert nur knapp. Doch gibt es
auch unter den Länderumweltministern solche, die die Zeichen der Zeit
nicht erkannt haben. So hat die neue Umweltministerin Anita Tack (Die
Linke) in Brandenburg den bisherigen Dienstwagen BMW 530d (170g
CO2/km) ihres Vorgängers durch einen Audi A8 3.0 TDI (224g CO2/km)
ersetzt und so ihre CO2-Bilanz um 20 Prozent verschlechtert.

DUH-Projektleiterin Barbara Göppel monierte, dass "trotz einiger
Fortschritte im Detail deutsche Spitzenpolitiker insgesamt immer noch
mit übermotorisierten Klimakiller-Pkw herumfahren". So hätten sich
die Durchschnittsverbräuche der Dienstlimousinen des Bundeskabinetts
von 2008 auf 2009 nur um 3,4 Prozent vermindert und von 2009 auf 2010
um 9,3 Prozent. Der aktuelle Wert sei immer noch viel zu hoch und
liege weit über den Zielwerten der entsprechenden, 2008
verabschiedeten EU-Richtlinie. Es sehe so aus, als würden die
Hersteller inzwischen mehrgleisig fahren und Politiker auch gezielt
mit Öko-Angeboten anlocken. Das sei zwar erfreulich: "Aber ich
wünsche mir, dass Politiker spritsparende Dienstwagen von sich aus
verlangen und so eine aktive Rolle spielen bei der Modellabrüstung im
Dienstwagensektor".

Resch betonte, dass es bei der heute zum vierten Mal vorgestellten
Erhebung der DUH nicht um die absoluten Werte der CO2-Emissionen
einer überschaubaren Zahl von Politiker-Dienstwagen gehe, sondern um
deren Vorbildfunktion. Mehr als die Hälfte der in Deutschland neu
zugelassenen Pkw seien derzeit Dienst- oder Firmenwagen. Viele
private Autokäufer, vor allem aber die Dienstwagenkunden orientieren
sich an den übermotorisierten Politiker-Limousinen.

Resch forderte Bundeskabinett und Landesregierungen deshalb auf,
gerade nach dem Scheitern der Weltklimakonferenz von Kopenhagen ein
Zeichen zu setzen und zu beschließen, dass zukünftig kein Dienstwagen
eines Spitzenpolitikers noch mehr als 140g CO2/km emittieren darf.
Dabei müsse kein Politiker auf einen VW Lupo umsteigen.
Zwischenzeitlich bieten praktisch alle deutschen Autohersteller
"ministertaugliche" Limousinen mit CO2-optimierten Antrieben unter
140g CO2/km an. Einen entsprechenden Beschluss hatte der Deutsche
Bundestag schon im April 2009 für seine Fahrbereitschaft gefasst.

Originaltext: Deutsche Umwelthilfe e.V.
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/22521
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_22521.rss2

Pressekontakt:
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer, Hackescher Markt 4,
10178 Berlin; Mobil.: 0171 3649170, Fax.: 030 2400867-19,
E-Mail: resch@duh.de

Barbara Göppel , Projektleiterin, Hackescher Markt 4, 10178 Berlin,
Tel.: 030 24008674, Mobil.:01707686923, Fax: 030 2400 867-19,
E-Mail: goeppel@duh.de

Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik, Hackescher Markt 4,
10178 Berlin; Tel.: 030 24008670, Mobil: 01715660577,
E-Mail: rosenkranz@duh.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

253654

weitere Artikel:
  • Jan van Aken: Pressestatement zum Kundus-Untersuchungsausschuss Berlin (ots) - Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, im Untersuchungsausschuss des Bundestags zum Bombenangriff von Kundus wird heute ein deutscher Fliegerleitoffizier mit dem Codenamen «Red Baron» Rede und Antwort. Über aktuelle Positionen der Fraktion DIE LINKE zu diesem Thema möchte Sie Jan van Aken, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion und Mitglied im Untersuchungsausschuss, nach der Sitzung informieren. Pressestatement mit Jan van Aken 25.02.2010, 16.15 Uhr Reichstag, Fraktionsebene, vor dem Clara-Zetkin-Saal mehr...

  • Götz: Wollen nachhaltig positive Entwicklung des Immobiliensektors Berlin (ots) - Anlässlich der Debatte des Deutschen Bundestages über die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in Deutschland erklärt der kommunalpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktionen, Peter Götz MdB: Der Bericht unterstreicht die große ökonomische Bedeutung der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft an der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung in unserem Land. Wir haben in Deutschland - wenn auch sehr differenziert - einen intakten Immobilienmarkt. Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern um uns herum gehen von der Wohnungs- mehr...

  • Straubinger: Trotz Krise robuster Arbeitsmarkt Berlin (ots) - Zu den heute veröffentlichten Arbeitsmarktzahlen erklärt der arbeitsmarktpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, Max Straubinger: Die schwerste internationale Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten ist auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland weiterhin kaum zu spüren. Die Arbeitslosigkeit ist lediglich im jahreszeitlich üblichen Umfang gestiegen. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung hat nach vorläufigen Daten der Bundesagentur für Arbeit, die bis Dezember 2009 reichen, sogar wieder um 47.000 mehr...

  • N24-EMNID-UMFRAGE: Mehrheit der Deutschen findet Käßmann-Rücktritt falsch Berlin (ots) - 25. Februar 2010. Die Mehrheit der Deutschen hält den Rücktritt Margot Käßmanns von allen leitenden Kirchenämtern für falsch. In einer N24/emnid-Umfrage sagten 52 Prozent der Befragten, Käßmanns Entscheidung sei falsch. Nur 45 Prozent halten ihren Rücktritt für richtig. Bei den über 50-jährigen fällt die Einschätzung allerdings anders aus. 53 Prozent der Älteren halten den Rücktritt für richtig, nur 47 Prozent finden ihn falsch. Die Mehrheit der Deutschen (55 Prozent)glaubt, dass Margot Käßmanns persönliches Ansehen beschädigt mehr...

  • Solarstrom-Magazin PHOTON: Koalitionskompromiss zur EEG-Novelle verteuert künftige Solarstromerzeugung Aachen (ots) - Anne Kreutzmann, Chefredakteurin des Solarstrom-Magazins PHOTON, erklärt zum Verhandlungsergebnis des Koalitionsausschusses: "Der nun verhandelte Kompromiss der Regierungsparteien zur Solarstromförderung im Erneuerbare-Energien-Gesetzes geht grundsätzlich in die richtige Richtung, enthält aber mit dem Ausschluss von Ackerflächen sowie der Eigenverbrauchsregelung zwei Fehlsteuerungen, welche Solarstrom unnötig verteuern und damit den Ausbau der Photovoltaik in Deutschland langfristig gefährden." Der Ausschluss der mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht