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Berliner Morgenpost: Zum Schnäppchenpreis in die Grauzone der Macht - Kommentar

Geschrieben am 21-02-2010

Berlin (ots) - Jetzt mal ehrlich: 6000 Euro für ein persönliches
Gespräch mit Deutschlands wichtigstem Ministerpräsidenten, das ist
doch ein Schnäppchenpreis. Zu diesem Tarif will oder vielmehr wollte
die CDU in Nordrhein-Westfalen ihren Chef auf dem Parteitag in
Münster vermieten. Fototermin wäre auch dabei, für die
Firmen-Website, Lokalzeitung oder die nächsten Weihnachtskarten.
Der herzliche Dank aller um Transparenz bemühten Demokraten geht an
den Düsseldorfer Landesverband der Union. Ganz offen haben die
Parteistrategen den Ministerpräsidenten feilgeboten und damit
dargelegt, was in der Politik ein ziemlich normaler, wenn auch
weithin beschwiegener Vorgang ist: Ja, Politiker sind gegen Geld für
ein Gespräch zu gewinnen. Übrigens nicht nur Konservative, sondern
Vertreter nahezu aller Parteien.
Das Geld, so viel Fairness muss sein, geht allerdings nicht in die
eigene Tasche, sondern stützt die notorisch klammen Organisationen.
Es gilt die Regel: Kohle ist Chefsache - wer eine Partei führen will,
muss auch für die Betriebsmittel sorgen. Insofern ist Spendenbesorge
nichts anderes als praktische Machtpolitik.
Gerade in Wahlkampfzeiten brauchen Parteien Bares. Doch sie stecken
in einem Dilemma: Da sind die immer wieder verschärften Regeln zur
Parteienfinanzierung, zugleich schwinden zahlende Mitglieder. Reklame
muss eingekauft werden. Kampagnen kosten Millionen, seien es die
Plakate, Fernsehspots, Kundgebungen mit Konfetti-Regen und
Luftballons.
Weil in Deutschland Konsens darüber herrscht, dass man über Geld in
der Politik entweder überhaupt nicht oder nur abfällig redet, sind
Parteien gezwungen, unorthodoxe Quellen anzuzapfen. Beliebt im
letzten Bundestagswahlkampf war das aus den USA bekannte
Fundraising-Dinner. Ein Abendessen mit der Kanzlerin oder ihrem
mutmaßlichen Partner Westerwelle kostete jeden Teilnehmer etliche
tausend Euro, dafür gab dann ein es Menu, einen durchschnittlichen
Vortrag und nachher noch Gelegenheit zum Plausch.
Die erste Frage: Selbst wenn ein Wirtschaftsboss bei einem solchen
Abendessen seine Wünsche loswird - werden sie hinterher auch erfüllt?
Nicht auszuschließen, dass Deutschlands Energiekonzerne ihre
Investitionen in Abendessen inzwischen bereuen. Zweite Frage: Was
geschieht mit dem Geld? Wer sammelt ein, führt Buch, verwendet es? Es
wäre eine spannende Aufgabe für den Bundestagspräsidenten zu
ermitteln, wie viele Großplakate eine Partei aufgestellt hat und wie
viele davon tatsächlich aus der Parteikasse bezahlt worden sind.
Dritte und wichtigste Frage: Ab welchem Betrag ist ein Politiker
bereit, Gefälligkeitsentscheidungen zu treffen? Reichen 6000 Euro,
oder sollte es doch lieber eine Million sein?
Das Beispiel Rüttgers zeigt: Die Parteienfinanzierung in Deutschland
verharrt in einer Grauzone. Und jede neue Regel verdichtet den Nebel
noch. Transparenz wäre wünschenswert, wird aber eine Illusion
bleiben: Denn darüber müssten Parteien entscheiden.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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