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Berliner Morgenpost: Die zwei Gesichter des Rechtsstaats - Leitartikel

Geschrieben am 22-01-2010

Berlin (ots) - Die Richter kannten keine Nachsicht. Endlich
einmal, möchte man in Berlin hinzufügen. Mit dem Urteil
"lebenslänglich" für den feigen Briefkastenbomber Peter J. sind nicht
wie so oft mildernde Umstände aus der Jugendzeit des Täters in das
Strafmaß eingeflossen. Es tut gut, dass dem Opfer mit der
Höchststrafe für seinen Peiniger auch gefühlte juristische
Gerechtigkeit widerfährt. Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig,
weil die Verteidigung offensichtlich Revision einlegen will. Das ist
ihr gutes Recht im Rechtsstaat. Dieser aber hat zumindest in diesem
Fall Mut bewiesen. Im Urteil wie in dessen Begründung haben die
Richter das Opfer so gewürdigt, wie es die Hinterhältigkeit der Tat
verlangt.
Zwölf Jahre war Charlyn jung, als der eiskalt geplante Mordversuch
sie traf und ihr Leben für immer grundlegend veränderte. Ein Wunder,
dass sie überhaupt überlebt hat. Eine ganze Stadt hat tagelang um sie
gebangt und gezittert. Ärztliche Kunst hat ihr das Leben wieder
geschenkt. Allerdings eines mit schweren Behinderungen und Traumata.
Wenn nicht in diesem Fall, wenn nicht für die Zerstörung des
Lebenstraums von Charlyn die Höchststrafe - wann dann? Zu oft werden
in Deutschlands Gerichtssälen die Opfer der Angeklagten
hintangestellt. Möge die Verurteilung von Peter J. zu lebenslanger
Haft auch im Revisionsverfahren Bestand haben.
Ein gerechtes Urteil hat nicht allein die Tat des Angeklagten ins
Kalkül zu ziehen, sondern auch die Leiden des Opfers. Anderenfalls
verliert der Rechtsstaat bei den Bürgern an Respekt und Anerkennung.
Darum müssen in einem ganz anderen Fall andere Berliner
Ordnungsbehörden bangen. Wie die mit der Observierung eines aus der
Haft entlassenen, aber weiter als gefährlich eingestuften und prompt
rückfälligen Sexualstraftäters umgegangen sind, grenzt an
Verantwortungslosigkeit. Mag eine dauerhafte Überwachung rechtswidrig
sein, die Nachbarschaft auch mehrfach vor dem potenziellen Täter
gewarnt worden sein, das soziale Wohnumfeld zu den eher schwierigen
zählen, oder mag es zahlenmäßig an qualifiziertem Personal für
Führungsaufsicht und Kontrolle des als Serientäter bekannten Uwe K.
gemangelt haben - es zeigt ein skandalöses Desinteresse, wenn ein als
tickende Zeitbombe entlassener Kinderschänder seit Ende 2007 an nur
32 Tagen observiert wurde. Gerade wenn es um Kinder geht, können sich
die Behörden aus ihrem Zu-wenig-Tun nicht glaubwürdig herausreden.
Das Umfeld mag noch so problematisch sein - Kinder sind gerade dort
besonders zu beschützen, damit sie keine Opfer werden.
Die Berliner erleben in diesen Tagen ein Wechselbad der Gefühle.
Befriedigung darüber, dass einen Täter die volle Härte des
Rechtsstaats trifft, Empörung darüber, dass ein anderer die Schwächen
des Rechtsstaats zu neuen Untaten missbrauchen kann. Die Hoffnung
über den Tag hinaus: Werdet immer auch den Opfern gerecht; denen, die
es geworden sind wie denen, denen Gewalt droht.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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