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Südwest Presse: Kommentar zur Terrorabwehr

Geschrieben am 21-01-2010

Ulm (ots) - Amsterdam - Newark - München. Könnten Pannen fliegen,
sie hätten in den vergangenen vier Wochen diese Route genommen. Erst
steigt ein Nigerianer in Amsterdam mit Sprengstoff im Gepäck
unbehelligt um, weil keine Spürhunde vor Ort sind. Dann umgeht ein
Mann in Newark lässig eine Absperrung, um seine Freundin schneller
begrüßen zu können. Und in München verschwinden ein Mann und sein
Laptop spurlos. In allen Fällen greift niemand ein. Weil
Sicherheitspersonal fehlt? Weil es überfordert ist? Weil es schlecht
ausgebildet ist?
Fragen, die sich aufdrängen, auf die es bisher keine Antwort gibt und
wohl in absehbarer Zeit auch nicht geben wird. Denn anstatt sich
dieser im wahrsten Sinn des Wortes bodenständigen Probleme
anzunehmen, beraten die politisch Verantwortlichen bevorzugt über
hochfliegende Themen wie die Weitergabe von Fluggastdaten oder - so
erst gestern beim Treffen der EU-Innenminister im spanischen Toledo -
die Einführung der umstrittenen Nacktscanner. Fliegen soll so
sicherer werden - oder bei den Passagieren zumindest ein Gefühl der
Sicherheit erzeugen. Denn mehr ist nicht möglich, will man den
Luftverkehr noch massentauglich erhalten und nicht zeitraubend jeden
Passagier persönlich und von Hand bis auf die Unterhose inspizieren.
Nervosität, Hektik und Aktionismus bestimmen das Bild aller
Sicherheitsdebatten. Der Flughafen indessen ist zum Sinnbild für
dieses Denken geworden - nicht nur, weil die Attentäter des 11.
September 2001 Passagiermaschinen für ihren Angriff benutzen. Denn
die Angst fliegt mit, seit es das Flugzeug gibt. Ging es einst um
technische Probleme und schlecht gewartete Maschinen, ist es heute
die gefühlte Bedrohung durch finstere Elemente, die die Menschen
beunruhigt, sobald der Boden entschwindet und die Wolken näherkommen.
Reisen mit Bahn und Auto sind statistisch gesehen gefährlicher, doch
wer fliegt, braucht Vertrauen - und fordert stattdessen Sicherheit.
Die Praxis sieht anders aus, als sie sich Sicherheitspolitiker gern
vor- und der Bevölkerung darstellen. Und die Diskussion dreht sich
möglicherweise um die falschen Themen. Raffinierte Neuerungen wie
Nacktscanner und die insbesondere auf Druck der USA angelegten
gewaltigen Datensammlungen, mit deren Hilfe verdächtige Passagiere
aus der breiten Masse der Fluggäste herausgefiltert werden sollen,
beflügeln allenfalls das trügerische Bewusstsein, allzeit be- und
überwacht zu werden. Dass dies ein Mehr an Sicherheit schafft, darf
bezweifelt werden. Das zeigen die jüngsten Beispiele, in denen ein
Verbrecher an Bord kam und harmlose Passagiere Chaos auslösten, weil
sie die Sicherheitskräfte mutmaßlich ohne böse Absicht irritierten.
Technische Aufrüstung mag die Bevölkerung beruhigen, mehr als ein
weiteres zweifelhaftes Signal in einer zur Symbolpolitik verkommenen
Diskussion ist sie nicht. Stattdessen birgt sie die Gefahr, dass sich
die Verantwortlichen zurücklehnen im Glauben, etwas getan zu haben
und aus den Augen verlieren, wo sich ansetzen ließe: Beim Blick auf
den Boden, dorthin also, wo - wie Militärs zu sagen pflegen - der
Krieg gewonnen wird.
Ein Lösungsansatz wäre stärkere Präsenz geschulter Kräfte. Der
Polizei deutlich mehr Personal für die Flughäfen zuzugestehen, würde
jedoch ebenso Geld kosten wie eine Aufstockung privater Kräfte.
Ersteres belastet den Haushalt, Letzteres würde am Ende über Gebühren
auf die Fluggäste abgewälzt. Doch wer aus der sicherheitspolitischen
Sackgasse will, muss erkennen, dass dies nicht umsonst zu haben ist.
Mit Ministerrunden, neuen Gesetzen und dem Glauben an überlegene
Technik ebenso öffentlichkeitswirksam wie billig durchzustarten, ist
Selbstbetrug.

Originaltext: Südwest Presse
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/59110
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_59110.rss2

Pressekontakt:
Südwest Presse
Lothar Tolks
Telefon: 0731/156218


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