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Berliner Morgenpost: Merkels Kritiker sind vorerst verstummt - Leitartikel

Geschrieben am 15-01-2010

Berlin (ots) - Es ist wieder so gekommen, wie es bei der CDU immer
endet, wenn vor einem wichtigen Strategietreffen die Kritik aus den
eigenen Reihen am Erscheinungsbild der Partei und deren Vorsitzender
besonders laut war. Angela Merkel, die so heftig Gescholtene, hat die
gestrige Vorstandssitzung als strahlende Siegerin verlassen. Die von
ihr entworfene und einstimmig beschlossene "Berliner Erklärung" soll
die Richtung weisen, nach der Partei und Öffentlichkeit seit
Dienstantritt der christlich-liberalen Regierung vergeblich suchen.
Mit der Fokussierung auf die Zukunft ist es Angela Merkel dabei
einmal mehr gelungen, den trüben Blick zurück zu meiden. Wie schon
nach der Bundestagwahl 2005 drückte sich die CDU-Führung gestern um
eine schonungslose Analyse des noch schlechteren Ergebnisses von
2009. Angela Merkel ist für beide Wahlenttäuschungen verantwortlich.
Aber solange sie für die Union die Kanzlerschaft rettet, murrt die
Partei allenfalls. Zur offenen Aussprache über den schwer
angeschlagenen Seelenzustand der von ihr per Ratio gesteuerten Partei
reicht der Mut ihrer Kritiker nicht. Weil Angela Merkel derzeit
konkurrenzlos ist.
Was sie mit der Partei weiter vorhat, gleicht einem gewaltigen
Spagat. Um aus dem Etwas-über-30-Prozent-Tal wieder aufzusteigen,
will Merkel die CDU weiter öffnen. Dabei ist das Ziel prinzipiell
richtig, die Partei verstärkt wählbar zu machen für desillusionierte
SPD-Wähler wie für eher zu den Grünen tendierende Umwelt- und
Klimaschützer - und zugleich noch Pendler von der FDP zurückzuholen.
Angesichts einer sich zu größerer Offenheit und Liberalität hin
verändernden Gesellschaft ist mit konservativer Strenge die
Vierzigprozentmarke nicht mehr zu überspringen. Zudem verpflichtet
das "C" im Parteinamen, sich nicht nur als Volkspartei zu verstehen,
sondern sich auch um alle Schichten des Volkes zu kümmern und sie für
den eigenen Glauben zu gewinnen.
Allerdings, und das haben die Tage vor dem jüngsten Hochamt für Frau
Merkel auch deutlich gemacht, beinhaltet ein solcher Spagat ein hohes
Risiko. Dann nämlich, wenn der politische Kern, das Wertesystem der
Partei sich durch die Öffnungspolitik hin zur linken Mitte mehr und
mehr verflüchtigt. Eine solche Unverbindlichkeit würde die
Stammwählerschaft weiter dezimieren, die angepeilten neuen Wähler
andererseits kaum überzeugen. Deshalb muss die grundsätzliche
Offenheit gegenüber den Veränderungen in der Gesellschaft mit
konkreten Positionen in der Sache flankiert werden. Mit den Aussagen
zur Steuerpolitik findet sich in der "Berliner Erklärung" dafür
zumindest ein Ansatz. Ihn weiterzuführen, muss eines von Angela
Merkels Zielen beim morgigen Krisengespräch mit den Chefs von CSU und
FDP sein.
Ihre nächste Bewährungsprobe ist auf den 9. Mai datiert. Wenn an
diesem Tag CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers die Wahl in
Nordrhein-Westfalen verliert, bricht der gerade beendete Streit
wieder auf. Aber auch den wird Frau Merkel mangels personeller
Alternative überstehen.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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