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Deutsche Umwelthilfe zieht Bilanz 2009:Nach Kopenhagen zu Hause handeln

Geschrieben am 22-12-2009

Berlin (ots) - Scheitern von Kopenhagen erfordert mehr denn je
Vorreiterrolle Deutschlands und Europas - EU-Sondergipfel soll
30-Prozent Ziel bis 2020 festschreiben - Bundesregierung muss
angekündigten "Weg ins regenerative Zeitalter" mit Taten untermauern,
statt alte Strukturen zu konservieren - DUH will angesichts der
Enttäuschung von Kopenhagen 2010 verstärkt gegen Vollzugs- und
Umsetzungsdefizit im Klima-, Umwelt- und Verbraucherschutz vorgehen -
Organisation ist auch 2009 weiter gewachsen

Nach dem Scheitern des Klimagipfels von Kopenhagen geraten auch
die nationalen Klimaschutzziele unter Druck. Insbesondere die von der
Bundesregierung gegenüber 1990 angestrebte CO2-Reduktion um 40
Prozent bis 2020 werde von Teilen der Wirtschaft und ihren Verbänden
unter Hinweis auf die "internationale Wettbewerbsfähigkeit" massiv in
Frage gestellt. Das erklärten Rainer Baake und Jürgen Resch, die
Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe e. V. (DUH),
anlässlich ihrer Jahresbilanz und der Vorstellung des
DUH-Jahresberichts 2009 heute in Berlin. Sie forderten die
Bundesregierung auf, den "Pressionen aus den Chefetagen der
Traditionsindustrien jetzt nicht nachzugeben". Es sei angesichts der
Sackgasse, in die die weltweite Klimadiplomatie geraten sei, heute
"wichtiger denn je, dass Deutschland und Europa ihre selbst
beanspruchte Vorreiterrolle im Klimaschutz auch wahrnehmen". Die DUH
forderte, auf einem EU-Sondergipfel im Januar 2010 eine 30-prozentige
CO2-Reduktion bis 2020 zu beschließen und sich gegenüber der UNO auf
dieses Ziel zu verpflichten.

Der Klimagipfel von Kopenhagen sei umfassend gescheitert. Dafür
habe es viele Gründe gegeben, wie z. B. die mangelnde Organisation
der Konferenz und die spezifischen Probleme der Konsensfindung im
UNO-Prozess. Die Ursache und Verantwortung für das Scheitern liege
jedoch vor allem bei den beiden Mächten, die Weltmacht bleiben oder
Weltmacht werden wollen und sich schon jetzt in einer entsprechenden
Konfrontation sähen: Den USA und China.

Die aktuelle Weltmacht USA erhebe den Anspruch auf politische
Führung, verweigere sie jedoch konsequent, wenn es darum gehe, einen
Weg aus der Klimakrise zu weisen, erklärte Baake. Politische Führung
hätte bedeutet, aus der Anerkennung des Zwei-Grad-Ziels Konsequenzen
zu ziehen, statt sich hinter innenpolitischen Zwängen zu verstecken.
Diese seien zwar unübersehbar. Doch wenn die neue Administration die
Durchsetzung ambitionierter Reduktionsziele in den USA für 2020 nicht
für durchsetzbar halte, dann hätte sie glaubwürdig eine
Beschleunigung der Dekarbonisierung für die nachfolgenden Jahrzehnte
anbieten müssen. Auch dies sei nicht geschehen.

China als inzwischen weltgrößter CO2-Emittent mit globalem
Machtanspruch blockiere ähnlich brachial den klimapolitischen
Fortschritt. Statt Lösungen für die Zukunft anzubieten, verstecke
sich die chinesische Führung hinter der unbestrittenen historischen
Verantwortung der traditionellen Industrieländer für das
Klimaproblem. Ohne eine verifizierbare Begrenzung der künftigen
Emissionen Chinas sei jedoch die Einhaltung des Zwei-Grad-Ziels
praktisch aussichtslos.

Deutschland und Europa hätten es in Kopenhagen nicht vermocht,
diese Blockade mit einer strategischen Allianz zwischen willigen
Industriestaaten (z. B. EU und Japan) und der großen Gruppe der
Entwicklungsländer zu durchbrechen. Die selbsternannten Vorreiter
hätten sich kampflos an den Rand drängen lassen.

Im "Copenhagen Accord" sei verabredet worden, dass die
Industriestaaten bis zum 31. Januar 2010 ihre Klimaziele für 2020
quantifizieren. "Wir fordern, dass die EU jetzt ohne Wenn und Aber
eine Reduktion ihrer Emissionen um 30 Prozent zusagt", so Baake. Die
Antwort Europas auf die bislang schwerste Krise im Klimaprozess dürfe
nicht Verzagtheit sein. Baake forderte Kanzlerin Merkel auf, eine
Initiative für einen EU-Sondergipfel im Januar zu starten, auf dem
die EU die notwendigen Beschlüsse fassen müsse.

"Innenpolitisch verlangen wir von der Bundesregierung im
bevorstehenden Jahr 2010 einen konkreten Plan, wie die zugesagte
Reduktion der Treibhausgasemissionen um 40% bis 2020 und von 80 bis
95% bis 2050 konkret umgesetzt werden soll." In Kopenhagen sei
innerhalb der Staatengemeinschaft ein großes Misstrauen entstanden.
Glaubwürdigkeit heiße daher jetzt das Gebot der Stunde. "Wir müssen
beweisen, dass ein Industrieland seine Treibhausgaslast schrittweise
herunterschrauben und seinen Bürgerinnen und Bürgern dennoch oder
gerade deshalb ein gutes Leben bieten kann", so Baake. Das "gute
Leben" ergebe sich nicht aus der rein quantitativen Steigerung des
Bruttoinlandsprodukts; im Kern gehe es heute um qualitatives und
nachhaltiges Wachstum aus dem eine neue Lebensqualität entstehe.

Intelligenter Klimaschutz müsse vom Ziel her denken. So sei nicht
alles, was kurzfristig zur Reduktion von CO2-Emissionen beitrage,
mittelfristig sinnvoll. Zum Beispiel sinke der CO2-Ausstoß zunächst,
wenn ein neues Kohlekraftwerk ein altes gleicher Leistung ersetze.
Gleichzeitig verhinderten diese Investitionen in den langfristigen
Kapitalstock jedoch, dass die zugesagten Klimaziele in den folgenden
Jahrzehnten erreicht werden könnten.

Für die DUH bedeute das Scheitern der Weltklimakonferenz, "dass
der Kampf um den Klimaschutz auf unabsehbare Zeit ein Schwerpunkt
unserer Arbeit bleiben muss", sagte Baake. Wenn heute ein von der CDU
gestellter Bundesumweltminister erkenne, dass es nur mit 100 Prozent
Erneuerbaren Energien gelingen könne, die langfristigen Klimaziele zu
erreichen, "dann brauchen wir einen produktiven Streit über die
Frage, wie wir dieses Ziel in Deutschland auf dem schnellsten Weg
erreichen können". Der Weg ins regenerative Zeitalter führe über
intelligente Stromnetze, neue Speichertechnologien, wesentlich
effizientere Produkte, übergangsweise auch über emissionsarme gut
regelbare Gaskraftwerke. Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke
und neue klimaschädliche Kohlekraftwerke verzögerten und behinderten
dagegen die notwendige Modernisierung der Energiewirtschaft. "Wir
werden der Bundesregierung nicht durchgehen lassen, dass sie
Klimaschutz, Modernisierung und fairen Wettbewerb verspricht, dann
aber Bestandssicherung für marktbeherrschende Unternehmen und
Konservierung alter Industriestrukturen betreibt", sagte Baake.

Resch erklärte, die DUH beobachte "mit großer Sorge, dass in
Deutschland Anspruch und Wirklichkeit beim Umwelt-, beim Klima- aber
auch beim Verbraucherschutz immer weiter auseinander klaffen". Auch
dies mache die Zielerreichung beim Klimaschutz, aber auch bei der
Luftreinhaltung immer schwerer. Dies betreffe Staat und Wirtschaft
gleichermaßen. Einerseits würden von Seiten des Staates immer mehr
Umwelt- oder Klimaschutzregelungen in Gesetze und Verordnungen
gegossen. Unter Unternehmen gehöre es zum guten Ton, sich ein grünes
Mäntelchen umzuhängen. Andererseits würden die Einhaltung und der
Vollzug von Gesetzen und freiwilligen Verpflichtungen immer weniger
kontrolliert.

Wenn Umwelt- und Verbraucherschutzorganisationen wie die DUH sich
bemühten, dieses wachsende Defizit öffentlich zu machen, würden sie
teilweise aktiv behindert. Als Beispiele nannte Resch das zähe Ringen
um Umweltinformationen, die Verbänden und Einzelpersonen gesetzlich
zustehen, die aber regelmäßig erst vor den Gerichten erstritten
werden müssen. So sei es etwa bei der Kontamination von
Fruchtgetränken mit Druckchemikalien erst nach einem jahrelangen Gang
durch alle Gerichtsinstanzen gelungen, aus dem
Verbraucherschutzministerium entsprechende Informationen über die
Belastungen zu erhalten. Immer noch würden das Klima und die
Ozonschicht schädigende Stoffe aus ausrangierten Kühlgeräten nicht
gesetzeskonform entsorgt. Das Ergebnis seien erhebliche
Klimabelastungen, die in keinem Klimabericht auftauchten. Die
Autoindustrie könne den Einbau von Klima schonenden Klimaanlagen in
neue Pkw erst ankündigen und dann verwerfen, ohne dass dies zu einem
scharfen Durchgreifen auf EU- oder nationaler Ebene führe. Die
Einhaltung der Energiesparverordnung im Neubaubereich werde praktisch
nirgends überprüft - ob die mit der Verordnung und entsprechenden
Förderprogrammen erhoffte CO2-Einsparung tatsächlich erreicht würde,
sei deshalb äußerst zweifelhaft.

Resch kündigte an, dass "die DUH im kommenden Jahr 2010 intensiver
und aggressiver gegen diejenigen vorgehen wird, die
Klimaschutzmaßnahmen versprechen und sich dann nicht für den Vollzug
interessieren oder sie systematisch nicht einhalten." Da angesichts
der prekären Situation der öffentlichen Haushalte auch in Zukunft
nicht mit einer stärkeren staatlichen Überwachung von
Umweltschutzanforderungen zu rechnen sei, forderte die DUH für die
Zukunft mehr Unterstützung und Kompetenzen für diejenigen, die in
immer größerem Ausmaß Überwachungs- und Vollzugsaufgaben des Staates
übernehmen.

Auch im vergangenen Jahr 2009 ist die DUH weiter gewachsen.
Insbesondere die Abteilungen Verkehr/Luftreinhaltung und
Energie/Klimaschutz konnten ausgebaut und die Aktivitäten der DUH auf
diesen Feldern weiter verstärkt werden. Die Deutsche Umwelthilfe
fühlt sich deshalb gut gerüstet, ihre Arbeit für Umwelt- und
Verbraucherschutz im Jahr 2010 mit noch größerer Intensität
fortsetzen zu können.

Den federführend von der Sprecherin Politik & Presse der DUH,
Ulrike Fokken, erstellten Jahresbericht 2009 der DUH finden Sie als
PDF unter www.duh.de.

Originaltext: Deutsche Umwelthilfe e.V.
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/22521
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_22521.rss2

Pressekontakt:
Rainer Baake, Bundesgeschäftsführer Deutsche Umwelthilfe e. V.,
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030 2400867-0, 0151 55016943,
baake@duh.de

Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer Deutsche Umwelthilfe e. V.,
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Mobil.: 0171 3649170, resch@duh.de

Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik & Presse, Deutsche Umwelthilfe e.
V., Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030 240086-0, 0171
5660577, rosenkranz@duh.de


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