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Berliner Morgenpost: Therapiestunden in Kopenhagen (Leitartikel)

Geschrieben am 17-12-2009

Berlin (ots) - Wenn die Klimakonferenz von Kopenhagen einen Wert
hatte, dann die Erkenntnis, dass derlei globale Spektakel offenbar
nicht geeignet sind, um globale Probleme zu lösen. Denn in
Wirklichkeit geht es nicht ums Kohlendioxid, sondern um weitaus
irrationalere Ziele. Wie einst bei Olympia werden in Kopenhagen
nationale Eitelkeiten, ökonomische Interessen, aber auch ganz
schlichte, aber umso tiefer reichende emotionale Befindlichkeiten wie
Stolz und Ehre verhandelt. Verständlich, dass auch die kleineren
Gipfelteilnehmer mal in die Weltpresse wollen und allerlei bewegende
Auftritte inszenieren, die allerdings nur eine Folge haben: Sie
bremsen.
Am Ende sind es die beiden Großen, die das unschöne Finale bestreiten
und den Gipfel endgültig planieren, womöglich gar in perfider
Eintracht. Solange die Weltmächte China und die USA noch nicht einmal
gegenseitig akzeptierte und öffentlich überzeugende Rollen gefunden
haben, auf deren Grundlage überhaupt verhandelt werden kann, ist
jedes Gespräch über konkrete künftige Pflichten hinfällig.
Der Welt wird in diesen Kopenhagener Tagen klar: Zuerst geht es um
nationale Interessen - und erst dann ums Klima. Eben dies hat ja auch
die Kanzlerin bestätigt mit ihrer Erklärung, die Deutschen könnten ja
nicht immer Öko-Vorreiter sein, vulgo die gutgläubigen Trottel, die
der eigenen Ökonomie schadeten. Die Länder und Regionen der Welt, das
zeigt Kopenhagen, sind in einem vielfältigen hierarchischen Geflecht
gefangen, wo Vorbehalte und Eitelkeiten, aber auch Komplexe und
schnöde Egoismen herrschen. Solange aber nationale Befindlichkeiten
dominieren, wird jeder Kompromiss in irgendeinem Teil der Welt als
Niederlage interpretiert und folgerichtig torpediert.
Es war ein Fehler, das Treffen von Kopenhagen mit großen
Heilserwartungen zu überfrachten. Der Klimagipfel ist nichts mehr als
eine Übungsstunde für die Weltgemeinschaft. Wie bei einer
Therapiestunde für Schwererziehbare kann es kaum um mehr gehen, als
ein Minimum an Respekt und mithin Gesprächsfähigkeit herzustellen.
Erst auf dieser Grundlage machen Verhandlungen über Zahlen überhaupt
Sinn.
Die Klimarunde erinnert in ihrer hoffnungslosen Festgefahrenheit
durchaus an manchen EU-Gipfel. In Europa zeigt sich im Kleinen, womit
die Welt im Großen zu kämpfen hat: Grenzüberschreitende Probleme
erfordern ganz neue Modelle der Lösung. Es ist eben illusorisch zu
glauben, dass 15000 Delegierte, von denen jeder in der Heimat
gefeiert werden will, auf irgendein nennenswertes gemeinsames
Ergebnis verpflichtet werden könnten.
Globale Probleme erfordern eine neue globale Diplomatie, die eher
abseits großer Bühnen stattfinden muss. Fakt ist: Ohne die USA und
China geht nichts, deswegen müssen sich die beiden Super-CO2-Mächte
zuerst einmal auf Ziele und Wege einigen. Dass die Kanzlerin
angesichts wachsender innenpolitischer Ärgernisse gern als
Klima-Engel aus Kopenhagen zurückkehren würde, ist nachvollziehbar,
aber wenig realistisch. Auch Frau Merkel geht es nur vordergründig
ums Klima, in Wirklichkeit vor allem um irgendeine frohe Botschaft an
sich.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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