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Novellierte Verpackungsverordnung: Bewährungsprobe missglückt

Geschrieben am 14-12-2009

Berlin (ots) - Novelle der Verpackungsverordnung von 2008 verfehlt
ihr Ziel - Statt mehr Transparenz neue Zweifel an Vollständigkeit und
Qualität der Entsorgung - Falschdeklaration von Verkaufsverpackungen
bringen Unternehmen hohe Zusatzgewinne - Wirksame Kontrolle findet
nicht statt - Deutsche Umwelthilfe will Deutschen Industrie- und
Handelskammertag mit Antrag auf Umweltinformation zwingen, Zahlen
über angemeldete Verpackungsmengen zu nennen

Mehr Transparenz über den Verbleib und die Wiederverwertung so
genannter Verkaufsverpackungen sollte sie bringen und
Trittbrettfahrer bei der Entsorgung abschrecken. Doch gut eineinhalb
Jahre nach ihrem Start produziert die fünfte Novelle der
Verpackungsverordnung gleich bei ihrer ersten Bewährungsprobe statt
Transparenz neue Ungereimtheiten: Sie ermöglicht unkontrollierte
Stoffströme und öffnet Schlupflöcher für kreative
Falschdeklarierungen. Eine Kontrolle findet, in aller Regel, nicht
statt. Darauf hat die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) hingewiesen
und gleichzeitig beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag
(DIHK) nach dem Umweltinformationsgesetz Daten über die gemeldeten
Verkaufsverpackungen angefordert.

Im April 2008 hat die Novelle der Verpackungsverordnung etwa 3.000
bis 4.000 Unternehmen, die Verkaufsverpackungen einsetzen,
verpflichtet, jeweils zum 1. Mai bei ihren zuständigen Industrie- und
Handelskammern so genannte Vollständigkeitserklärungen zu
hinterlegen. Die Erklärungen enthalten Angaben zu den von den
Unternehmen für ihre Waren im Vorjahr eingesetzten Verpackungen und
ihrer Entsorgung. Die Angaben sollen von Wirtschaftsprüfern oder
Steuerberatern geprüft werden. Soweit die Theorie.

Ein halbes Jahr nach dem ersten Stichtag (1. Mai 2009) und
eineinhalb Jahre nach der Bekanntmachung der neuen Regelungen steht
nach Überzeugung der DUH fest, dass die Ziele bisher nicht annähernd
erreicht werden. Es hapert an Transparenz, an Kontrolle und
offensichtlich auch an Willen und Möglichkeiten der zuständigen
Behörden, gegenüber "Falschspielern" Sanktionen durchzusetzen.
"Niemand will wissen, wie viele Unternehmen überhaupt eine
Vollständigkeitserklärung abgeben müssen. Und niemand fühlt sich
aufgefordert und in der Lage, die Einhaltung der gesetzlichen
Vorschriften zu den Vollständigkeitserklärungen systematisch zu
kontrollieren", kritisiert DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch.

Als Ergebnis von Informationsbegehren der DUH bei den jeweils
zuständigen Bundesländern stehe zweifelsfrei fest, dass die
Umweltministerien nicht einmal wissen, wie viele Unternehmen in ihrem
Zuständigkeitsbereich verpflichtet sind, Vollständigkeitserklärungen
nach § 10 der novellierten Verpackungsverordnung zu hinterlegen.
Außerdem gehe aus den Antworten auf die nach den jeweiligen
Regelungen zur Umweltinformation gestellten DUH-Anfragen hervor, dass
Kontrollen generell nur anlassbezogen durchgeführt werden. Selbst im
Rahmen anlassbezogener Kontrollen würden die Angaben jedoch nicht auf
inhaltliche Richtigkeit geprüft. Bemerkenswert sei auch, dass die
Länder sich bei den Antworten auf die DUH-Anfragen erkennbar
abgestimmt haben und sogar mit identischen Textbausteinen arbeiteten.

Die Verantwortung für die inhaltliche Prüfung der
Vollständigkeitserklärungen schieben die Bundesländer auf die
beteiligten unabhängigen Wirtschaftsprüfer oder Sachverständigen.
Doch die bescheinigen die Vollständigkeitserklärungen nach Recherchen
der DUH zwar, sie testieren sie aber nicht. Im Klartext bedeutet das,
dass die Prüfer zwar garantieren, dass die vom Hersteller gelieferten
Daten formal richtig in das vorgesehene elektronische Formular
eingetragen wurden - ob die Angaben über die in Verkehr gebrachten
Verpackungsmengen auch mit der Realität übereinstimmen, wird aber im
Wesentlichen nicht überprüft. "Weder wissen die zuständigen
Umweltministerien, wer überhaupt Vollständigkeitserklärungen abgeben
muss, noch gibt es eine Instanz, die die Angaben der verpflichteten
Unternehmen systematisch und inhaltlich kontrolliert", resümiert
Resch. "Unter diesen Umständen sind die Vollständigkeitserklärungen
als Instrument für eine erhöhte Transparenz bei der
Verpackungsentsorgung nutzlos."

Die DUH hat inzwischen wegen der unbefriedigenden Situation bei
Länderministerien nachgefragt, wie viele Verwaltungs- bzw.
Bußgeldverfahren wegen Verstößen gegen § 10 der Verpackungsverordnung
in ihrem Zuständigkeitsbereich eingeleitet worden seien. Des Weiteren
will die DUH wissen, welche Informationen und
Auswertungsmöglichkeiten für eine systematische inhaltliche Kontrolle
der Hinterlegung von Vollständigkeitserklärungen aus Sicht der
Umweltministerien ergriffen werden müssten.

Das Dilemma ist nach Überzeugung der Umwelt- und
Verbraucherschutzorganisation auch entstanden, weil nach den
Regelungen der 5. Novelle der Verpackungsverordnung nur die
zuständigen Länderbehörden auf die Inhalte der hinterlegten
Vollständigkeitserklärungen zugreifen können - und nicht auch, wie
die DUH gefordert hatte, Umwelt- und klageberechtigte
Verbraucherschutzverbände. Auch auf der Internet-Plattform des DIHK
wird die Öffentlichkeit ausschließlich darüber informiert, welche
Unternehmen eine Vollständigkeitserklärung abgegeben haben. Welche
Verpackungsmengen sich hinter den Vollständigkeitserklärungen
verbergen, bleibt der Öffentlichkeit verborgen. Bisherige Versuche,
diese Informationen vom DIHK zu erlangen, wurden abgelehnt.

Durch eine missbräuchliche Auslegung der Verpackungsverordnung
können die Unternehmen Entsorgungs- und Recyclingkosten in
Millionenhöhe sparen (s. PM vom 20.10.2009 unter
http://www.duh.de/pressemitteilung.html?&tx_ttnews[tt_news]=
1972). Praktizierte Falsch- und Umdeklarationen gehen dabei
regelmäßig zulasten einer qualitativ hochwertigen Entsorgung. "Es ist
ärgerlich aber leider eine Realität, dass gewinnorientierte
Unternehmen sich auch bei der Verpackungsentsorgung nicht in die
Karten gucken lassen wollen. Dass sich aber der DIHK als
eingetragener Verein, der öffentliche Aufgaben wahrnimmt, ebenfalls
standhaft weigert, Informationen von öffentlichem Interesse
herauszugeben, ist inakzeptabel", kritisiert Maria Elander, Leiterin
Kreislaufwirtschaft bei der DUH. In einem an den DIHK-Präsidenten,
Prof. Dr. Hans Heinrich Driftmann, gerichteten Antrag nach dem
Umweltinformationsgesetz begehrt die DUH nun unter anderem Auskunft
über die Anzahl rechtzeitig und verspätet eingereichter
Vollständigkeitserklärungen sowie über die darin angemeldeten
Verpackungsmengen.

Hintergrund

Nach der 5. Novelle der Verpackungsverordnung müssen Unternehmen,
die Verkaufsverpackungen einsetzen, jährlich zum 1. Mai bei den
örtlich zuständigen Industrie- und Handelskammern so genannte
Vollständigkeitserklärungen hinterlegen. Die Erklärungen beinhalten
von externen Dritten wie Wirtschaftsprüfern oder Steuerberatern
geprüfte Angaben zu den jeweils von den Unternehmen für ihre Waren im
Vorjahr eingesetzten Verpackungen und ihrer Entsorgung.

Die DUH hatte am 1. Oktober im Rahmen einer Stichprobe 44
Unternehmen angemahnt, zu begründen, warum sie bis zu diesem
Zeitpunkt ihre Vollständigkeitserklärungen noch nicht hinterlegt
hatten und das Versäumte ggf. unverzüglich nachzuholen. Außerdem
wurden die Umweltministerien der Länder über mögliche
Gesetzesverstöße informiert und zur Überprüfung und Ahndung
aufgefordert. Bis zum 10. Dezember hatten 27 der angemahnten
Unternehmen eine Vollständigkeitserklärung nachgereicht. Vier der
Unternehmen haben angegeben, dass sie unter der Bagatellgrenze lägen
und entsprechend keine Vollständigkeitserklärung abgeben müssten.
Weitere acht Unternehmen haben angekündigt, zeitnah eine
Vollständigkeitserklärung abgeben zu wollen.

Mehr als sieben Monate nach dem Stichtag 1. Mai 2009 sind nur rund
2.200 der 3.000 - 4.000 betroffenen Unternehmen ihrer gesetzlichen
Verpflichtung zur Hinterlegung eine Vollständigkeitserklärung nach
gekommen.

Originaltext: Deutsche Umwelthilfe e.V.
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/22521
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_22521.rss2

Pressekontakt:
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer, Deutsche Umwelthilfe e.V.,
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Mobil.: 0171 3649170,
Fax: 030 2400 867-19, E-Mail: resch@duh.de

Maria Elander, Leiterin Kreislaufwirtschaft, Deutsche Umwelthilfe
e.V., Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030 2400867-41,
Fax: 030 2400867-19, Mobil: 0160 5337376, E-Mail: elander@duh.de

Gerd Rosenkranz, Leiter Politik & Presse, Deutsche Umwelthilfe e.V.,
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030 2400867-0,
Mobil: 0171 5660577, E-Mail: rosenkranz@duh.de


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