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Berliner Morgenpost: Die Kluft zwischen Versprechen und Realität - Leitartikel

Geschrieben am 05-12-2009

Berlin (ots) - Die Schweizer haben sich das Recht bewahrt, über
Fragen, die das Land bewegen, nicht allein die Regierung entscheiden
zu lassen. So sprach das Volk vor einer Woche sein Verbot für den Bau
von Minaretten aus. Das Verdikt ist zur Belastungsprobe für das
Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Kulturen und Religionen
über die Grenzen der Alpenrepublik hinaus geworden. Es stellt
zugleich die Frage nach der Sinnhaftigkeit von Volksabstimmungen.
Nicht für die Schweizer. Die werden sich dieses Recht nicht rauben
lassen. Wohl für uns Deutsche. Viele schauen neidisch auf den kleinen
Nachbarn im Südwesten.
Mehr Mut zu direkter Demokratie, stärkere Beteiligung und Einmischung
der Bürger in politische Entscheidungsprozesse - das sind populäre
Forderungen auch hierzulande. Jüngst plädierte der neue
SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel dafür. Das allerdings würde das
politische System der Bundesrepublik Deutschland ziemlich
durcheinanderwirbeln. Es basiert auf der repräsentativen Demokratie,
in der das Volk in bestimmten Abständen (im Bund alle vier, in den
Ländern alle fünf Jahre) seine Abgeordneten wählt, die dann seine
Interessen wahrnehmen. Mitbestimmung darüber hinaus in Form von
Volksbegehren und Volksentscheiden sind allein in Landesverfassungen
vorgesehen. Aber schon da zeigt sich eine demokratiefeindliche Kluft
zwischen Versprechen und Realität. In Berlin hat die rot-rote
Koalition gleich drei Mal in jüngster Zeit bekundet, was sie in der
Praxis von mehr direkter Demokratie hält. Ein positives Votum für den
Flughafen Tempelhof sollte ignoriert werden, Pro Reli wurde bekämpft,
die Versenkung von Media Spree wird weiter folgenlos belächelt. Mehr
Demokratie? Auf dem Papier sind auch viele Politiker dafür. Wenn es
aber ernst wird, passt es ihnen selbst auf der eher kleinteiligen
Landesebene schon nicht. Wer Volksabstimmungen in seine Verfassung
hineinschreibt, hat die Ergebnisse gefälligst zu befolgen. Was auf
Landesebene noch vertretbar sein mag, kann auf der bundespolitischen
Bühne an den Grundfesten des Staates rütteln. Wer Plebiszite auch
über bundespolitische Themen einführen will, der kann Volksentscheide
schwerlich auf ein paar belanglose Themenfelder beschränken. Der
muss, will er glaubwürdig sein, die Zukunft des Landes bestimmende
Entscheidungen aus dem Bundestag verlagern und dem Volk übertragen.
Ist das wirklich sinnvoll? Sprechen Geschichte und
Emotionalisierungspotenzial der Deutschen wirklich dafür?
Die Erfahrung spricht dagegen. Für alle entscheidenden
Weichenstellungen der Bundesrepublik hätte es in Volksentscheidungen
schwerlich Mehrheiten gegeben. Nicht für die Wiederbewaffnung und
damit für die Westintegration, nicht für die Nachrüstung als wichtige
Voraussetzung für die Wiedervereinigung, nicht für den Euro.
Emotionen gehören zum politischen Geschäft, schaden aber
Entscheidungen über den Tag hinaus.
Vor hohlen Versprechungen und falschen Hoffnungen sei also gewarnt.
Der Demokratie wäre schon gedient, würden die Plebiszite in den
Ländern endlich respektiert.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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