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Neue Westfälische: KOMMENTAR Deutsche Afghanistan-Politik Nicht reif CARSTEN HEIL

Geschrieben am 11-09-2009

Bielefeld (ots) - Die Deutschen haben es so gewollt. Was einst
langsam, fast beiläufig anfing, ist heute in eine schwierige
militärische Lage in Afghanistan mit Toten und Verwundeten gemündet
und hat die deutsche Politik und Diplomatie in tiefe Verwirrung
gestürzt. Der politisch-diplomatische Umgang mit dem, von einem
deutschen Soldaten angeordneten, Bombardement auf zwei Tanklaster in
Kundus und die innenpolitische Debatte darüber zeigt: Deutschland ist
politisch nicht reif für die Weltbühne. Doch zum Anfang.
Kaum war die deutsche Einheit 1990 formell vollendet, drängte sich
schon die CDU/FDP-Regierung von Kanzler Helmut Kohl nach einem
ständigen Sitz im Weltsicherheitsrat. Dafür verlangte die Uno
Gegenleistungen. Zwar ist der deutsche Drang nach mehr Bedeutung bis
heute nicht in Erfüllung gegangen, aber konkrete Bundeswehreinsätze
in Kambodscha und Somalia lösten die bis dahin übliche
Scheckbuchdiplomatie ab. In den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts
fiel es noch leicht, die Bundeswehreinsätze im Ausland als rein
humanitäre Aktionen zu bezeichnen.
Schon der Einsatz der rot-grünen Bundesregierung im Kosovo brachte
1998 die Zeitenwende. Deutsche Bomber griffen aktiv in
Kampfhandlungen auf dem Balkan ein. Man machte sich wichtig.
Endgültig vorbei mit der deutschen Beschaulichkeit war es am 11.
September 2001. Des achten Jahrestages der El-Kaida-Angriffe auf die
USA wurde gestern gedacht. Angesichts der machtvollen Bilder von den
einschlagenden Flugzeugen, den qualmenden Zwillingstürmen in New York
und dem zusammenbrechenden World Trade Centers konnte sich
Deutschland nicht seinen Bündnisverpflichtungen entziehen. Für die
Regierung von Gerhard Schröder kam die Stunde der Wahrheit.
Tatsächlich ging es auch für Deutschland nun nicht mehr nur darum,
sich selbst mehr Bedeutung in der Welt zu verschaffen. Jetzt ging es
darum, die Freiheit am Hindukusch zu verteidigen. Dieser Satz des
damaligen Verteidigungsministers Peter Struck ist heute noch richtig,
auch wenn die Mehrheit der Deutschen das heute nicht mehr so sieht.
Diese Ablehnung liegt daran, dass die deutsche Politik den Menschen
nie ehrlich erklärt hat, was die Bundeswehr in Afghanistan macht:
Krieg führen.
Auch gegenüber den Verbündeten taten deutsche Politiker stets so, als
seien ihre Soldaten nach wie vor in einem humanitären Einsatz. "Wir
helfen den Afghanen, ihr bombt", lautete die Botschaft an die
Amerikaner. Kein Wunder, dass die Alliierten nun die erste
Gelegenheit nutzen, mit dem Finger auf die "guten" Deutschen zu
zeigen. Deren Diplomatie reagiert mit Hilflosigkeit, indem sie ihre
Botschafter bei den befreundeten Regierungen vorstellig werden lässt,
sich die Kanzlerin "Kritik verbittet" . Ein Maulkorb aber steht einer
Demokratie schlecht an.
Wer international mitmischen will, muss erstens das eigene Volk
mitnehmen und zweitens Druck aushalten können. Um beides scheint es
in Berlin nicht gut bestellt.

Originaltext: Neue Westfälische
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/65487
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_65487.rss2

Pressekontakt:
Neue Westfälische
Jörg Rinne
Telefon: 0521 555 276
joerg.rinne@neue-westfaelische.de


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