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Neuer ROG-Bericht "Helden und Handlanger. Die Arbeit von Journalisten und Medien in den russischen Regionen"

Geschrieben am 10-09-2009

Berlin (ots) - Viele russische Journalisten und Medien überleben
nur durch finanzielle Zuwendungen regionaler Verwaltungen, Politiker
und Unternehmer. Die ökonomische Notlage übernimmt die Aufgabe einer
Zensurbehörde. Wer sich jedoch durch umsichtige Finanzierungsmodelle
wirtschaftlich unabhängig macht, kann sich auch inhaltliche Freiräume
schaffen. Dies ist das Ergebnis eines neuen Berichts von Reporter
ohne Grenzen (ROG) zur Lage der Pressefreiheit in den russischen
Regionen, der am 10. September in Berlin vorgestellt wurde.

Für den Bericht "Helden und Handlanger. Die Arbeit von
Journalisten und Medien in den russischen Regionen" haben fünf
fachkundige Rechercheure die Lage der Medien in sieben ausgewählten
russischen Regionen - im Moskauer Gebiet, den Regionen Krasnodar,
Perm, Primorje, Altai und den Gebieten Archangelsk und Swerdlowsk -
untersucht.

Der neue ROG-Bericht zeichnet ein Bild der Arbeit der Journalisten
in der Provinz und der Versuchungen und Bedrohungen, denen sie
ausgesetzt sind: ein Atlas zur Lage der Pressefreiheit in der
Russischen Föderation, der das berufliche Dilemma der Kolleginnen und
Kollegen aufzeigt. In vielen Regionen hat sich in den Jahren des
wirtschaftlichen Aufschwungs zwar eine zahlenmäßig reichhaltige
Medienlandschaft entwickelt. Dennoch sind die Freiräume für
unabhängige Berichterstattung nicht größer geworden. Viele
Journalisten greifen kritische Themen und Missstände wie Korruption
oder gewalttätig niedergeschlagene Proteste aufgrund starker
Abhängigkeitsverhältnisse zwischen Medien, Politik und Wirtschaft
nicht auf.

"'Wer die Musik bezahlt, bestimmt, was gespielt wird' - die
meisten russischen Journalisten haben sich an diese Regel längst
gewöhnt", heißt es in dem ROG-Atlas. Inhaltliche Unabhängigkeit der
Redaktion vom Besitzer des Mediums ist ein weit gehend unbekanntes
Phänomen. Zudem sind die Grenzen zwischen redaktionellen und
bezahlten Inhalten fließend: "Image-Reklame und 'sakasucha' gehören
zum Alltag russischer Medien", schreiben die Autoren des ROG-Atlas.
Mit "Image-Reklame" werden in Russland von Journalisten verfasste
Werbe-Artikel für einen Politiker oder Geschäftsmann bezeichnet, die
für den Leser als PR-Material nicht zu erkennen ist. Noch
weitreichender ist das Genre 'sakasucha' (von russ. 'sakas' =
Bestellung): Einige Zeitungsjournalisten werden dafür bezahlt, in
ihren Artikeln einen politischen oder ökonomischen Gegner zu
kompromittieren.

Wie die Untersuchungsergebnisse zeigen, zwingen die ökonomischen
Verhältnisse viele Medien in eine Rolle, die der sowjetischen
Tradition entspricht: Sie verstehen sich als Verlautbarungsorgane
staatlicher Institutionen. Einige regionale Zeitungen und ein
Großteil der Radio- und Fernsehsender sind zudem teilweise oder ganz
im Besitz der Region, des Landkreises oder der Stadt.

Staatliche "Informationsverträge" gehören zu den gängigsten
Mitteln der Steuerung von Medien. Für eine dem Bürgermeister, dem
Gouverneur oder anderen Behördenvertretern genehme Berichterstattung
erhalten die Medien finanzielle Gegenleistungen, die in einigen
Fällen sogar mehr als 50 Prozent der Einnahmen ausmachen. In der
Stadt Sotschi beispielweise, wo die Obrigkeit keine kritische
Diskussion zu den Vorbereitungen der Olympischen Spiele zulässt,
verschickt die Regionalverwaltung fertige Nachrichtenstücke zu dem
Thema an die Sender.

Journalisten, die es wagen, "heiße" Themen aufzugreifen, können
schnell vor Gericht landen. Ein beliebtes Instrument von Beamten und
Geschäftsleuten im Kampf gegen unliebsame Journalisten ist die
Verleumdungsklage. Wie Beispiele aus Primorje, Altai oder dem
Moskauer Gebiet zeigen, gibt es auch immer wieder gewalttätige
Übergriffe auf Journalisten.

Die Freiräume für Journalisten sind von Region zu Region jedoch
sehr unterschiedlich. Als Behördenvertreter in einer Redaktion in
Swerdlowsk anriefen und Änderungen eines Berichts wünschten,
beharrten die Journalisten auf ihrer Sicht der Dinge. In der Region
Perm berichten die Journalisten sogar von einem fairen Umgang der
Justiz mit den Medien. Die Richter entschieden bei den meisten Klagen
von Behörden gegen Medienvertreter zugunsten der Journalisten. Perm,
gelegen am Ural an der Grenze zwischen Asien und Europa, zeigt sich
im Umgang mit Presse- und Meinungsfreiheit im Vergleich zu den
anderen untersuchten Regionen am liberalsten.

Hier lesen Sie den vollständigen 84-seitigen ROG-Atlas "Helden und
Handlanger. Die Arbeit von Journalisten und Medien in den russischen
Regionen":
www.reporter-ohne-grenzen.de/fileadmin/rte/docs/2009/ROG-Atlas.pdf

Die Pressemappe zum ROG-Atlas finden Sie hier:
www.reporter-ohne-grenzen.de/index.php?id=427

Originaltext: Reporter ohne Grenzen e.V.
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/51548
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_51548.rss2

Pressekontakt:
Reporter ohne Grenzen
Anja Viohl
Pressearbeit
presse@reporter-ohne-grenzen.de
www.reporter-ohne-grenzen.de
Fon +49/30/615 85 85
Fax +49/30/614 56 49
mobil: 01577 334 02 44


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