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Berliner Morgenpost: Der Fall Schmidt oder: Aller Abschied ist schwer

Geschrieben am 18-08-2009

Berlin (ots) - Es gibt viele Menschen, die den Absprung nicht
schaffen. Die den richtigen Moment verpassen, noch eine Saison
dranhängen, noch mal kandidieren, sich unverzichtbar fühlen und dabei
langsam, aber sicher zur Witzfigur werden. Im Sport, in der Politik,
im Geschäftsleben, wo immer Erfolg in viel Geld, Ruhm, Einfluss und
Schulterklopfen umgewandelt wird, mögen Menschen nur ungern gehen,
sich anderem zuwenden, neue Wege finden. Abschied nehmen ist schwer,
Privilegien aufgeben noch schwerer. Ein Leben ohne Dienstwagen für
manchen einmal von diesem bescheidenen Glück Geküssten schier
unvorstellbar.
Wir stellen uns also kurz schlafend und träumen: Ulla Schmidt im
Urlaub, ohne S-Klasse, ohne Chauffeur, ohne Dienstsiegel, ohne
offizielle Reiseschreibmaschine. Unerreichbar im Nichts. Einfach nur
Erholen. Schauderhaft. Wir hier zu Haus wären der Pharmalobby
ausgeliefert; sie da im Irgendwo könnte sich nicht rettend vor die
Privatisierung des Gesundheitswesens werfen. Es wäre schrecklich.
Schrecklich, schrecklich sogar, zumal der Rechnungshof ja bestätigt
hat, dass einer Ministerin diese Art professioneller Reiseausrüstung
uneingeschränkt zusteht. Jedenfalls solange sie sich in ihrem
Dénia-Urlaub wenigstens kurzzeitig um die dort siedelnden
Deutschpensionäre kümmert und den anderen, den privaten Teil ihrer
Tour als geldwerten Vorteil beim Kollegen Steinbrück anmeldet.
Wir haben jetzt den ministeriellen Arbeitsstab geradezu vor Augen,
wie er Jahr für Jahr die Costa Blanca durchforstet nach Rentnern mit
deutschem Pass. Da muss doch noch ein Pflegeheim zu finden sein
zwischen Gandía und Torrevieja. Sonst müsste sich Frau Ministerin ja
nach einer anderen Urlaubsregion umsehen. Oder auch noch die Anreise
von Auto samt Chauffeur privat versteuern. Oje!
Das Bemerkenswerteste an dieser sommerlichen Dienstwagenaffäre ist,
dass Ulla Schmidt, die ja als dienstälteste Gesundheitsministerin
Europas keine Anfängerin ist in diesem Geschäft, nicht ansatzweise
merkt, wie hohl und selbstgerecht ihre Verteidigungsreden klingen.
Sie durfte und darf ja ihren Dienstwagen mit in den Urlaub nehmen.
Das muss regelkonform geschehen, und wenn es mal nicht passiert ist,
aus welchen Gründen auch immer, dann kann man das geraderücken,
vorsorgen, dass der Fehler kein zweites Mal passiert und gut ist.
Aber man raune uns bitte nicht wieder und wieder vor, das alles
geschehe zum Wohle des deutschen Volkes, seiner Pensionäre im
Westzipfel Spaniens oder der gesetzlich Versicherten, die vor den
Fängen der Gesundheitslobby zu bewahren seien. Das ist lächerlich,
spricht für ein gehöriges Maß an Selbstüberschätzung, liefert dem
politischen Gegner Wahlkampfmunition, schadet dem Ansehen der Politik
insgesamt und dem des angestrengten SPD-Kanzlerkandidaten im
Besonderen. Wenn man so will, sabotiert Ulla Schmidt gerade ihre
eigene Politik.
So gesehen sollte sie vielleicht doch mal über einen freiwilligen
Rückzug nachdenken - auch wenn's, siehe oben, schwerfällt.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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