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Südwest Presse: Kommentar zu Afghanistan

Geschrieben am 01-07-2009

Ulm (ots) - Der Tod der drei jungen Bundeswehrsoldaten in der
vergangenen Woche in Afghanistan hat die Nation erschüttert. Laut
einer neuen Umfrage des Forsa-Instituts sind 61 Prozent der Deutschen
dafür, die Truppen aus Afghanistan abzuziehen. Die Politik geht auf
Tauchstation, wenn das Stichwort Afghanistan fällt.
Ist das das Aus für eine Entwicklung, die 1992 mit dem Einsatz von
Sanitätssoldaten in der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh
begann? Damals wurde die Vision einer aktiven Rolle der Bundeswehr
als Einsatzarmee auch im Ausland, eingebettet in die internationale
Sicherheitspolitik, geboren. Stirbt diese Vision jetzt auf den
Schlachtfeldern von Afghanistan?
Bestimmt nicht. Sie wird nur eingeholt von der rauen Wirklichkeit
internationaler Einsätze. Es ist erstaunlich, dass dies erst jetzt
geschieht. Die Bundesregierungen skizzierten gern in der
Öffentlichkeit das Bild vom guten deutschen Soldaten, der in der
Fremde hilft und humanitäre Aufgaben schultert, während Soldaten
anderer Nationen an ihrer Seite die schmutzige Arbeit erledigen,
schießen und sterben. Das war der legitime Versuch, die aus
NS-Wehrmachtszeiten traumatisierten Deutschen sanft an die neue Rolle
der Bundeswehr in einer internationalen Sicherheitsstruktur
heranzuführen. Nur versäumte die Politik den zweiten Schritt: Die
Debatte um die neue Rolle der Bundeswehr hätte folgen müssen. Jetzt
hat die bislang verweigerte Diskussion sie um so härter eingeholt.
Sie ist von ähnlicher Brisanz wie die um die Wiederbewaffnung
Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg.
Es geht dabei in Wahrheit nur vordergründig um den
Afghanistan-Einsatz. Deshalb ist auch die Frage müßig, ob Deutschland
unbedingt am Hindukusch verteidigt werden muss. Es geht um die
Einsätze in einer internationalen Truppe an irgendeinem Krisenherd im
Rest der Welt und die Rolle Deutschlands und der Bundeswehr in diesem
neuen Sicherheitsgefüge. Muss es überhaupt solche riskanten und auch
teuren Einsätze in fernen Ländern geben? Ja, ein deutscher Sonderweg,
vorbei an der Staatengemeinschaft, ist nicht vorstellbar. Die
Einsätze dürfen nur unter UN-Mandat oder auf Anforderung der
Europäischen Union stattfinden, gemeinsam mit den Soldaten anderer
Nationen - vorausgesetzt, Bundesregierung und Bundestag stimmen zu.
Das schließt isolierte Irrwege wie den Einmarsch der US-Truppen in
den Irak weitgehend aus.
Warum man sich an einer solchen Truppe überhaupt beteiligen muss?
Weil es unvorstellbar grausame Verbrechen gegen die Menschlichkeit
gibt, die eine Staatengemeinschaft nicht hinnehmen darf, wenn sie
sich nicht mitschuldig machen will. Dazu gehören zum Beispiel die
Massaker von Srebrenica, die Konzentrationslager im Balkankrieg und
der Genozid in Ruanda, aber auch die willkürlichen Morde durch die
Taliban in Afghanistan.
Dass die Schwelle für ein militärisches Eingreifen in einem fremden
Land hoch sein muss, versteht sich von selbst. Für Rambos ist kein
Platz. Der deutsche Weg war schon bisher der richtige: Als Helfer
auch für die Zivilbevölkerung auftreten, nicht als Besatzer, wie die
US-Truppen es im Irak praktizierten und sich alle Sympathien
verscherzten.
Wer in solche Einsätze geht, muss wissen, wie er wieder heraus kommt.
Das bedeutet: Parallel zu einem Militäreinsatz muss der Aufbau
ziviler Sicherheits- und Verwaltungsstrukturen im Land schnell
vorangetrieben werden. Auch das ist eine Lehre aus Afghanistan, wo
dieser Aufbau lange Zeit stockte. Sonst rückt ein Ende des
Auslandseinsatzes in weite Ferne. Oder der Einsatz war vergebens,
weil nach dem Abschied die alten Machtstrukturen fröhlich Urstände
feiern. Das kann niemand wollen. Auch in Afghanistan nicht.

Originaltext: Südwest Presse
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/59110
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_59110.rss2

Pressekontakt:
Südwest Presse
Lothar Tolks
Telefon: 0731/156218


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