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Berliner Morgenpost: Ein Wegbereiter des schwarzen Amerika - Leitartikel

Geschrieben am 26-06-2009

Berlin (ots) - Die ganze Welt tanzte zu seiner Musik, die ganze
Welt erregte sich an seinen Prozessen, und nun erklärt die ganze
Welt, warum Michael Jackson starb, womöglich freiwillig. Eine Zeit
lang war er der größte Popstar der Welt - und bis zuletzt wohl der
öffentlichste Mensch der vergangenen Jahrzehnte. Jeder meinte, ihn
erklären und bewerten zu können.
Gut möglich aber, dass das Phänomen Michael Jackson gar nicht zu
verstehen ist. Vielleicht war dieses Vollzeitbühnenwesen nicht mehr
als eine hauchdünne Hülle, eine flüchtige Leinwand, auf die das
Publikum und vor allem er selbst Wünsche, Ängste und Weltsichten
projizierten. Vielleicht muss ein Mensch, der von und für die
Öffentlichkeit lebt, innerlich so gut wie leer sein.
Das globale Greinen um Jacksons Tod passt zur Flüchtigkeit seines
Lebens. Eben noch twitterte die Welt über den Iran, jetzt ein paar
Tage zu Jacko. Nächste Woche aber wird die globale Welle kollektiver,
folgenloser Instant-Betroffenheit schon weitergeschwappt sein. Der
King of Pop war eben auch Jedermanns King.
Wie viele Künstler war Michael Jackson ein Exzentriker, wenn auch ein
monströser, ein Mensch, der von sozialen Normen abwich. Von Kindheit
an wurde er gedrillt, das Anderssein zu perfektionieren. Erst Barry
Gordy, dann Quincy Jones waren die Musikgenies, die ihm in den
Pop-Olymp verhalfen - und auch zum Ausbruch aus dem Getto rein
schwarzer Musik und Popularität. So hat sich Michael Jackson gegen
den Lauf der Welt gestemmt, gegen das Schicksal, gegen alles, was
Durchschnittsmenschen unabänderlich erscheint. Er wollte eine andere
Hautfarbe, ein anderes Gesicht, sich bis in alle Ewigkeit tiefkühlen
lassen, Kind bleiben, unschuldig, einfach, leicht, ein zeitloses
Märchenleben führen auf seiner Spielzeugranch. Ob er Kinder
missbraucht hat oder vor allem ihre Nähe suchte, um ein paar
angstfreie Momente zu erleben, wird wohl nie geklärt werden.
Michael Jackson hat alle Facetten des amerikanischen Mythen-Arsenals
durchlebt, größte Höhen, gruseligste Tiefen. Sein Aufstieg stand für
den Traum, dass jeder es bis nach oben schaffen kann, der hart
arbeitet und an sich glaubt. Daran glaubt dieses Land bis heute.
Jacksons Niedergang, markiert durch zuletzt eher kümmerliche
CD-Verkäufe und schwer durchschaubare Missbrauchsprozesse,
repräsentiert wiederum ein bigottes, inquisitorisches Amerika.
Michael Jackson war weit mehr als ein begnadeter Tänzer, Musiker und
Entertainer. Alles, was derzeit in den USA durch Obama und
Finanzkrise auf dem Prüfstand steht, hat Michael Jackson gleichsam
als gesellschaftlicher Pionier durchlebt: Rassenfrage, Fan-Hysterie,
Maßlosigkeit, Ruhm, Trug und am Ende grenzenlose Einsamkeit. Wie
Martin Luther King, O.J. Simpson oder Tupac Shakur gehörte auch
Jackson zu jenen afroamerikanischen Grenzgängern, die Aufregung
auslösten, aber auch vielfältige gesellschaftliche Debatten, die die
relative Unaufgeregtheit um die Präsidentschaft Obamas erst möglich
gemacht haben.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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