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LVZ: Leipziger Volkszeitung zum Weltkulturerbe

Geschrieben am 07-07-2006

Leipzig (ots) - Narben bleiben
Von peter korfmacherErbe, das bedeutet Bereicherung und
Verantwortung. Eine komplizierte Binsenweisheit. Drum sieht sich
ausgerechnet Denkmalschutz-Musterschüler Deutschland derzeit mehrfach
im Focus der Welterbe-Kommision.
Vier Anlässe, vier Perspektiven: Der Limes im Südwesten hat seine
Ernennung gerade Schwarz auf Weiß bekommen. Regensburg sieht in
froher Erwartung der Aufnahme ins Welt-Kulturerbe entgegen. In Köln
stehen die Zeichen auf Entwarnung, weil es so aussieht, als würde der
Dom den Sprung von der Roten Liste schaffen. In Dresden scheint es,
als wolle die Unesco ein Exempel statuieren: Erstmals droht die
Aberkennung des Welterbe-Status, sollte die Landeshauptstadt den Bau
der Waldschlösschenbrücke durchziehen. Entsprechend hoch ist das
Erregungspotenzial. Zumal die Parallelität der Vorgänge
Ungerechtigkeit wittern lässt. Köln rückt ja nicht vollständig ab vom
Plan, diesen oder jenen Blick aufs Wahrzeichen zu verstellen. Aber
die Fälle unterscheiden sich bei näherer Betrachtung erheblich: Am
Rhein geht es um ein Bauwerk, in Sachsen um eine Landschaft. Und
diese Landschaft, das erst 2004 geadelte Elbtal, soll an einer ihrer
schönsten Stellen von einer Brücke durchschnitten werden, über deren
ästhetischen Mehrwert sich streiten ließe.
Streiten lässt sich indes auch über den Nutzen des Welterbe-Status.
Denn hier prallen zwei Philosophien aufeinander: Die Unesco sieht das
Erbe vor allem als Verpflichtung zur Erhaltung. Das ist in letzter
Konsequenz so, als dürfe man in Großvaters Häuschen nach dessen
Ableben keine neue Heizung einbauen. Dresden dagegen sieht
offenkundig zuvörderst den bereichernden Werbetrumpf im Kampf um
Touristen. Denen hilft im Zweifelsfalle auch die Brücke, weil sie mit
ihr weniger im Stau stehen. Aber das, mit Verlaub, kann und muss der
Welterbe-Kommission egal sein.
Dennoch scheinen die Fronten nicht zuletzt aus Gründen kleinlicher
Sturheit verhärtet. In Dresden schimpft man über ungebührliche
Einmischung, bei der Unesco hätte man beizeiten gefragt werden
wollen. Zumal der Vorwurf im Raum steht, im Bewerbungsverfahren habe
man getrickst, die Brücke die Elbe andernorts queren lassen.
Wie auch immer: Mit Blick auf den Limes stellt sich brennend die
Frage nach dem praktischen Nutzen des Welterbe-Status. Da ist ein
Bauwerk aufgenommen worden, das es seit 1500 Jahren nicht mehr gibt.
Und wenn irgendwo ein Wachturm rekonstruiert, oder ein Mauerrest
ausgegraben wird, schreien sie auf, die Wächter des Welterbes. Das
wird dem Tourismus kaum Auftrieb verleihen.Aber fürs Selbstwertgefühl
ist die Auszeichnung schön.
In Dresden ist es umgekehrt: Ob eine Aberkennung dem Tourismus
wirklich schadet, bleibt abzuwarten. Aber der Ausschluss aus dem
Kreis der weltkulturellen Klassenbesten wird Wunden schlagen, deren
Narben noch auf Generationen jucken.

Originaltext: Leipziger Volkszeitung
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=6351
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_6351.rss2

Rückfragen bitte an:
Leipziger Volkszeitung
Redaktion

Telefon: 0341/218 11558


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