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Weser-Kurier: Der "Weser-Kurier" (Bremen) kommentiert in seiner Ausgabe vom 23. Mai 2009 den 60. Jahrestag der Gründung der Bundesrepublik Deutschland:

Geschrieben am 22-05-2009

Bremen (ots) - Eine unglaubliche Geschichte
von Joerg Helge Wagner
"Ich mag Deutschland so sehr, dass ich lieber zwei davon haben
möchte" - der berüchtigte Satz des französischen
Literatur-Nobelpreisträgers François Mauriac, noch formuliert unter
dem Eindruck des 2. Weltkriegs, ist Geschichte geworden. Mit
entsprechender Legendenbildung: Häufig wird er Charles de Gaulle
zugeschrieben, um die Unüberwindbarkeit von "Erbfeindschaft" und
Misstrauen zu belegen.
Die 60-jährige Geschichte der Bundesrepublik beweist jedoch, dass
nahezu alles zu überwinden - oder zu schaffen - ist, wenn einige
Voraussetzungen stimmen: eine breite Mehrheit im Volk, die den
Neubeginn will, eine Verfassung, die sie dabei stützt und ein
geopolitisches Umfeld, das sie nicht daran hindert. Die Ergebnisse
sind beeindruckend. Aussöhnung nicht bloß mit den Kriegsgegnern,
sondern vor allem mit den Opfern des Nazi-Terrors. Integration von
zwölf Millionen Vertriebenen. Ein wirtschaftlicher Wiederaufstieg
ohne Beispiel. Die friedliche Überwindung des SED-Regimes, die
folgende Vereinigung beider deutscher Staaten und als Konsequenz
daraus mehr internationale Verantwortung.
Die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ist eine
Erfolgsgeschichte - eine, an der sich viele andere Staaten
orientieren. Das hat nichts mit Verklärung zu tun, denn jedes ihrer
Jahrzehnte war auch von großen Fragen, Zweifeln und Konflikten
geprägt. Aber im Ergebnis haben die Antworten und Lösungen diese
Demokratie stabiler und ihre Bürger selbstbewusster gemacht.
Entstanden ist ein ruhiger Patriotismus, der niemanden mehr ängstigt,
weil er auf niemanden herabsieht. Man schaut eher auf sich selbst und
ist im Großen und Ganzen zufrieden.
Bis hierhin war es ein weiter Weg. Die Westbindung war kein Geschenk
und auch kein Vorschuss an die junge Demokratie, sondern ein Mittel
zur Kontrolle - Mauriac mit anderen Mitteln sozusagen. Umsonst zu
haben war sie auch nicht: NATO-Beitritt und Wiederbewaffnung waren -
anders als im ungeteilten Österreich - zwingend erwünscht. Die
Befindlichkeiten der von Mitläufern zu "Ohne-Michels" gewendeten
Deutschen zählten nicht - weder für Erstkanzler Adenauer noch für die
Westalliierten.
Mit den neuen Waffen machte man schnell seinen Frieden, der bis in
die 80er Jahre halten sollte: Die äußere Bedrohung war zu
offensichtlich, der innere Frieden - gewährt durch die soziale
Marktwirtschaft - wurde nicht brüchig. Die beiden großen
Volksparteien trugen mit ihrer Integrationskraft dazu bei und
profitierten gleichzeitig davon. Als das Klima Mitte der 60er rauer
wurde, bildete man die erste Große Koalition. Schon damals eine
Notlösung, die den aufziehenden Sturm, den sie mit den
Notstandsgesetzen gesät hatte, nicht überstehen sollte.
Aber statt einer Staatskrise kam Willy Brandt, um "Demokratie zu
wagen" und nach der Westbindung die Öffnung gen Osten zu betreiben.
Mit Erfolg, denn damit setzte die schleichende Erosion der DDR ein -
weshalb man Brandt neben Kohl und Genscher zu den "Vätern der
Einheit" zählen muss. Welch' Ironie, dass ausgerechnet er durch die
Stasi zu Fall gebracht wurde.
Aber auch das steckte die junge Republik weg - wie die folgenden
Jahre des linken Terrors, die eben nicht zu neuen
"Ermächtigungsgesetzen" führten. Die Rechtsextremen blieben am Rand -
kamen sie doch in die Parlamente, blamierten sie sich dort nach
Kräften. Dafür waren jene "68er", die sich auf den langen weg durch
die Institutionen begeben hatten, längst zu erfolgreich geworden: Sie
dominierten bald den öffentlichen Dienst, Bildungs- und
Kulturbetrieb, die öffentliche und veröffentlichte Meinung.
War da noch Platz für eine "linke" Opposition? Ja, den schafften neue
Bedrohungen: vom sauren Regen dahingeraffte Wälder, verseuchte Meere
und der x-fache Overkill, der in den Raketensilos der Atommächte
lauerte - an der Wiege der Grünen standen die apokalyptischen Reiter.
Kein Wunder, dass das neue Parteienkind zunächst stark pubertierte:
Pazifismus äußerte sich zuweilen militant, da wurde mit echtem Blut
gespritzt und das eigene Verhältnis zur Gewalt war erst einmal
basisdemokratisch zu klären.
Mit deutscher Gründlichkeit schaffte man auch das und schaffte es
schließlich in diverse Regierungen, 1998 sogar in die des Bundes. Der
"Genosse der Bosse" als "Autokanzler" und ein ehemaliger
"Streetfighter" als sein Vize und Deutschlands Stimme in der Welt?
Auch das ging und sogar noch mehr: Gerhard Schröder und Joschka
Fischer führten einen Krieg - im Kosovo - und verweigerten sich einem
anderen: im Irak. Belohnt wurden sie mit einem Farbbeutel und
Wiederwahl.
Nun regiert eine in der DDR aufgewachsene Protestantin, die sich in
der katholisch-männlich dominierten Union nach oben geboxt hat. Die
Bundesrepublik und ihre Bürger haben also so ziemlich alles
ausprobiert, was möglich ist. Sie haben Fehler gemacht, sich
gestritten und am Ende doch immer ein akzeptables Ergebnis statt
Chaos hinterlassen. Weiter so!

Originaltext: Weser-Kurier
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/30479
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_30479.rss2

Pressekontakt:
Weser-Kurier
Produzierender Chefredakteur
Telefon: +49(0)421 3671 3200
chefredaktion@btag.info


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