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Landeszeitung Lüneburg: Sigmar Gabriel im Interview zum Klimaschutz: "Ökologisch unbelehrbare Länderfürsten"

Geschrieben am 21-05-2009

Lüneburg (ots) - Klimaschutz ist Chefsache -- zumindest für den
mächtigsten Mann der Welt. Deshalb gewährte US-Präsident Barack Obama
jüngst Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) eine Privataudienz.
Als Wahlkämpfer hatte Obama Deutschland als vorbildlich gelobt, jetzt
wurde er von Gabriel gedrängt, sich Deutschland als Vorbild zu
nehmen. "Von einer Führungsrolle sind die USA noch weit entfernt.
Aber wir wollen eine Aufholjagd sehen." Für die Klimapolitik von
Bundeskanzlerin Merkel findet Gabriel Lob. Fatal sei nur, dass die
Unionsministerpräsidenten diese Politik konterkarierten. Gabriel
erwartet auch in punkto Ökologie einen Richtungswahlkampf.

Umweltschutz könne man sich in Zeiten der Krise nicht mehr
leisten, meint die australische Regierung. Fürchten Sie Nachahmer?

Sigmar Gabriel: Als Bundesumweltminister muss man immer fürchten,
dass sich die Dinosauriertechnologien durchsetzen. In Australien ist
es die Kohleindustrie, die Druck auf die Regierung ausgeübt hat. In
Deutschland kommen derartige Bestrebungen weniger von den Unternehmen
selbst, als vielmehr von Verbandsvertretern. Die meisten Unternehmer
wissen längst, dass man mit einer ambitionierten Umweltschutzpolitik
wirtschaftlichen Erfolg haben und Arbeitsplätze schaffen kann. Ein
Beispiel: Die Mehrzahl der im Handwerk neu geschaffenen Jobs geht
direkt auf das Gebäudesanierungsprogramm der Bundesregierung zurück.
Und allein bei den erneuerbaren Energien sind es heute schon 280.000
neue Arbeitsplätze in Deutschland. Das wollen wir jetzt verdoppeln.

Der Verbandsvertreter der deutschen chemischen Indust"rie meinte
jüngst, man könne sich die teuren CO2-Emissionspreise in der Krise
nicht mehr leisten. Bekämen solche Stimmen unter einer bürgerlichen
Regierung mehr Gehör?

Gabriel: Zunächst verwahre ich mich gegen den Begriff "bürgerliche
Parteien". Sind Sozialdemokraten und ihre Wählerinnen und Wähler
keine Bürger mehr? Dieser Kampfbegriff von CDU und FDP aus den
60er-Jahren wollte damals schon die Gesellschaft in "gut" und "böse"
spalten und will es heute wieder. Zum Thema Chemieindustrie: Gerade
diese Branche ist von den Kosten des CO2-Emissionshandels zu großen
Teilen ausgenommen -- und zwar so lange, bis international gleiche
Bedingungen herrschen. Und genau das wollen wir ja bei der
Klimakonferenz Ende des Jahres in Kopenhagen schaffen. Trotz dieser
Ausnahmen erreicht Deutschland seine Umweltschutzziele. Als einziges
Land erfüllen wir die Kyoto-Vorgaben für 2012 bereits jetzt. Doch das
ist uns nur gegen massive Widerstände gelungen: Wann immer die
Bundeskanzlerin am Wochenende auf Klimagipfeln gute
Umweltschutzpolitik machte, versuchten CDU/CSU und FDP dies zwischen
Montag und Freitag zu unterlaufen. Nicht zuletzt kommt Widerstand aus
den Ländern, ob von Herrn Wulff, Herrn Rüttgers oder Herrn Seehofer.
Dahinter steckt ein großes Stück Unbelehrbarkeit. Hätten die
Ministerpräsidenten in der Finanzkrise etwas gelernt, müssten sie
wissen, dass der schnelle Euro, den wir heute machen, weil wir auf
Klimaschutz verzichten, unsere Kinder und Enkel teuer zu stehen
kommen wird. Und was noch schlimmer ist: Wulff und Co. verhindern
ausgerechnet in der Wirtschaftskrise den Aufbau neuer Arbeitsplätze.

China holt zwar bei Solarenergie auf, verweigert sich aber bei der
Treibhausgasverringerung verbindlichen Zusagen. Wie kann der
erwachende Gigant ins Boot geholt werden?

Gabriel: Peking macht in der Tat sehr viel, will sich aber auf
seine Aktivitäten nicht international verpflichten lassen. Eine
Haltung, die viele Entwicklungs- und Schwellenländer teilen. Das ist
wie bei kommunizierenden Röhren: Je mehr die Industrieländer bereit
sind zu tun, desto mehr Zugeständnisse gibt es von den Ländern, die
jetzt beim Wohlstand aufholen wollen. Und auf Anstrengungen dieser
Länder sind wir angewiesen. Denn so viel ist klar: Selbst wenn wir
die Emissionen der Industrieländer auf null bringen würden, könnten
wir den Klimawandel nicht bremsen. Dazu bedarf es erheblicher
Beiträge der Entwicklungsländer. Dabei müssen wir sie natürlich
unterstützen. Deutschland setzt bereits jetzt Einnahmen aus dem
Emissionshandel für Klimaschutzprojekte etwa zum Schutz der
Regenwälder oder bei der Energieeffizienz in ärmeren Ländern ein. Es
wird in Kopenhagen auch darum gehen, dass hier andere Industrieländer
nachziehen.

China sitzt wie Australien auf großen Kohlevorräten. Unterliegt
globales Verantwortungsbewusstsein zwangsläufig nationalen
Interessen?

Gabriel: Solange es keinen internationalen Vertrag gibt -- mit
Sicherheit. Deswegen streben wir echte Sanktionen für
vertragsbrüchige Staaten an. Aber weil es diese riesigen Kohlevorräte
gibt, sind sich die Klimaforscher einig, dass wir die CO2-Abscheide-
und -Abspeichertechnik brauchen, wenn wir im Klimaschutz
international vorankommen wollen. Noch lässt diese Technologie einige
Fragen offen. Doch es ist richtig, dass sich die EU entschlossen hat,
diese zu beantworten. In typisch deutscher Mentalität zu sagen, wir
möchten gerne jedes Risiko ausschließen und deshalb verzichten wir
auf diese Technologie, ist keine Lösung. Wir brauchen ein Höchstmaß
an Sicherheit. Wer aber die noch offenen Fragen bei CO2 mit den
Problemen beim Atommüll vergleicht, verniedlicht die Atomenergie. In
anderen Ländern wird die CO2-Speichertechnologie längst beherrscht.
So sind in Norwegen sogar die Grünen dafür, dass CO2 in alten
Erdgasspeichern abgelagert wird.

Gelingt im Dezember in Kopenhagen ein Weltklima"abkommen?

Gabriel: Ich bin optimistisch. Auch, weil sich das
Verhandlungsklima mit der US-Administration verändert hat. Künftig
können sich China, Russland, Australien oder Kanada nicht mehr hinter
dem Klimasünder USA verstecken. Noch sind die USA zwar weit davon
entfernt, die EU als Vorreiter abzulösen, aber sie ziehen immerhin am
gleichen Strang wie wir.

Union und FDP progagieren den "Klimaretter Atomstrom". Nun hat der
aber teure Nebenwirkungen, wie man in der Asse gesehen hat. Ist es
gerecht, dass der Steuerzahler für die Entsorgung aufkommt, die
Profite aber bei den Konzernen verbleiben?

Gabriel: Nein. Durch die Billig-Entsorgung in der Asse und in
Morsleben ist die Gesundheit vieler Menschen aufs Spiel gesetzt
worden. Ich halte es für undenkbar, zuzulassen, dass jetzt für die
Sanierung der Steuerzahler aufkommen soll. Wir werden nach der
Bundestagswahl ein Gesetz zur Besteuerung von Kernbrennstoffen
auflegen, damit sich die Atomindustrie stärker beteiligt. Der Vorteil
ist, dass diese Steuer echte Gewinne abschöpft und nicht den
Strompreis steigen lässt. Ich kann nicht nachvollziehen, wie sich CDU
und FDP in Niedersachsen zu Helfershelfern der Atomindustrie machen.
Denn die sind nicht mal ansatzweise bereit, diese Herren in die
Pflicht zu nehmen.

In welcher Koalitionskonstellation wollen Sie dann die
Kernbrennstoffsteuer durchsetzen?

Gabriel: In jeder. In Koalitionsverhandlungen -- das haben die zur
großen Koalition gezeigt -- wird es sowohl Union als auch FDP schwer
fallen, eine Regierungsbildung an dieser Frage scheitern zu lassen.
Einerseits machen sie Steuersenkungsversprechen, von denen niemand
weiß, wie sie zu bezahlen sind. Andererseits verweigern sie die
Mitarbeit in einem Punkt, der die Steuerzahler direkt entlasten
würde.

Niedersachsens Grünen-Fraktionschef Wenzel glaubt, dass der
Landtags-Untersuchungsausschuss zu Asse das Aus für ein Endlager in
Gorleben einläuten wird. Ist Wenzel zu optimistisch?

Gabriel: Jedenfalls ist der sogenannte Wissenschaftler, der die
Asse für sicher erklärt hat, der gleiche, der erklärt hat, Gorleben
sei sicher. Angeblich sollte die Asse Forschungsvorhaben
voranbringen, die letztlich für Gorleben aussagekräftig sind. So
gesehen könnte man Gorleben also gleich vergessen. Der
Untersuchungsausschuss dürfte sich mit der Frage befassen, ob in der
Asse überhaupt geforscht oder doch nur billig entsorgt wurde. Auch
wenn das in dieser Region nicht gerne gehört wird: Prinzipiell muss
man sagen, dass die Asse nicht per se ein Beispiel dafür ist, dass
Salz ungeeignet als Lagerstätte ist. Die Asse ist ein altes Bergwerk
-- ausgehöhlt wie ein Schweizer Käse -- in dem in unverantwortlicher
Weise Billig"entsorgung stattfand. Wie wir heute wissen, nicht nur
von 126.000 Fässern Atommüll, sondern auch von Tierkadavern. Gorleben
ist ein völlig anderer Salzstock. Trotzdem müssen sich diejenigen,
die stets gesagt haben, in der Asse werde für Gorleben geforscht, an
ihren Äußerungen messen lassen.

Wärmedämmung findet bisher vorwiegend bei Neubauten statt. Reichen
die KfW-Modernisierungsprogramme, um den Sanierungsstau bei Altbauten
abzubauen?

Gabriel: Da muss ich Sie korrigieren: Die Mehrzahl der Zuschüsse
geht in die Altbausanierung und dort vor allem in die Sanierung von
Ein- und Zweifamilienhäusern. Wir müssen aber stärker an die
Sanierung von großen Mietshäusern ran. Da gibt es aber folgendes
Problem: Wenn sie Eigentümer eines Einfamilienhauses sind und dieses
sanieren, sparen sie auch die Heizkosten. Wenn sie Eigentümer eines
Mehrfamilienhauses sind und sanieren, tragen sie die Kosten, ihre
Mieter profitieren aber davon -- denn die zahlen ja die Nebenkosten.
Das ist nicht attraktiv. Das Mietrecht sollte so geändert werden,
dass die eingesparten Kosten fair geteilt werden zwischen Mieter und
Vermieter. Dafür treten wir im Umweltministerium schon seit Beginn
der Legislaturperiode ein, aber es ist sehr schwierig, Mieterbund und
Vermieter auf die gleiche Linie zu bringen.

2011 will Bosch ein Mini-Blockheizkraftwerk für Einfamilienhäuser
auf den Markt bringen. Gibt es dann noch die derzeit hohen
Investitionszuschüsse?

Gabriel: Wir haben gerade dafür ein Förderprogramm aufgelegt, das
zeitlich nicht befristet ist. Dazu gibt es sogar ein Gesetz: das
Erneuerbare-Wärme-Gesetz.

Ist die Abkehr von einer zentralen Stromversorgung mit ihren hohen
Leitungsverlusten nicht sinnvoll, wenn immer mehr Haushalte Strom
produzieren?

Gabriel: Ich glaube, dass die Zukunft der Stromversorgung
dezentral ist. Sie wird aber dennoch zentrale Regelkraftwerke
brauchen. Früher hat die Energieversorgung im Süden und im Westen
gestanden. Die Elektrizitätsnetze waren wie ein Baum, unten der dicke
Stamm, nach Norden hin wurden die Äste immer feiner. Heute beginnen
wir an der Nordseeküste mit dem Aufbau der Offshore-Windenergie,
müssen aber den Strom an die Lastschwerpunkte im Süden und Westen
bringen. Das geht nur mit einem zentralen Stromnetz. Aber wir können
die Leitungsverluste dadurch reduzieren, dass wir
Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungstechnik nutzen zum Beispiel für
eine 500 Kilometer lange Leitung vom Windpark bis nach Freiburg.
Nutzt man dann noch ein Erdkabel, wird der Konflikt um den
Freileitungsausbau vermieden. Die Technik hat also auch im
Netzbetrieb deutliche Fortschritte gemacht.

Welches Potenzial hat die Geothermie?

Gabriel: Diese Art der Energiegewinnung ist in Deutschland noch
nicht ausreichend ausgeschöpft. Zwar sind die Bedingungen in anderen
Ländern zum Teil wesentlich besser und effektiver als in Deutschland,
aber auch hier gibt es ein großes Potenzial. Deshalb sind die
Förderbedingungen für Geothermie Anfang dieses Jahres deutlich
verbessert worden. Dadurch sind im vergangenen Jahr rund 20
Projektplanungen mit einem Investitionsvolumen von rund 200 Millionen
Euro neu initiiert worden

Zu welcher Art von Strom- und Wärmeerzeugung bzw. Versorgung
würden Sie Hausbauern raten?

Gabriel: Das hängt natürlich auch vom Standort des Hauses ab. Sie
können aber ein Null-Emissions-Haus bauen oder sogar Energieproduzent
werden. Die Frage, welche Kombination etwa aus Erneuerbarer
Wärmetechnik, Photovoltaik und Wärmedämmung am besten passt, wird ein
guter Architekt heute für jeden Standort vorschlagen können. Je höher
die Effizienz, desto höher ist auch die staatliche Förderung. Die
Investitionen in klimafreundliche Häuser rechnen sich schnell, weil
man von Energiepreissprüngen deutlich unabhängiger ist. Im Übrigen
müssen wir keine Angst mehr davor haben, dass die Russen uns kein Gas
mehr liefern, sondern davor, dass sie Kapitalismus dauerhaft
verstanden haben. Wenn die Russen eine Pipeline nach China bauen,
werden wir uns noch über die künftigen Gaspreise wundern.

Vor einiger Zeit gab es erneut eine CO2-Dienstwagendebatte, von
der auch Sie betroffen waren. Dabei steuern Autos 12 Prozent an den
CO2-Emissionen bei, Haushalte hingegen rund 40. Wäre da eine
Energiepass-Debatte nicht angebrachter?

Gabriel: Zunächst muss ich noch etwas zum Dienstwagen sagen: Ich
habe damals den Fehler gemacht, das Auto meines grünen Amtsvorgängers
zu übernehmen, weil ich dachte, der sei ein vernünftiges Auto
gefahren. Das war aber leider nicht der Fall. Heute nutze ich ein
Hybrid-Fahrzeug, das demnächst auf den Markt kommt. Mit diesem Auto
liegen wir bei den CO2-Emissionen in dieser Fahrzeugklasse
vergleichsweise gut. Für Gebäude haben wir einen Energiepass. Die
Union hat allerdings verhindert, dass ein wirklich aussagekräftiger
Energiepass für alle Pflicht wird. Stattdessen kann man wählen
zwischen zwei Formen des Energiepasses, wobei der
verbrauchsorientierte nicht besonders aussagekräftig ist. Wenn Sie
zum Beispiel den Energieverbrauch meiner Wohnung nehmen, müsste man
den Eindruck gewinnen, die Wohnung sei besonders gut gedämmt. Dabei
bin ich nur selten zuhause. Bei der Wohnung meiner Mutter müsste man
denken: Um Himmels willen, was ist das für eine Katastrophe. Das
liegt aber daran, dass meine Mutter 86 Jahre alt ist und sich
unterhalb von Saunatemperaturen in arktischer Kälte wähnt. Mit
anderen Worten: Wir brauchen einen für alle Wohnungen verpflichtenden
Energiepass, der den tatsächlichen Bedarf anhand von Dämmung, Heizung
und Verbrauch in Relation zur Größe des Hauses berechnet.

Wer in der Autofahrernation Deutschland der Autoin"dus"trie hilft,
kann Wahlen gewinnen. Folgt die Regierung auch im Fall Opel dieser
Logik?

Gabriel: Erstens: Ich habe als Umweltminister generell ein großes
Interesse daran, dass es der deutschen Industrie gut geht. Wir werden
die Probleme der Industriegesellschaft nur mit den Instrumenten der
Indus"triegesellschaft bewältigen können, also mit technischem
Fortschritt, der die Rohstoffe effizienter nutzt und wo immer möglich
auf erneuerbare Rohstoffe umsteigt. Außerdem kann Deutschland anderen
Ländern nur helfen, wenn wir wirtschaftlich erfolgreich sind. Ich
konnte die Klimaschutzausgaben im Bundeshaushalt von 875 Millionen
Euro im Jahr 2005 nur deshalb auf 3,4 Milliarden Euro steigern, weil
viele Menschen Arbeit hatten und Steuern gezahlt haben. Zweitens: Die
deutsche Autoindustrie ist in punkto Umweltfreundlichkeit wirklich
spät gekommen. Drittens: Wer in Deutschland Milliardenbeträge zur
Verfügung stellt, um die Finanz- und Wirtschaftskrise in den Griff zu
bekommen, die eine Mischung aus Ignoranten und Gangstern an den
Finanzmärkten verursacht hat, kann nicht in der gleichen Situation
sagen, wir lassen 30.000 Mitarbeiter eines angeschlagenen
Automobilunternehmens im Stich. Das wird in Deutschland zu abstrakt
diskutiert. Die Leute gewinnen den Eindruck, dass der Staat anonymen
Systemen wie der Finanzbranche schnell hilft, sich aber schwer tut,
wenn es konkret um Menschen geht. Diesen Eindruck dürfen wir nicht
verstärken, indem wir solche Kollateralschäden mit einem
Schulterzucken hinnehmen nach dem Motto: So ist es eben in der
Globalisierung.

Auch das VW-Gesetz ist ein Politikum. Wird das Gesetz überflüssig,
wenn VW und Porsche einen integrierten Konzern bilden?

Gabriel: Nein. Diese Machtrangelei der Eignerfamilien hat ja damit
begonnen, dass Chris"tian Wulff Ferdinand Piëch abschießen wollte. Um
das zu verhindern, hatte Herr Piëch über die Porsche Familie
begonnen, mehr Aktien zu kaufen, als Niedersachsen besitzt. Und nun
wird in der Familie Porsche-Piëch "Dallas" gespielt. Die aktuelle
Situation zeigt, wie wichtig es ist, dass das VW-Gesetz Bestand hat,
um dieses Unternehmen vor Hedgefonds oder streitenden Familien zu
schützen.

Wie geht Ihrer Einschätzung nach der Machtkampf zwischen Wolfsburg
und Stuttgart aus?

Gabriel: Der ist schon ausgegangen. Ich habe immer gewusst, dass
es von Wulff ein Fehler war, Piëch anzugreifen. Der Mann ist
unbestechlich. Er hat ein Ziel: VW soll der erfolgreichste
Autokonzern der Welt werden. Und er will, dass das mit den
Familiennamen Porsche und Piëch verbunden ist. Ich habe Piëch damals
zum VW-Aufsichtsratschef gewählt, als Ford schon die Fühler nach VW
ausgestreckt hatte. Denn Piëch hatte die nötige Härte, dies zu
verhindern.

Erwarten Sie bis zur Bundestagswahl im September eine Verschärfung
des sich abzeichnenden Lagerwahlkampfes?

Gabriel: Die CDU wird das sicher versuchen. Ich glaube aber, dass
es keine Lager gibt. Die Leute wählen nicht nach Lagern, sondern
entscheiden nach der Frage, wer die Kompetenz hat, Deutschland aus
der Krise herauszuführen und künftig krisenfester zu machen. Dazu
wird es eine Richtungsentscheidung geben: Soll das Motto "Privat vor
Staat" weiter gelten, das Frau Merkel und Herr Westerwelle vor der
letzten Bundestagswahl propagiert haben und das nichts anderes
bedeutet als Eigennutz vor Gemeinwohl. Oder hat der Staat auch die
Aufgabe, dafür zu sorgen, dass der Markt einen Rahmen bekommt, damit
das Gemeinwohl nicht untergepflügt wird? Ich glaube, dass CDU und FDP
einen gigantischen Wahlbetrug vorbereiten: Sie möchten gerne
verschweigen, dass sie die ideologischen Wegbereiter für diese Krise
sind. Dieses Manöver wird die SPD zu verhindern wissen. Es wird also
einen Richtungswahlkampf geben und keinen Lagerwahlkampf.

Sie als Bundesumweltminister tragen Mitverantwortung dabei, das
Land aus der Krise herauszuführen. Auch Bundeskanzlerin Merkel war
Umweltministerin. Ist dieser Posten ein Sprungbrett, sich für höhere
Aufgaben zu qualifizieren?

Gabriel: Das ist eine bösartige Frage. Ich will aber zunächst
etwas zu Frau Merkel sagen: Sie macht eine gute Umweltpolitik. Es
gibt zwischen uns keine Differenzen. Das Prob"lem ist nur, dass ihre
eigene Partei das Gegenteil macht. Das beste Beispiel ist die
Verhinderung des Umweltgesetzbuches von CSU und CDU. Insofern sage
ich Frau Merkel immer: Das Beste, was wir tun können, um unsere
Umweltpolitik durchzusetzen, ist: SPD wählen. Die
Unions-Landesfürsten sind erklärte Gegner der Umwelt- und
Klimapolitik der eigenen Bundeskanzlerin. Wir haben nur deshalb eine
erfolgreiche Legislaturperiode hinter uns, weil wir Sozialdemokraten
dafür gesorgt haben, dass sich Wulff, Rüttgers und Co. nicht
durchgesetzt haben.

Sie sagen, dass es keinen Lagerwahlkampf geben wird. In
Niedersachsens SPD gibt es aber eine Lagerbildung. Warum lehnen Sie
eine Neuordnung der Parteistruktur rigoros ab?

Gabriel: In den wirklich wichtigen Fragen wie der Umwelt-,
Bildungs- und Energiepolitik sind wir uns schon einig. Es gibt nur
unterschiedliche Auffassungen, wie die Zukunft unserer Partei
aussehen soll. Meine Auffassung ist: Der Zentralismus war noch nie
ein Heilsbringer. Politisches Engagement hat etwas mit Heimatnähe zu
tun. Zentrale Strukturen scheinen zwar effzient zu sein, führen aber
dazu, dass ehrenamtliches Engagement immer weniger eine Rolle spielt
und es immer mehr Berufspolitiker gibt. Die CDU hat in Niedersachsen
mehr Bezirksverbände als die SPD -- und regiert.

SPD-Landeschef Garrelt Duin hat Sie indirekt als beleidigte
Leberwurst bezeichnet, weil Sie sich auf Platz 24 der Landesliste zur
Bundestagswahl haben setzen lassen. Sind Sie noch beleidigt?

Gabriel: Ich glaube nicht, dass ich diesen Eindruck mache. Leider
ist es manchmal so, dass politische Meinungsverschiedenheiten dadurch
verschleiert werden sollen, dass man persönlich wird. Ich halte davon
nichts. In der Sache gibt es eine unterschiedliche Einschätzung
darüber, wie ein Bundestagswahlkampf geführt werden muss: Sollen die
Kandidaten der vorderen Listenplätze, Zugpferde für den Wahlkampf
sein oder sollen diese Plätze nur innerparteilich dazu dienen, das
eigene Prestige und die eigenen Führungsansprüche zu stabilisieren?
Für Letzteres war ich nicht. Als ausgerechnet diejenigen, die in
Niedersachsen ansonsten für die Abschaffung der Bezirksverbände
plädieren, dann am härtesten den Proporz der Bezirke auf der Liste
verteidigt haben, habe ich mich entschlossen, diesen unwürdigen
Streit bereits im Januar dieses Jahres zu beenden. Denn in diesem
Streit wurde vom Braunschweiger SPD-Bezirksverband gefordert, eine
nun wirklich exzellente SPD-Bundestagsabgeordnete auf einen deutlich
schlechteren Listenplatz zu setzen, weil nun zufällig die beiden
bekanntesten niedersächsischen Sozialdemokraten aus Braunschweig
kommen. Ich fand das alles unterirdisch und habe deshalb auf einem
vorderen Platz verzichtet. Und nun sind alle glücklich und machen
wieder für die Sache Wahlkampf. Ich auch.

Originaltext: Landeszeitung Lüneburg
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