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Börsen-Zeitung: Krise? Welche Krise? Kommentar zu den Finanzmärkten von Dieter Kuckelkorn

Geschrieben am 17-04-2009

Frankfurt (ots) - Die Rally am Aktienmarkt hat sich unverdrossen
in der gerade beendeten Börsenwoche fortgesetzt, obwohl immer mehr
Aktienstrategen warnen, dass die Luft für weitere Kurszuwächse
inzwischen sehr dünn geworden ist. Nichtsdestotrotz legte die Hausse
zuletzt noch an Tempo zu: Der Dax kletterte binnen fünf Handelstagen
um mehr als 7%. Gegenüber seinem Tief von Anfang März machte der
deutsche Leitindex rund 1000 Punkte gut, so dass zumindest bezogen
auf den Jahresanfang kaum noch ein Minus übrig bleibt.

Getragen wurde die recht rasante Erholung zuletzt vor allem durch
unerwartet gute Quartalszahlen von Amerikas Großbanken, die Europas
Anleger tief beeindruckten und dementsprechend auch die Kurse der
Finanzwerte diesseits des Atlantiks antrieben. So schoss der
Stoxx-Branchenindex Banken binnen Wochenfrist um schwindelerregende
17% nach oben. Der Finanzsektor führt unangefochten die Erholung des
Marktes an - was ein wenig merkwürdig anmutet, weil sich
Aktienstrategen noch bis vor kurzem einig waren, dass sich
Bankentitel noch sehr lange unterdurchschnittlich entwickeln werden.

"Krise? Welche Krise?", könnte man sich also fragen, wenn man
diese Zahlen betrachtet: Citigroup, bei der unlängst noch spekuliert
worden war, ob denn die 45 Mrd. Dollar Staatshilfe ausreichen, um das
Überleben zu sichern, verdiente im ersten Quartal satte 1,6 Mrd.
Dollar. Die ebenfalls unter den staatlichen Rettungsschirm geflohene
Goldman Sachs strich 1,8Mrd. Dollar ein. Wells Fargo glänzte gar mit
3 Mrd. Dollar Gewinn. Von den Großbanken unabhängige Analysten
zeigten sich davon überzeugt, dass dies alles zu schön war, um wahr
zu sein.

Bei Goldman half es beispielsweise, dass man im Rahmen der
Umwandlung von einer Investmentbank zu einer Geschäftsbank den
Bilanzierungszeitraum auf das Kalenderjahr umstellen musste. Dadurch
fiel der ziemlich schlecht verlaufene Dezember aus dem
Berichtszeitraum heraus. Wäre er drin gewesen, hätte Goldman nach
Berechnung von US-Analysten nur 1,24 Dollar je Aktie statt der jetzt
gezeigten 3,39 Dollar pro Anteilschein verdient. Goldmans Ergebnis
hängt zudem in einem hohen Maß am sogenannten "Prop Trading", dem
äußerst risikoreichen Eigenhandel. Der hohe Gewinnausweis lieferte
die Untermauerung für die geplante Kapitalerhöhung um 5 Mrd. Dollar,
mit der Goldman Sachs die staatlichen Hilfen zurückzahlen will.
Angenehmer Nebeneffekt der Rückzahlung ist, dass dadurch die
Restriktionen für die Gehälter und Boni des Spitzenmanagements
entfallen.

Bei Wells Fargo vermuten Analysten - die Bank nennt bisher kaum
Details - kreative Bilanzierungsmethoden, so etwa die Nutzung von
Rückstellung für notleidende Kredite, die Wells Fargo mit der
gestrauchelten US-Großbank Wachovia übernommen hatte. Außerdem soll
Wells Fargo in großzügiger Weise von neuen US-Bilanzierungsregeln
Gebrauch gemacht haben. Diese geben den Banken erhebliche Freiheiten,
die faulen Aktiva in ihren Bilanzen so zu bewerten, wie es ihnen in
den Kram passt, und somit von der strengen "Mark-to-Market"-Bewertung
abzuweichen, die die teilweise extrem gesunkenen Marktpreise für
diese Assets zwingend zugrunde legt.

Und die Citigroup verbesserte ihren Gewinnausweis um sage und
schreibe 2,5 Mrd. Dollar durch eine 2007 eingeführte
Bilanzierungsregel. Diese erlaubt es US-Banken, Kursverluste bei den
von ihnen selbst begebenen Anleihen als nicht realisierte Gewinne
auszuweisen. Dahinter verbirgt sich die Logik, dass eine Bank ja die
Anleihen verbilligt zurückkaufen und daraus einen Gewinn ziehen
könnte. Auch den nach den internationalen
Rechnungslegungsvorschriften IFRS bilanzierenden europäischen Banken
steht diese Option übrigens offen.

Der Bankensektor, der sich im Epizentrum der Krise befindet, taugt
hinsichtlich seiner ausgewiesenen Ergebnisse also kaum als Indikator
dafür, ob die Krise endlich an Dramatik nachlässt. Die überwiegende
Zahl der Makrodaten zeichnet ein nach wie vor sehr viel düstereres
Bild, auch wenn vereinzelt Frühindikatoren Anlass zur Hoffnung geben.
Interessant wird es, wenn in Kürze die Berichtssaison auf vollen
Touren läuft. Zu befürchten sind schwache Quartalszahlen und in der
Folge ein deutliches Rückschlagpotenzial für die Aktienmärkte.

Originaltext: Börsen-Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/30377
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_30377.rss2

Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion
Weitere Informationen: www.boersen-zeitung.de
Telefon: 069--2732-0


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