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WAZ: Was für eine seltsame Debatte - Die DDR war natürlich ein Unrechtsstaat. Leitartikel von Ulrich Reitz

Geschrieben am 14-04-2009

Essen (ots) - Wenn jetzt wieder über den Charakter der DDR
diskutiert wird, ist das nicht nur schlecht. Es sei denn, der
Grünen-Politiker Schulz, einer aus der Bürgerrechtsbewegung in der
DDR, behielte Recht: "Ich kenne solche Debatten. Erst heißt es, in
der DDR war doch nicht alles schlecht. Und am Ende soll herauskommen,
in der DDR war sogar vieles besser, als es heute sei."

Was der Philosoph Sloterdijk als "Staatsbürgerverwahrungsanstalt
Ost" verspottete, war völlig ohne Zweifel ein Unrechtsstaat. Die
Rechtsprechung war nicht unabhängig, sondern SED-lich. Der freie
Wille war frei, insofern er der Einheitsmeinung in der dem Politbüro
gleichgeschalteten Presse entsprach. Man konnte frei reisen, es sei
denn, gen Westen. Es gab genug Kinderkrippen, damit Mütter erst gar
nicht auf den Gedanken kommen konnten, sie könnten zwischen Arbeit im
Staatswohl und Erziehung wählen. Ganz zu schweigen von den richtig
harten Seiten des deutsch-undemokratischen Sozialismus: den Opfern
der Willkürjustiz à la Hilde Benjamin, den versauten Karrieren der
Kinder ihrer nicht-anpassungswilligen Eltern, usw.

Die Debatte über die DDR ist eine schöne Chance, dieselbe zu
entlarven; und auf andere Mythen aufmerksam zu machen. Etwa jenen
Mythos, den der SPD-Vorsitzende Müntefering in die Welt setzt. Danach
leide das Verhältnis zwischen Ost und West darunter, "dass wir 1989
nicht wirklich die Wiedervereinigung organisiert haben, sondern die
DDR der Bundesrepublik zugeschlagen haben". Schon vergessen, den Ruf
der Ost-Straße, der lange vor dem 3. Oktober 1990 nicht mehr lautete:
"Wir sind das Volk", sondern: "Wir sind ein Volk"? Schon vergessen,
dass es die DDR-Volkskammer war, die den Beitritt zur Bundesrepublik
beschloss? Und in allem Ernst: Als das 16-Millionen-Volk aus der
Diktatur Ost sich mit dem 60-Millionen-Volk aus der bewährten
Demokratie West vereinigen wollte, was hätte es schon groß an so
genannten Errungenschaften hinüberzuretten gelohnt?

In der Tat: Es gab den Ruf nach einer neuen, gesamtdeutschen
Verfassung. Allerdings erschallte der nicht aus dem Osten, sondern
aus dem Westen. Die SPD rief danach, nicht den Schwestern und Brüdern
Ost zuliebe, sondern um im Wahlkampf eigene Vorstellungen zu
popularisieren. Den Artikel 146, der eine neue Verfassung erlaubt,
gibt es heute noch. Allerdings steht davor, Gott sei Dank, eine
Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat. Zwischen Ost und West
ist viel schief gelaufen. An unserem Grundgesetz lag es gewiss nicht.

Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2

Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de


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