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Südwest Presse: Kommentar zum Thema Koalition

Geschrieben am 23-03-2009

Ulm (ots) - Die Nachrichten vom vorzeitigen Ende der Koalition
sind verfrüht. Das von Anfang an komplizierte Bündnis der beiden
Volksparteien wird (durch)halten bis zum Wahltag im Herbst. Es gibt
weder in der Union noch bei der SPD Bestrebungen, kurz vor Ablauf der
Legislaturperiode aus der schwarz-roten Allianz auszuscheren. Allen
Beteiligten ist klar, dass ein solcher Schritt von den Bürgern nicht
akzeptiert und folglich massiv bestraft würde. Diese Einsicht bändigt
die seit Monaten wachsenden Fliehkräfte im Regierungslager - sie
zwingt zusammen, was längst voneinander scheiden will.
Wenn in den vergangenen Tagen gleichwohl der Eindruck entstanden ist,
dass die sozial-konservative Vernunftehe vielleicht doch
außerplanmäßig zerbrechen könnte, lag das eher an politischen
Ritualen und aktuellen Stimmungen als an der festen Absicht eines der
Partner, die Koalition sechs Monate vor dem vereinbarten
Verfallsdatum aufzukündigen. Richtig allerdings ist, dass der Ton
unter den Protagonisten rauer geworden ist. Das beeinträchtigt
zuweilen den Ertrag der gemeinsamen Arbeit, legt den Apparat aber
nicht gleich lahm, wie die Opposition tönt.
So gering also das Risiko eines abrupten Scheiterns auf den letzten
Metern zum Ziel erscheint, so unbestritten ist, dass sich die
Koalition und die sie tragenden Parteien in einem wenig stabilen
Zustand befinden. Wenn CSU-Chef Horst Seehofer der SPD den Ausstieg
aus der ungeliebten Beziehung empfiehlt, mutet das schon deshalb wie
pure Heuchelei an, weil er selbst seit Wochen alles dafür tut, um
Sand ins Getriebe zu streuen - nicht bloß zu Lasten der
konkurrierenden Genossen, sondern teilweise sogar auf Kosten der CDU
und ihrer Vorsitzenden.
Und wenn Franz Müntefering über die Führungsschwäche der Kanzlerin
lamentiert, täuscht das kaum über die Blößen hinweg, die
SPD-Herausforderer Frank-Walter Steinmeier im Urteil mancher
Parteifreunde unverändert bietet. Und Angela Merkel? Sie spürt
allmählich, dass es - bisher undenkbar - eng werden könnte für eine
zweite Amtsperiode, in welcher Konstellation auch immer. Ihre
InterviewOffensive verrät, dass sie vielleicht nicht die Felle
davonschwimmen sieht, aber den Ernst der Lage durchaus erkannt hat.
Der Plan der Bundeskanzlerin, bis zum Beginn einer möglichst kurzen
heißen Wahlkampfphase im Spätsommer als Moderatorin über dem Streit
innerhalb der Koalition zu stehen, hat sich als unrealistisch
erwiesen. Die interne Friedenspflicht erlischt, selbst die eigene
Partei fordert ihren Tribut und lässt sich allein durch den Hinweis
auf Merkels Popularität nicht mehr ruhigstellen.
Dass die Bindekräfte im Regierungslager schwinden, ist mit dem
heraufdämmernden Wahlkampf zu erklären und muss die Kanzlerin nicht
über Gebühr alarmieren. Aber dass die Union heftiger als zuvor mit
den Flügeln schlägt und an der ideologischen Zuverlässigkeit ihrer
Frontfrau zweifelt, kann Angela Merkel nicht kalt lassen. Dieser
Zwiespalt, der sich zwischen der Vorsitzenden und ihrer Partei zeigt,
gefährdet ihre Autorität ebenso wie das Kalkül, die Macht aus einer
Position der Stärke und mit einem Angebot an die Mitte der
Gesellschaft zu sichern.
So rundum überzeugend füllt die Kanzlerin ihre gegenwärtige Rolle als
oberste Krisenmanagerin der Republik nicht aus, dass sich ihr sowohl
die Union als auch eine ausreichende Mehrheit der Wähler ohne weitere
Auskunft darüber anvertrauen wollten, wohin Angela Merkel das Land zu
führen gedenkt. Auch nach dreieinhalb Jahren im Amt sind ihre
Konturen erstaunlich unscharf, jedenfalls weit weniger ausgeprägt als
ihre Fähigkeit, Gegner, Kritiker und Probleme auszusitzen. Das könnte
am Schluss nicht genug sein.

Originaltext: Südwest Presse
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/59110
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_59110.rss2

Pressekontakt:
Südwest Presse
Lothar Tolks
Telefon: 0731/156218


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