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Westdeutsche Zeitung: Amoklauf = von Friedrich Roeingh

Geschrieben am 12-03-2009

Düsseldorf (ots) - Natürlich wird nun wieder nach Instrumenten
gesucht, Amokläufe zu verhindern: eine schärfere Kontrolle des
Waffenrechts, Verbote elektronischer Spiele, die aufs Töten
konditionieren, mehr Psychologen für die Schulen bis zur elektronisch
überwachten Eingangskontrolle zu den Schulhöfen. So verständlich
diese Rufe nach juristischen und technischen Hilfsmitteln sind, so
sehr sind sie Ausdruck unserer Hilflosigkeit. Der Hilflosigkeit,
depressive Verlierer ausfindig zu machen, die sich so abgekapselt
haben, dass sie zu Zeitbomben werden.
Von diesem kollektiven Versagen kann sich niemand freisprechen. Das
zeigt auch wieder der Fall Tim Kretschmer: Der 17-Jährige nahm
therapeutische Hilfe nicht an, obwohl seine Familie wusste, wie
dringend er sie brauchte. Und auch er kündigte seine monströse Rache
an der Welt in einem Chatroom an, was niemand seiner Mitdiskutanten
ernst nahm. Verdrängen und Wegschauen sind zwar keine neuartigen
Schwächen der menschlichen Psyche. In einer Zeit der Anonymisierung
der Kommunikation und der Individualisierung von Schicksalen aber hat
die Unkultur der Verantwortungslosigkeit ein erschreckendes Ausmaß
angenommen.
Jugendliche Amokläufer können wohl nur von Gleichaltrigen entdeckt
werden. Weil sich die Pubertierenden Eltern und Lehrern nicht mehr
öffnen. Weil nur Jugendliche Zugang zu den Winkeln des Internets
haben, in denen sich solche Taten ankündigen. Weil nur Jugendliche
den zuweilen grenzenlosen Drang zur Selbstinszenierung verstehen
können, der nicht nur die Kandidaten von "Deutschland sucht den
Superstar" und "Germany's next Top-Model" erfasst, sondern auch
einige Verzweifelte, die ihren einzigen Ausweg in der Selbsttötung
sehen.
Der Ruf nach einer neuen Werteordnung ist dabei so richtig wie
wohlfeil. Der Ort, an dem Jugendliche auf ihre Verantwortung
vorbereitet werden müssen, liegt - abgesehen vom Elternhaus - in der
Schule. Wann versetzen wir unsere Schulen endlich in die Lage, die
Kinder nicht nur auf den Kampf um die besten Abschlüsse und die
begehrtesten Jobs vorzubereiten, sondern auch auf ein Leben in
Gemeinschaft, die immer auch die Integration von Außenseitern
bedingt?

Originaltext: Westdeutsche Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/62556
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_62556.rss2

Pressekontakt:
Westdeutsche Zeitung
Nachrichtenredaktion
Telefon: 0211/ 8382-2358
redaktion.nachrichten@westdeutsche-zeitung.de


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