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Weser-Kurier: Der "Weser-Kurier" (Bremen) kommentiert in seiner Ausgabe vom 12. März 2009 das Schulmassaker von Winnenden:

Geschrieben am 11-03-2009

Bremen (ots) - Gelähmt vor Grauen?
von Joerg Helge Wagner
Nach jedem Amoklauf sind es zwei große Fragen, die das fassungslose
Publikum quälen. Was trieb ihn zu der Tat? Wie können wir vorbeugen,
damit so etwas nicht wieder passiert? Sie wurden vor zehn Jahren
gestellt, als zwei Teenager an der Columbine Highschool in Littleton,
Colorado, zwölf Mitschüler, einen Lehrer und dann sich selbst
töteten. Sie wurden vor sieben Jahren "nach Erfurt" gestellt, vor
drei Jahren "nach Emsdetten" und vor zwei Jahren "nach Blacksburg",
um nur die fürchterlichsten Tatorte zu nennen.
Es hat auch Antworten gegeben. Manche waren reflexhaft; sie
erschöpften sich zumeist im Ruf nach Verboten oder schärferen
Gesetzen. Das ist in jeder Hinsicht wohlfeil und wurde entsprechend
rasch umgesetzt - auch wenn die Erwartungen mit jedem neuen Amoklauf
grausam enttäuscht wurden.
Die besseren Antworten versuchten zunächst einmal, das Unfassbare zu
ergründen, daraus Schlüsse zu ziehen und dann Vorschläge zu machen.
Das ist kein hoffnungsloses Unterfangen, denn all die schrecklichen
Bluttaten aus scheinbar heiterem Himmel haben viel gemeinsam - ob sie
nun in Alabama, Finnland oder Schwaben passiert sind. Die Täter sind
immer männlich und fast immer jung. Sie sind meistens Einzelgänger
oder "völlig unauffällig", was nur eine Umschreibung fehlender
Sozialkontakte ist. Sie sind selten vorbestraft, die Tatwaffen
stammen zumeist aus dem "sozialen Nahraum", also vom Vater,
Großvater, Bruder, Onkel. Amokläufe ereignen sich fast nie in
Großstädten, sondern auffallend oft in der ach so beschaulichen
Provinz - wo das Abseitsstehen, das Ausgeschlossensein besonders
schmerzt.
Natürlich haben Polizeiprofis all diese sich gleichenden Merkmale
längst akribisch ausgewertet und mögliche vorbeugende Maßnahmen
erarbeitet. Die aber erfordern Mittel, Personal, Zeit, Flexibilität
unterschiedlicher Behörden, praxisnahe Vorschriften. "Die Politik"
ist also als Gesetzgeber wie als Exekutive gefordert, aber eben jeder
einzelne Beamte auch.
So drängen Kriminalisten seit Jahren auf einen ungehinderten
Datenfluss vom Schulpsychologischen Dienst Richtung Polizei und
umgekehrt. Das Projekt "Leaking" der Unis Bremen, Berlin und des
hiesigen Landeskriminalamtes sucht so einen Ansatz zur Vorbeugung.
Die mangelnde Vernetzung jener Institutionen, die sich um labile
junge Männer kümmern (sollten), ist offenbar ein Problem.
Alarmzeichen werden nicht kanalisiert oder gar nicht erst
wahrgenommen.
114 Amok-Drohungen habe es in den letzten zwei Jahren allein an den
Schulen Baden-Württembergs gegeben, verlautbarte gestern aus dem
Stuttgarter Innenministerium. Aha. Und dann wurden die "Vorgänge"
wahrscheinlich zwischen 228 Aktendeckeln beerdigt. Vielleicht ist
gestern einer von ihnen als sehr realer Zombie auferstanden - und hat
die alten Fragen mitgeweckt. Der Preis für die Antworten ist um
weitere 17 Leben gestiegen.

Originaltext: Weser-Kurier
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/30479
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_30479.rss2

Pressekontakt:
Weser-Kurier
Ressortleiter Nachrichten
Telefon: +49(0)421 3671 3405
joerg-helge.wagner@weser-kurier.de


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