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Weser-Kurier: Der "Weser-Kurier" (Bremen) kommentiert in seiner Ausgabe vom 27. Februar 2009 den Streit um die fristlose Kündigung wegen der Unterschlagung von 1,30 Euro:

Geschrieben am 26-02-2009

Bremen (ots) - Sozial ist anders
von Joerg Helge Wagner
Welch' Erregung über die Erregung! Das Berliner Landesarbeitsgericht
billigt die fristlose Entlassung einer Kassiererin, weil sie
Pfandbons im Wert von 1,30 Euro unterschlagen hat - und Wolfgang
Thierse, Vizepräsident des Deutschen Bundestages, findet die
Entscheidung "barbarisch" und "asozial". Das wiederum hält die
Präsidentin der Richter für eine "Diffamierung der Gerichte"; sie
bangt nun um das "Vertrauen der Bevölkerung in die Rechtsprechung".
Letzteres tut sie wohl zu Recht: Diversen Umfragen zufolge bewertet
eine satte Zweidrittel-Mehrheit den Berliner Richterspruch so, wie es
Herr Thierse tut. Ist der deshalb gleich ein "Populist", wie der
Berliner Anwaltsverein unterstellt? Der fordert erstens
"sachgerechte" Kritik ein und zweitens Thierses Rücktritt - aber wie
"sachgerecht" ist denn das? Thierse hat natürlich nicht "die Gerichte
diffamiert", sondern ein einzelnes Urteil kritisiert.
In einer Demokratie darüber zu streiten, ob ein Volksvertreter dies
darf, ist absurd. Zumal es nicht diese Kritik ist, die das Vertrauen
der Bevölkerung in die Rechtsprechung beeinträchtigt. Das tut das
Urteil selbst, denn es lässt den gesellschaftlichen Kontext völlig
außer Acht: Während millionenschwere Bonuszahlungen an Banker, die
milliardenschwere Schäden angerichtet haben, als rechtlich nicht zu
beanstanden gelten, wird eine 50-jährige Geringverdienerin wegen
eines Bagatelldelikts gleichsam zu lebenslanger Arbeitslosigkeit
verurteilt. Die Kosten trägt - wie bei den Bankern - die
Allgemeinheit. Richtern, die dies nicht bedenken, muss man soziale
Inkompetenz vorwerfen.
Es ist eben nicht immer gut, wenn Justitia blind ist. Zum Glück ist
sie nicht auch noch taub: Kritik wird ja immerhin vernommen. Nun
liegt der Ball aber wieder in Thierses Feld, bei der Legislative. Das
Arbeitsrecht ist dringend zu überarbeiten und an die Grundsätze des
Strafrechts anzugleichen. Wegen eines Schadens von 1,30 Euro verliert
niemand seine Freiheit - mit dem Arbeitsplatz sollte es ebenso sein.
Zumindest in einer Gesellschaft, die nicht asozial und barbarisch
sein will.

Originaltext: Weser-Kurier
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/30479
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_30479.rss2

Pressekontakt:
Weser-Kurier
Produzierender Chefredakteur
Telefon: +49(0)421 3671 3200
chefredaktion@btag.info


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